Rheinische Post Mettmann

„Nun gilt es, sich über das Unternehme­nskonzept Gedanken zu machen und Kreativitä­t zu entwickeln. Die Maßnahmen der Politik sind gleichzeit­ig vertrauens­bildend und können neuen Schwung bringen, wenn die Krise nicht lange anhält.

- VON JOSÉ MACIAS

Es gibt kaum noch ein Unternehme­n in der Region, das nicht von den Folgen der Corona-Krise betroffen ist. Manche Branchen, die besonders auf den Kundenbesu­ch angewiesen sind, tritt es besonders hart: Von einen Tag auf den anderen sanken die Umsätze auf Null. „Shutdown“, so nennt Gregor Berghausen, Hauptgesch­äftsführer der IHK Düsseldorf, diese Entwicklun­g. Und spricht gleichzeit­ig von einer „existenzie­llen Krise“.

In dieser außergewöh­nlichen Situation eröffnen sich neue Möglichkei­ten. Kurzfristi­ge Absprachen, Telefonkon­ferenzen, Video-Gespräche – das alles geschieht in diesen Tagen unter hohem Druck und mitunter unkomplizi­ert. So war es auch mit diesem Gemeinscha­ftsintervi­ew, das wir per Telefonkon­ferenz mit Gregor

Berghausen und dem Hauptgesch­äftsführer der Handwerksk­ammer Düsseldorf, Dr. Axel Fuhrmann, geführt haben. Es war spontan am Morgen vereinbart worden, was auch dokumentie­rt, mit welchem Engagement Kammern und Verbände in dieser Krise unterwegs sind.

„Diese Krise hat eine ganz andere Qualität als die Finanzkris­e im Jahr 2008 – sie ist tiefgreife­nder, nachhaltig­er“, betont der IHK-Chef. „Diesmal ist es kein Schockerle­bnis, das sich zu einer Abwärtsspi­rale entwickelt, diesmal ist es wie ein plötzliche­r Stopp, ein Shutdown.“Allerdings wehrt er sich gegen den Eindruck, dass nunmehr auch die internatio­nalen Warenström­e nicht funktionie­ren würden: „Im Gegenteil, es ist nicht alles in der Wirtschaft bei Null, wir sehen immer noch ein deutliches Handelsvol­umen.“

„Das größte Problem ist die Angst: Viele Handwerker machen sich Sorgen, weil sie in manchen Handwerksz­weigen, etwa Friseure oder Berufe mit Kundenverk­ehr, gezwungen waren, von heute auf morgen zu schließen: keine Kunden, keine Einnahmen“, charakteri­siert Dr. Axel Fuhrmann von der Handwerksk­ammer die Lage. „Und Betriebsin­haber, die noch zu tun haben, wie etwa im Bauhandwer­k, machen sich Sorgen um die Gesundheit ihrer Mitarbeite­r – und natürlich auch um ihre eigene.“

Die großen Finanzieru­ngspakete von Land und Bund, die seit vergangene­m Freitag beantragt werden können, begrüßen die beiden hauptamtli­chen Kammervert­reter ausdrückli­ch. „Die Politik hat es verstanden und es richtig gemacht. Jetzt Geld in die Wirtschaft zu pumpen, beruhigt die Menschen und unterstrei­cht: Gemeinsam schaffen wir das!“

In den Fokus rücken dabei Führungskr­äfte, Manager und die Unternehme­r selbst: „In dieser Zeit ist Unternehme­rgeist gefragt“, sagt Gregor Berghausen. „Nun gilt es, sich über das Unternehme­nskonzept Gedanken zu machen und Kreativitä­t zu entwickeln. Die Maßnahmen der Politik sind gleichzeit­ig vertrauens­bildend und können neuen Schwung bringen, wenn die Krise nicht lange anhält.“Und Fuhrmann ergänzt: „In der Krise zeigt sich, wer wirklich Spirit hat: Jetzt ist die Zeit, die Digitalisi­erung auch in den Unternehme­n nach vorne zu bringen und die Prozesse umzugestal­ten.“

Die beiden Wirtschaft­sexperten sehen zudem die Region Düsseldorf sehr gut aufgestell­t: „Die beratenden Institutio­nen, von den Kammern über die Verbände bis zur Arbeitsage­ntur, stehen alle bereit, um den Unternehme­n und ihren Beschäftig­ten zu helfen.“Die Kammern

haben etwa Hotlines geschaltet, um bei vielfältig­en Problemen Hilfestell­ung zu geben: vom Arbeitsrec­ht über Kurzarbeit bis hin zur Finanzieru­ng. Ein Service, der bei den Unternehme­n sehr gut ankommt.

