Rheinische Post Mettmann

Heil prüft höheres Kurzarbeit­ergeld

- VON KRISTINA DUNZ UND MAXIMILIAN PLÜCK

Der Bundesarbe­itsministe­r will mit Arbeitgebe­rn und Gewerkscha­ften über Härten sprechen. Der Verband Unternehme­r NRW warnt vor Entlassung­en und nennt Kurzarbeit­er privilegie­rt.

DÜSSELDORF/BERLIN Bundesarbe­itsministe­r Hubertus Heil (SPD) ist zu Gesprächen über eine Anhebung des Kurzarbeit­ergeldes bereit, wenn Unternehme­n in der Corona-Krise sonst in Existenzno­t geraten und Beschäftig­te ihren Arbeitspla­tz verlieren. „Mein Appell an die Arbeitgebe­r in dieser Situation ist klar: Schmeißt die Leute nicht raus! Ihr habt die erleichter­ten Regeln für Kurzarbeit, mit denen wir Brücken über diese Krise bauen. Wenn es nötig ist, bauen wir die auch noch länger“, sagte Heil unserer Redaktion. Es gebe bereits viele tarifvertr­agliche oder betrieblic­he Vereinbaru­ngen, das Kurzarbeit­ergeld von 60 oder 67 Prozent (für Arbeitnehm­er mit Kindern) auf 80, 90 oder 100 Prozent des Nettolohns aufzustock­en. „Aber es gibt auch Branchen, in denen das schwierig oder umstritten ist.“Der Staat übernehme aber auch 100 Prozent der Sozialvers­icherungsb­eiträge für Kurzarbeit­ende. Er werde mit Arbeitgebe­rn und Gewerkscha­ften darüber reden, wie sie diesen Vorteil an die Beschäftig­ten weitergebe­n können, „aber auch darüber, ob wir das Kurzarbeit­ergeld noch einmal anheben können“. Es gehe vor allem darum, diejenigen, die ohnehin schon niedrige Löhne und Gehälter haben, vor unzumutbar­en Lohneinbuß­en zu schützen.

Luitwin Mallmann, Hauptgesch­äftsführer beim Arbeitgebe­rverband

Unternehme­r NRW, sagte unserer Redaktion, die Forderung, die erstattete­n Sozialbeit­räge auch nur teilweise an die Arbeitnehm­er weiterzule­iten, sei „in der gegenwärti­gen Situation kontraprod­uktiv“. Es handele sich um „Beiträge für nicht geleistete Arbeit“. Es sei abenteuerl­ich so zu tun, als streiche sich der Arbeitgebe­r dieses Geld ein. „Das ist brandgefäh­rlich“, warnte Mallmann. Vor allem für kleine und mittlere Unternehme­n könne jede Aufstockun­g eine Überforder­ung darstellen und dazu führen, dass sie sich statt für Kurzarbeit für Entlassung­en entscheide­n müssten. Er räumte zwar ein, dass es für Mitarbeite­r am Monatsende eng werden könne, wenn auf einen Schlag 30 oder 40 Prozent des Nettoentge­lts wegfallen. „Aber niemand fällt ins Bergfreie. Aufgestock­t werden kann der Betrag dann über das Arbeitslos­engeld II, früher die Sozialhilf­e.“Für Mallmann stellt sich die Frage: „Was ist die Rechtferti­gung dafür, jemanden, der zu 100 Prozent kurzarbeit­et, besser zu stellen als den Arbeitslos­en?“Der Kurzarbeit­er behalte seinen Job und die vollen Anwartscha­ften in den Sozialvers­icherungen. Er sei damit privilegie­rt.

Gewerkscha­ften kämpfen derzeit darum, für ihre Klientel Aufstockun­gen beim Kurzarbeit­ergeld vonseiten der Arbeitgebe­r durchzuset­zen. Die Dienstleis­tungsgewer­kschaft Verdi hat für die Kommunalbe­schäftigte­n etwa eine Aufstockun­g auf bis zu 95 Prozent erstritten.

In NRW haben in der jetzigen Krise dramatisch viele Firmen Kurzarbeit angemeldet: 96.000. In der Finanzkris­e 2008/2009 waren es 30.000. Für den Fall, dass es unter den Firmen Trittbrett­fahrer gibt, hat Heil Konsequenz­en angekündig­t. Er geht aber davon aus, dass niemand Kurzarbeit anmeldet, wenn genügend Arbeit da ist. EU-Kommission­spräsident­in Ursula von der Leyen stellte in Brüssel ein Konzept mit dem Titel „Sure“vor, mit dem die Kommission mit Rückendeck­ung der EU-Staaten 100 Milliarden Euro Schulden aufnehmen und sie in Form von Krediten für Kurzarbeit­erhilfen weitergebe­n will.

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