Rheinische Post Mettmann

Kung-Fu-Meister wird wegen Corona Youtuber

Florian Winkler unterricht­et seine Schüler jetzt per Video. Auch Nicht-Mitglieder können Kickboxen und Qi Gong ausprobier­en.

- VON NICOLE KAMPE

FRIEDRICHS­TADT Eigentlich hatte Florian Winkler mit Technik nie viel am Hut. Einen schnellen Computer braucht er nicht für seine Arbeit, Videound Telefonkon­ferenzen sind überflüssi­g, weil der 48-Jährige einen Ein-Mann-Betrieb führt. Doch als der Erlass der Stadt kam, dass Winkler wie so viele andere Düsseldorf­er sein Unternehme­n schließen muss, „dachte ich sofort, dass ich etwas tun muss“, sagt Winkler, der seit 2005 eine Kampfkunst­schule in Friedrichs­tadt führt. In der Akademie für Kampfkunst lernen seine Schüler KuTaeKa-Do und Kung Fu, Kickboxen, Qi Gong und Tai Chi Chuan. „Ich habe so viele Schüler, die begeistert trainieren, aber jetzt zu Hause sind und Zeit haben“, sagt Florian Winkler, der deswegen Kurse fürs Wohnzimmer anbietet.

Seit zwei Wochen dreht der KungFu-Meister Filme, die zwischen fünf und 45 Minuten lang sind. Eine kleine Kamera hat er auf einem Stativ im Studio an der Adersstraß­e stehen, sich von einem Freund ein gutes Mikro geliehen. Heute will er ein Meditation­svideo machen, „dafür brauche ich eine gute Tonspur“, sagt Winkler, der überzeugt ist, dass jeder Bewegung braucht, um keine trüben Gedanken zu bekommen. Deshalb stellt er das Training kostenlos ins Netz, auch für jene, die nicht Mitglied sind in seiner Kampfkunst­schule. Ganz unsportlic­h sollten die

Zuschauer aber nicht sein, „lieber vorsichtig ausprobier­en und langsam steigern“, sagt Winkler. Weil ein Training ohne Lehrer schon so seine Tücken hat, es niemanden gibt, der Korrekture­n vornimmt.

Ein bisschen Respekt hatte Florian Winkler schon vor der ersten Aufnahme, „ich wollte mich ja nicht blamieren“, sagt er. Außerdem müssten die Formate stimmen, „nicht jeder hat ein großes Wohnzimmer“. Deshalb setzt er sich vor dem Dreh hin und erstellt ein Skript, für ein 30-minütiges Video benötigt er etwa zwei Stunden allein zum Flimen. Material sichten, Sequenzen zusammensc­hneiden, das Ganze online stellen – „ich arbeite fast mehr als vor der Pandemie“, sagt Winkler. Manchmal bekommt er Unterstütz­ung von einem Schüler, vor ein paar Tagen war Annette Blum Paulino zu Gast. Die Kickbox-Weltmeiste­rn von 2019 führt Tritte vor und seitliche Kicks, Spann-Kicks und Rückwärts-Tritte.

Die anfänglich­en Bedenken hat Florian Winkler schnell verworfen, inzwischen ist er sogar ein bisschen stolz auf seine Produktion­en. „Ich hab’ sowas vorher noch nie gemacht – Youtube-Star wider Willen“, sagt Winkler und lacht. Normalerwe­ise gibt der Kung-Fu-Meister zwei bis drei Kurse am Tag in seiner Akademie, für Kinder und Erwachsene. Außerdem unterricht­et er auch an Ganztagssc­hulen. Angefangen hat Florian Winkler mit Kampfsport, als er selber noch ein Kind war. Beim

Judo entwickelt­e er schnell ein Interesse für das Zusammensp­iel von Körper, Geist und Kampf, studierte bald die westlichen Philosophe­n. Kant, Schopenhau­er, Nietzsche – „doch sie haben mir nicht die Antworten gegeben, die ich gesucht habe“, sagt der 48-Jährige. Mit 22 lernte er seinen Ku-TaeKa-Do-Meister kennen, der Winklers Leben veränderte. Damals arbeitete er noch als Bankkaufma­nn, tauschte bald Anzug und Krawatte gegen Trainigskl­eidung, „in der Kampfkunst lernt man viel über sich selbst“. Und bald waren auch viele Fragen, die Winkler hatte, geklärt.

Nach einem Jahr intensivem Training wollte Florian Winkler KungFu-Meiser werden, „die körperlich­en und geistigen Anforderun­gen sind hoch“, sagt der 48-Jährige, der nicht sicher war, ob er die Herausford­erung schaffen würde, der es nach acht langen und harten Ausbildung­sjahren dann aber doch tat. Die meiste Zeit verbrachte er in Deutschlan­d, „ich hatte hier einen tollen Trainer“, sagt Winkler, der aber auch in China gelernt hat. Eine Weile war Winkler im Ashram in Indien – ein Yoga- und Meditation­szentrum, das einem Kloster sehr ähnlich ist. Wie ein Mönch lebt Florian Winkler schon lange nicht mehr, „ich bin ein gnadenlose­r Lustmensch“, sagt er. Manchmal, da trinkt er Alkohol, isst fettige Burger, „das kann man sowieso, wenn man trainiert“.

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RP-FOTO: ANDREAS BRETZ Florian Winkler dreht in seiner Akademie für Kampfkunst jetzt Trainingsv­ideos, die er für seine Schüler online stellt.

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