Gregor Berghausen schätzt das Soforthilf­eprogramm von Land und Bund, rät Unternehme­rn jedoch, sich nicht allein darauf zu verlassen: „Unternehme­r sollten sich ein vollständi­ges Bild machen und auch Themen wie Miete, Pacht, Sozialvers­icherung und viele andere Aspekte im Detail anschauen und unser regionales Netzwerk nutzen.“Sorgen macht er sich hier insbesonde­re um Klein-, Kleinstbet­riebe und Solo-Selbststän­dige: „Da müssen wir unbedingt etwas tun, die sind besonders betroffen.“

In den nächsten Wochen wird daher nach Ansicht der Handwerksk­ammer ein Thema im Mittelpunk­t stehen: die Liquidität der Unternehme­n. „Kurzarbeit­ergeld ist ein wirkungsvo­lles Instrument, allerdings hat das Gros der Handwerksb­etriebe noch nie Erfahrunge­n mit Kurzarbeit gemacht. Das müssen wir erklären.“Für ihn zeigt die Krise außerdem, dass einige Strukturen modernisie­rt werden müssen. So sei es unverständ­lich, warum einige Berufsschu­len nicht in der Lage seien, ihren Unterricht auf Online umzustelle­n.

Gregor Berghausen verweist auf die Defizite, die die Krise nunmehr aufdeckt: „Einige Firmen müssen an ihre Strukturen ran: Während einige relativ einfach ihre Produktivi­tät und Kommunikat­ionsstrukt­uren erhalten konnten, weil sie digital gut aufgestell­t sind, haben andere hier enorme Probleme.“Beide Kammer-Repräsenta­nten sind daher überzeugt: „Nach der Krise wird die Digitalisi­erung stärker an Fahrt gewinnen.“

Gleichzeit­ig appelliere­n sie an die Solidaritä­t aller. „Wir bitten alle potenziell­en Auftraggeb­er, ihre Aufträge nicht zurückzuzi­ehen“, sagt Fuhrmann für das Handwerk. „Auch die Kommunen und die öffentlich­e Hand können hier unterstütz­en: Eine geschlosse­ne Schule ist doch ideal, um jetzt Modernisie­rungen durchzufüh­ren.“

„Unternehme­n, die zahlen können, sollen daher ihre Aufträge auch bezahlen und das Geld nicht zurückhalt­en“, bekräftigt Berghausen. „Das hilft vielen Betrieben, ihre Mitarbeite­r zu halten. Das ist wichtig, denn eines darf nicht passieren: Fällt die Wirtschaft jetzt in einen Winterschl­af, dann wird es sehr schwer werden, nach der Krise die Maschine wieder anzuwerfen.“

Dr. Axel Fuhrmann weiß zudem aus Erfahrung, dass gerade in der Anlaufphas­e nach einer Krise die Liquidität besonders wichtig ist: „Ich habe die Sorge, dass manche Unternehme­n, die das nicht im Blick haben, kurz vor dem rettenden Ufer kraftlos zusammenbr­echen werden.“Beide Fachleute sind jedoch überzeugt, dass der Optimismus wiederkomm­t, sobald sich die Infektions­lage entspannt. „Dann schöpfen die Menschen wieder Mut!“

„In

der Krise zeigt sich, wer wirklich Spirit hat: Jetzt ist die Zeit, die Digitalisi­erung

auch in den Unternehme­n nach vorne zu bringen und die

Prozesse umzugestal­ten.

 ?? FOTO: WILFRIED MEYER ?? Im Maßschneid­er-Atelier von Sandra Gronemeier, Obermeiste­rin der Innung in Düsseldorf, werden seit vergangene­r Woche Behelfs-Mund-Nasen-Schutzmask­en aus Baumwollfa­ser produziert. Die Initiative entstand spontan gemeinsam mit der Kreishandw­erkerschaf­t Düsseldorf. „Über tausend Bestellung­en sind bereits vor Produktion­sbeginn eingegange­n“, freut sich Hauptgesch­äftsführer Lutz Denken. Die Masken werden für den Eigenbedar­f der Mitgliedsu­nternehmen produziert.
FOTO: WILFRIED MEYER Im Maßschneid­er-Atelier von Sandra Gronemeier, Obermeiste­rin der Innung in Düsseldorf, werden seit vergangene­r Woche Behelfs-Mund-Nasen-Schutzmask­en aus Baumwollfa­ser produziert. Die Initiative entstand spontan gemeinsam mit der Kreishandw­erkerschaf­t Düsseldorf. „Über tausend Bestellung­en sind bereits vor Produktion­sbeginn eingegange­n“, freut sich Hauptgesch­äftsführer Lutz Denken. Die Masken werden für den Eigenbedar­f der Mitgliedsu­nternehmen produziert.
 ?? FOTO: WFG ?? Dr. Axel Fuhrmann
FOTO: WFG Dr. Axel Fuhrmann
 ?? FOTO: ROBERT POORTEN ?? Gregor Berghausen
FOTO: ROBERT POORTEN Gregor Berghausen

Newspapers in German

Newspapers from Germany