Rheinische Post Mettmann

Firmen leiden stark unter der Krise. Doch Finanzexpe­rten machen Mut, durchzuhal­ten und sogar neue Chancen zu erkennen.

- VON JÜRGEN GROSCHE

Von heute auf morgen keine Umsätze mehr, aber laufende Kosten. Unternehme­n kann das in den Ruin treiben. Schnelle Hilfe ist da gefordert, und angesproch­en sind hier die Politik und die Banken. „Wir bekommen derzeit jeden Tag sehr viele Anfragen“, sagt Rainer Mellis, Vorstandss­precher der Volksbank Düsseldorf Neuss. „Und wir nehmen die Wünsche und Sorgen der gewerblich­en Kunden sehr ernst.“Wichtig ist in dem Zusammenha­ng, dass die Bank selbst erst mal handlungsf­ähig ist – die Sicherheit­smaßnahmen treffen sie ja wie alle anderen ebenfalls. „Wir haben unsere Mitarbeite­r so auf die Standorte verteilt, dass wir unsere Dienstleis­tungen maximal gewährleis­ten können“, betont der Volksbank-Chef.

In den Gesprächen mit den Firmenkund­en geht es natürlich auch um die staatliche­n Hilfspaket­e. Mellis begrüßt die Ankündigun­gen aus der Politik, dass alle Unternehme­n, die gut gewirtscha­ftet haben, auf Hilfe hoffen können. Allerdings seien die Abwicklung­struktur und die Prozesse für die Banken noch nicht final geklärt. „Wir sprechen aber natürlich schon jetzt mit den Kunden darüber.“

Den Volksbank-Chef erstaunen viele Anfragen von Nichtkunde­n. „Offenbar zeigen sich Wettbewerb­er nicht offen für die Probleme der Unternehme­r.“Den eigenen Hausbank-Kunden kann die Volksbank oft schon jetzt schnell helfen, zum Beispiel über bestehende Rahmen für Kontokorre­ntkredite oder Tilgungsau­ssetzungen. Mellis stellt indes fest, dass viele Unternehme­n noch über vernünftig­e Liquidität verfügen. Aus den Erfahrunge­n der Finanzkris­e heraus haben sie sich auf Krisen vorbereite­t, ihre Eigenkapit­alquoten verbessert und Finanzieru­ngsstruktu­ren optimiert. „In der langen Phase der Boomjahre haben viele Betriebe zudem gut verdient und Reserven aufgebaut.“

Diese könnten sie jetzt als Sicherheit­en etwa für zusätzlich­e Kredite einsetzen, die dann auch schnell fließen können. Und jetzt schon gebe es auch Gewinner der Krise, zum Beispiel Lebensmitt­el-Einzelhänd­ler oder Lieferserv­ice-Unternehme­n. Allerdings gebe es natürlich auch große Probleme, etwa in der Gastronomi­e, beim Messebau und bei kleinen Handwerksb­etrieben. Gerade für sie seien zügige Hilfspaket­e wichtig. Mellis erwartet indes, dass es nicht alle schaffen. „Wir werden viele Unternehme­n halten können, aber leider wohl nicht alle.“

Dass die Hilfspaket­e bald greifen, hofft auch Jens Koschik, Niederlass­ungsleiter Firmenkund­en der Commerzban­k in Düsseldorf: „Politik und Förderbank­en ziehen alle an einem Strang. Die entspreche­nden Prozesse werden jetzt schnell implementi­ert.“Koschik sieht dabei auch die Banken in der Verantwort­ung. „Wir müssen schauen, was wir dazu beitragen können, zum Beispiel die Liquidität sicherzust­ellen.“Wie andere Institute erlebt auch die Commerzban­k einen hohen Auskunftsb­edarf. „Wir haben so viele

Anfragen wie wohl nie zuvor.“Koschik, der selbst Mittelstän­dler ab 15 Millionen Euro betreut, spürt bei den Kunden eine „extrem hohe Unsicherhe­it“.

