Ein Architekt der Ungleichheit
Theodor Leutwein war der erste Gouverneur der Kolonie Deutsch-Südwestafrika, dem heutigen Namibia.
URDENBACH Ein Straßenname kann eine Ehre sein: Die Stadt benennt ihre Straßen nach verdienten Personen aus Wirtschaft, Wissenschaft, Politik, Kultur und Sport. Doch mit der Zeit ändert sich so manche Bewertung einer historischen Person, und daher sind auch in Düsseldorf einige Namensgeber in die Diskussion geraten – in Urdenbach zum Beispiel ein ganzer Straßenzug westlich der Koblenzer Straße. Eine Expertenkommission hat vorgeschlagen, Straßen umzubenennen, deren Namensgeber aus moderner Sicht kritisch betrachtet werden müssen. Wir stellen einige der umstrittenen Personen vor.
In Urdenbach gibt es einen ganzen Straßenzug, der nach deutschen Kolonialherren benannt ist und im Jahr 1937 eingerichtet wurde, ursprünglich als Ersatz für eine im Düsseldorfer Norden geplante, aber nie umgesetzte Siedlung. Eine dieser Straßen ist die Leutweinstraße, sie verläuft parallel zur Koblenzer Straße zwischen Lüderitzstraße und Sodenstraße. Theodor Gotthilf Leutwein war zum Ende des 19. und Anfang des 20. Jahrhunderts Gouverneur von Deutsch-Südwestafrika.
Leutwein, am 9. Mai 1849 als Sohn eines evangelischen Landpfarrers im Odenwald geboren, durchlief eine militärische Laufbahn, während er unter anderem an kaiserlichen Kriegsschulen lehrte.
1893 wurde er zu den Schutztruppen in die Kolonie Deutsch-Südwestafrika versetzt, die einen Großteil des heutigen
Staates Namibia und kleine Teile von Botswana umfasste. Zwei Jahre später war Leutwein zum Landeshauptmann und Kommandeur aufgestiegen, seine Aufgabe war es, das deutsche Gewaltmonopol in Afrika durchzusetzen. In der heutigen Bewertung, so das Ergebnis der Düsseldorfer Expertenkommission, die sich mit den fraglichen
Straßennamen und ihren Paten auseinander gesetzt hat, übte er diese Aufgabe jedoch vergleichsweise gemäßigt aus.
Zwar zwang Leutwein den einheimischen Volksgruppen die deutsche Vorstellung von Politik und Gesellschaft auf, ging dabei jedoch meist auf dem diplomatischen Wege vor. An den größten Verbrechen der deutschen Kolonialgeschichte in Südwestafrika hatte er keinen Anteil, verweigerte sogar bewusst seine Mitarbeit am Völkermord an den Herero. Sein erklärtes Ziel war es, „deutsche Oberherrschaft auf der Basis eines allgemeinen Landfriedens“zu erreichen. Mit politischem Kalkül machte sich Leutwein die Spannungen zwischen den afrikanischen Volksgruppen zunutze, befeuerte sie sogar aktiv, um einen gemeinsamen Aufstand gegen die Besatzer zu verhindern. Mit einigen der Anführer handelte er Schutzverträge aus, die Stämme unterstellten sich dem Protektorat der Kolonialmacht, erkannten diese somit als Oberhoheit an. Anderen Volksgruppen verweigerte er die Zusammenarbeit, was zu teils blutigen Konflikten zwischen den Stämmen führte. Auch seinen Untertanen gegenüber war Leutwein unerbittlich, Vertragsbrüche wurden mit dem Tod bestraft.
Leutweins Strategie war erfolgreich, 1898 wurde er zum ersten Gouverneur der Kolonie Deutsch-Südwestafrika ernannt. Er etablierte ein Rechtssystem, in dem die Eingeborenen gegenüber den weißen Kolonialisten benachteiligt waren und das Leben eines Deutschen mehr galt als das eines Afrikaners.
Diese Ungleichheit führte zu wachsender Unzufriedenheit und 1904 letztlich zum blutigen Aufstand der Volksgruppe der Herero. Theodor Leutwein nutzte anfänglich seine Kontakte in die Bevölkerung, um eine friedliche Lösung zu erwirken, scheiterte jedoch. Der Kaiser entsandte stattdessen den preußischer General Lothar von Trotha in die Kolonie, um den Aufstand militärisch zu beenden. Dieser gab den sogenannten „Vernichtungsbefehl“gegen die Herero, der zur Grundlage des ersten Völkermordes des 20. Jahrhunderts wurde. Leutwein lehnte dieses Vorgehen entschieden ab, ließ sich 1905 auf eigenen Wunsch in den Ruhestand versetzen. Er schied aus dem Militärdienst aus und kehrte nach Deutschland zurück, wo er sich bis zu seinem Tod 1921 ins Privatleben zurückzog.
Leutweins Politik war durch diplomatisches Vorgehen und seiner Bemühungen, Krieg in der Kolonie zu verhindern, gekennzeichnet. Gleichzeitig sorgte er aber für blutige Konflikte unter den Einheimischen und etablierte ein System der Ungerechtigkeit mit einer rassistischen Rechtsprechung.
Die Leutweinstraße in Urdenbach wurde am 16. Dezember 1937 benannt. Aus heutiger Sicht wird der Gouverneur jedoch aufgrund seines aggressiven Kolonialismus’ kritisch gesehen, die zuständige Expertenkommission hat den Straßennamen als „schwer belastet und nicht haltbar“eingestuft. Damit ist es wahrscheinlich, dass er in der nächsten Zeit geändert wird.