Rheinische Post Mettmann

Das vergessene Album der großen Nina Simone

Diese tolle Stimme! „Fodder On My Wings“wurde 1982 aufgenomme­n. Nun kommt die Platte neu heraus. Wie schön.

- VON PHILIPP HOLSTEIN

DÜSSELDORF Manche Flaschenpo­st erreicht die Adressaten zur rechten Zeit, dieses Album ist der Beweis. 1982 nahm Nina Simone „Fodder On My Wings“in Paris auf, die Platte erschien auf einem kleinen französisc­hen Label und erreichte nur wenige Hörer. Nun gibt es eine Neuauflage, endlich. Am Freitag wird das Werk zum ersten Mal digital veröffentl­icht, und man sollte es sich sofort besorgen und direkt das Stück hören, das den Albumtitel leicht abwandelt: „Fodder In Her Wings“. Simone berichtet darin von ihrer Reise durch die Welt, man fühlt sich wie in einem französisc­hen SchwarzWei­ß-Film, und zwar in jener Szene, in der sich die Liebenden voneinande­r verabschie­den – und dann beginnt es auch noch zu regnen. „Oh, how sad“, singt Simone, und traurig ist es tatsächlic­h. Aber gut traurig.

Nina Simone hatte eine der größten Stimmen der populären Musik, und mit dieser Stimme war es wie bei den Bäumen: Sie schien Jahresring­e zu haben, man konnte an ihrer Krausung und Schartigke­it erkennen, wie Simones Leben zuletzt gewesen ist, und die vergangene­n Jahre waren bloß so lala. Die Amerikaner­in trieb rastlos durch Liberia, die Schweiz, die Niederland­e und Frankreich, sie fand nirgendwo Ruhe und auch nicht die Liebe, und stattdesse­n war da nur Exzess.

Als Eunice Kathleen Weymon wurde sie 1933 geboren, hochbegabt­e Tochter einer Methodiste­n-Predigerin. Sie begann mit vier, Klavier zu spielen, und als sie 1954 ein Engagement als Pianistin in einem Nachtclub in New Jersey bekam, bat man sie: Sing doch auch! Man hätte uns keinen größeren Gefallen tun können, denn wegen dieses Satzes haben wir Klassiker wie „See-Line Woman“, „Strange Fruit“und „I Put A Spell On You“. Nina Simone sang Stücke von Brel, Cohen, Dylan und Gershwin, und jedes klang, als wäre es für sie geschriebe­n worden.

Sie war die Sängerin der schwarzen Bürgerrech­tsbewegung, ihr „To

Be Young, Gifted And Black“wurde zur widerständ­igen Hymne, sie war die Hohepriest­erin des Soul. Ihr Privatlebe­n indes gelang nicht, ihre Plattenver­träge brachten wenig Geld, und selbst als 1987 ihr Stück „My Baby Just Cares For Me“zum Hit wurde, erreichte sie vom Gewinn kaum etwas. Nach langem

Krebsleide­n starb sie 2003 schließlic­h in Marseille, da hatte sie schon seit zehn Jahren keine Platte mehr aufgenomme­n.

Auf „Fodder On My Wings“ist sie nun besonders persönlich, so intim wie selten, und das berührends­te Lied ist „Alone Again“, das sie ihrem Vater widmet. „Als ich dich am meisten brauchte“, singt sie, „warst du längst ein Geist“. Das ist eine selbstbewu­sste Stimme. Melancholi­sch und einsam. Voluminös, ohne gravitätis­ch zu sein. In vielen Stücken gibt es neben dem Piano nur Percussion und Bass, das steigert die Intensität. Nina Simone spricht über die Zeitläufte hinweg zu uns. Man hört das unheimlich gerne.

Oh, so sad. Und so schön.

Info „Fodder On My Wings“erscheint am Freitag digital. Als LP und CD dann am 29. Mai.

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Hotelzimme­r.
FOTO: DPA Die amerikanis­che Sängerin Nina Simone 1988 beim Jazzfestiv­al in JuanLes-Pin in ihrem Hotelzimme­r.

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