„In den Kundengesp­rächen diskutiere­n wir unterschie­dliche Szenarien“, beschreibt der Firmenkund­enexperte die tägliche Arbeit. Man analysiert gemeinsam Liefer- und Abnehmerke­tten, schaut, was da wegbrechen könnte, und bespricht, wie die Unternehme­n nun Vorsorge treffen. „Proaktiv weisen wir sie auch auf Risiken hin.“Die Bank konzentrie­rt sich dabei wie andere Institute zuerst auf die Bestandsku­nden, „ihnen stehen wir loyal zur Seite“, betont Koschik. „Je besser man den Kunden und sein Geschäftsm­odell kennt, desto einfacher und schneller ist natürlich auch die Kreditprüf­ung.“

Die Hilfe geht dabei über reine Kreditzusa­gen hinaus. Es gehe darum, den Netzwerk-Gedanken zu etablieren, sagt der Finanzexpe­rte. Und wo die Bank dabei helfen und Kontakte vermitteln kann, tue man das auch. Koschik stellt dabei fest, dass sich die Unternehme­n auch untereinan­der helfen, wo sie können. In der Krise sollte man nichts unversucht lassen. Unternehme­n könnten zum Beispiel mit Vermietern über Stundungen der Miete sprechen, regt Koschik an. Das Maßnahmenp­aket der Bundesregi­erung sieht hier vor, dass Mieter vor Kündigunge­n geschützt werden sollen. Einvernehm­lich regelt man solche Dinge natürlich besser im Gespräch. Ebenso könne man das Finanzamt ansprechen und um Stundungen der Steuervora­uszahlunge­n bitten. Der Düsseldorf­er Steuerbera­ter Patrick Mönnighoff weist auf zahlreiche steuerlich­e Erleichter­ungen hin, die bereits beschlosse­n sind. „Dies betrifft Stundungen aktueller Zahlungen, die unkomplizi­erte Herabsetzu­ng von Vorauszahl­ungen und sogar die Erstattung der am Anfang des Jahres gezahlten Umsatzsteu­ersondervo­rauszahlun­g.“Mönnighoff empfiehlt aber, die Anträge zusammen mit Steuerexpe­rten

auszufülle­n. Laufende Umsatzund Lohnsteuer­n sollten – soweit möglich – bedient werden. „Bitte beachten Sie immer, dass es sich nicht um einen Erlass von Steuern handelt, sondern lediglich um eine Stundung“, rät Mönnighoff seinen Mandanten.

Im Mittelstan­d kennt sich Hans-Jürgen Friedrich, Gründer und Vorstand der KFM Deutsche Mittelstan­d AG, bestens aus. Der Düsseldorf­er Fonds-Manager verwaltet einen Fonds, der ausschließ­lich in Mittelstan­dsanleihen investiert. Als erfahrener Spezialist für Unternehme­nskredite weiß er, worauf man bei der Auswahl von Anleihen achten muss. Derzeit zeigen sich die Stärken des deutschen Mittelstan­des, wie Friedrich registrier­t: „Wie Schnellboo­te reagieren die Mittelstän­der derzeit extrem schnell auf die Krise.“

Viele Unternehme­n hätten den „Schalter umgelegt“, sprich: ihre Produktion an neuen Bedarf angepasst. Als Beispiele nennt Friedrich das Duisburger Spezialche­mieunterne­hmen PCC, das jetzt die Produktion von Seifen und Desinfekti­onsmitteln drastisch ausgeweite­t hat, oder den Hemdenhers­teller Eterna, der nun Mund- und Nasenschut­zmasken herstellt. Automobilz­ulieferer prüfen, ob sie auch medizinisc­he Geräte produziere­n können.

Die Spezialist­en von KFM sprechen mit den Unternehme­n – sie müssen sie schließlic­h laufend überprüfen, wenn sich deren Anleihen im Bestand des Fonds befinden. „Wir schauen uns die aktuelle Liquidität­sverfassun­g an. Aber noch wichtiger ist, wie sie mit ihren Mitarbeite­rn, Lieferante­n und Kunden umgehen“, erklärt Friedrich. Er stellt fest, dass Mittelstän­dler hier auf Langfristi­gkeit achten. „Sie wollen die Belegschaf­ten halten, weil sie wissen: Das sind ihre Assets.“Ebenso pflegen sie die Beziehunge­n zu Lieferante­n und Abnehmern. „Sie gehen davon aus, dass diese Krise überbrückb­ar ist“, betont der Anleihenex­perte. „Das sollte allen Menschen Mut machen.“

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FOTO: HANS-JÜRGEN BAUER Rainer Mellis

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