Kung-Fu-Meister wird wegen Corona Youtuber
Florian Winkler unterrichtet seine Schüler jetzt per Video. Auch Nicht-Mitglieder können Kickboxen und Qi Gong ausprobieren.
FRIEDRICHSTADT Eigentlich hatte Florian Winkler mit Technik nie viel am Hut. Einen schnellen Computer braucht er nicht für seine Arbeit, Videound Telefonkonferenzen sind überflüssig, weil der 48-Jährige einen Ein-Mann-Betrieb führt. Doch als der Erlass der Stadt kam, dass Winkler wie so viele andere Düsseldorfer sein Unternehmen schließen muss, „dachte ich sofort, dass ich etwas tun muss“, sagt Winkler, der seit 2005 eine Kampfkunstschule in Friedrichstadt führt. In der Akademie für Kampfkunst lernen seine Schüler KuTaeKa-Do und Kung Fu, Kickboxen, Qi Gong und Tai Chi Chuan. „Ich habe so viele Schüler, die begeistert trainieren, aber jetzt zu Hause sind und Zeit haben“, sagt Florian Winkler, der deswegen Kurse fürs Wohnzimmer anbietet.
Seit zwei Wochen dreht der KungFu-Meister Filme, die zwischen fünf und 45 Minuten lang sind. Eine kleine Kamera hat er auf einem Stativ im Studio an der Adersstraße stehen, sich von einem Freund ein gutes Mikro geliehen. Heute will er ein Meditationsvideo machen, „dafür brauche ich eine gute Tonspur“, sagt Winkler, der überzeugt ist, dass jeder Bewegung braucht, um keine trüben Gedanken zu bekommen. Deshalb stellt er das Training kostenlos ins Netz, auch für jene, die nicht Mitglied sind in seiner Kampfkunstschule. Ganz unsportlich sollten die
Zuschauer aber nicht sein, „lieber vorsichtig ausprobieren und langsam steigern“, sagt Winkler. Weil ein Training ohne Lehrer schon so seine Tücken hat, es niemanden gibt, der Korrekturen vornimmt.
Ein bisschen Respekt hatte Florian Winkler schon vor der ersten Aufnahme, „ich wollte mich ja nicht blamieren“, sagt er. Außerdem müssten die Formate stimmen, „nicht jeder hat ein großes Wohnzimmer“. Deshalb setzt er sich vor dem Dreh hin und erstellt ein Skript, für ein 30-minütiges Video benötigt er etwa zwei Stunden allein zum Flimen. Material sichten, Sequenzen zusammenschneiden, das Ganze online stellen – „ich arbeite fast mehr als vor der Pandemie“, sagt Winkler. Manchmal bekommt er Unterstützung von einem Schüler, vor ein paar Tagen war Annette Blum Paulino zu Gast. Die Kickbox-Weltmeistern von 2019 führt Tritte vor und seitliche Kicks, Spann-Kicks und Rückwärts-Tritte.
Die anfänglichen Bedenken hat Florian Winkler schnell verworfen, inzwischen ist er sogar ein bisschen stolz auf seine Produktionen. „Ich hab’ sowas vorher noch nie gemacht – Youtube-Star wider Willen“, sagt Winkler und lacht. Normalerweise gibt der Kung-Fu-Meister zwei bis drei Kurse am Tag in seiner Akademie, für Kinder und Erwachsene. Außerdem unterrichtet er auch an Ganztagsschulen. Angefangen hat Florian Winkler mit Kampfsport, als er selber noch ein Kind war. Beim
Judo entwickelte er schnell ein Interesse für das Zusammenspiel von Körper, Geist und Kampf, studierte bald die westlichen Philosophen. Kant, Schopenhauer, Nietzsche – „doch sie haben mir nicht die Antworten gegeben, die ich gesucht habe“, sagt der 48-Jährige. Mit 22 lernte er seinen Ku-TaeKa-Do-Meister kennen, der Winklers Leben veränderte. Damals arbeitete er noch als Bankkaufmann, tauschte bald Anzug und Krawatte gegen Trainigskleidung, „in der Kampfkunst lernt man viel über sich selbst“. Und bald waren auch viele Fragen, die Winkler hatte, geklärt.
Nach einem Jahr intensivem Training wollte Florian Winkler KungFu-Meiser werden, „die körperlichen und geistigen Anforderungen sind hoch“, sagt der 48-Jährige, der nicht sicher war, ob er die Herausforderung schaffen würde, der es nach acht langen und harten Ausbildungsjahren dann aber doch tat. Die meiste Zeit verbrachte er in Deutschland, „ich hatte hier einen tollen Trainer“, sagt Winkler, der aber auch in China gelernt hat. Eine Weile war Winkler im Ashram in Indien – ein Yoga- und Meditationszentrum, das einem Kloster sehr ähnlich ist. Wie ein Mönch lebt Florian Winkler schon lange nicht mehr, „ich bin ein gnadenloser Lustmensch“, sagt er. Manchmal, da trinkt er Alkohol, isst fettige Burger, „das kann man sowieso, wenn man trainiert“.