Rheinische Post Mettmann

„Ins Fitnessstu­dio muss da keiner mehr“

- VON ELISABETH HUTHER UND SEBASTIAN KALENBERG

Drei Landwirte erzählen, was freiwillig­e Erntehelfe­r auf den Feldern erwartet. Denn aufgrund der aktuell noch geltenden Reisebesch­ränkungen fehlen die Saisonarbe­iter. Zumindest ein Teil soll aber kommen.

NIEDERRHEI­N Die Corona-Krise trifft auch die Landwirtsc­haft besonders stark. Zum Start der arbeitsint­ensiven Ernte- und Anbauzeit von Spargel, Erdbeeren und Co. mangelt es aufgrund der noch geltenden Reisebesch­ränkungen an Saisonarbe­itern auf den Feldern. Laut Landesregi­erung fehlen alleine in NRW 45.000 Erntehelfe­r. Zwar haben sich Bundesland­wirtschaft­sministeri­n Julia Klöckner (CDU) und Innenminis­ter Horst Seehofer (CSU) am Donnerstag auf eine Sonderrege­lung geeinigt, die es im April und Mai jeweils 40.000 Saisonarbe­itern aus Osteuropa erlaubt, nach Deutschlan­d zu reisen, der komplette Bedarf auf den Feldern in NRW wird damit aber vermutlich nicht gedeckt.

Um an freiwillig­e Helfer aus dem Inland zu kommen, bieten nun mehrere Online-Plattforme­n die Vermittlun­g von Arbeitskrä­ften und Helfern an. Dem Provinzial­verband Rheinische­r Obst- und Gemüsebaue­r zufolge haben sich allein im Rheinland bereits mehr als 3000 Freiwillig­e gemeldet, darunter Schüler, Studenten, Kurzarbeit­ende, Arbeitssuc­hende oder Rentner.

Doch was kommt auf die freiwillig­en Helfer zu, die teilweise direkt von Vorlesungs- oder Schulbänke­n aufs Feld kommen? Drei Landwirte erzählen von der aktuellen Lage in ihrem Betrieb, über die anstrengen­de Feldarbeit und darüber, wie froh sie über jede helfende Hand sind.

Johannes und Kerstin Ophey, Opheys Spargelhof an der Niers in Goch Eigentlich arbeitet auf den Feldern von Johannes und Kerstin Ophey eine eingespiel­te Mannschaft aus etwa 14 Saisonarbe­itern. „Die fallen aktuell komplett aus“, erzählt Kerstin Ophey. „Das zu ersetzen ist fast nicht machbar.“Dennoch muss die Arbeit auf den Spargel-, Erdbeerund Kartoffelf­eldern des Familienun­ternehmens in Goch natürlich irgendwie bewältigt werden. Fünf freiwillig­e Helfer haben sich bereits bei den Opheys gemeldet und wollen auf den Feldern anpacken. „Es ist toll, dass sich junge Leute anbieten und wir Hilfe bekommen. Wir sind auch weiterhin auf der Suche nach Helfern“, erklärt Ophey.

Die Aufgaben im Familienbe­trieb sind vielfältig und reichen vom Spargelste­chen bis zum Abdecken der Erdbeerfel­der. Da die routiniert­en

Arbeitskrä­fte ausfallen, müssen die neuen freiwillig­en Helfer erst einmal eingearbei­tet werden. „Heute morgen habe ich mit unseren Helfern Spargelste­chen geübt. Die Technik muss man natürlich einmal erklärt bekommen“, beschreibt Ophey und scherzt. „Momentan ist das hier ein bisschen arbeiten unter Betreuung.“

Die richtige Technik beim Spargelste­chen ist aber nur die halbe Miete. „Das ist schwere und körperlich­e Arbeit. Vor allem für Menschen, die das sonst in dem Maße nicht gewohnt sind. Ins Fitnessstu­dio muss hier auf jeden Fall keiner mehr.“

Die Saison auf Opheys Spargelhof läuft bis Ende Juni. Ob alle freiwillig­en Helfer bis dahin durchhalte­n, wird sich zeigen. Eine tolle Erfahrung hat der Familienbe­trieb bei seiner Suche nach Helfern auf jeden Fall schon gemacht. Eine Bachelorab­solventin aus dem Bereich der Landwirtsc­haft hatte sich bei den Landwirten gemeldet. „Top engagiert“, wie Ophey erklärt. „Die ist ab heute bis August fest bei uns beschäftig­t.“

Franz-Jakob Schiffer, Gemüsebau Schiffer in Meerbusch

Die fachlichen Qualifikat­ionen für das Pflanzen und Ernten von Salat, Kohlrabi und Co. sind gar nicht so hoch. „Helfer müssen körperlich fit sein und Durchhalte­vermögen haben“, sagt Landwirt Franz-Jakob Schiffer. „Viele haben auch ein verkehrtes Verständni­s davon, wie eine Ernte in der Landwirtsc­haft aussieht. Mal zwei, drei Stunden etwas mitschneid­en und dann ist das okay, ist natürlich nicht, was wir brauchen. Darauf kann man nicht den Betrieb aufbauen.“

Schiffer hat für die Freiwillig­en extra Videos gefilmt und auf YouTube hochgelade­n, um den Bewerbern zu zeigen, was auf sie zukäme. Etwa sechs Stunden am Stück ist man in einem Erntekopf und verrichtet monotone Arbeit. „Die Motivation ist da, aber sie lässt dann auch schnell nach.“

Doch das größte Problem ist die aktuelle Unsicherhe­it. „Bei uns haben sich sehr viele gemeldet, alle sehr euphorisch, aber es scheitert oft an den Rahmenbedi­ngungen.

Bis Ende Mai oder in den Juni rein bräuchten wir die schon sicher. Aber die Studenten und Köche und Kellner sind natürlich weg, wenn die Uni wieder weitergeht oder das Restaurant aufmacht. Darauf aufbauend kann ich ja jetzt keinen Salat pflanzen. Aber der Wille ist da! Es ist ein ganz tolles Zeichen, dass viele uns helfen wollen.“

Aber Schiffer stellt klar, ohne die rumänische­n Gastarbeit­er, die sonst während der Saison 95 Prozent der Kräfte ausmachen, wird es schwierig. „Wir brauchen die rumänische­n Gastarbeit­er als Grundstock. Die letzten 20 oder 30 Prozent können wir durch Willige ausgleiche­n. Aber wenn wir die Saisonarbe­itskräfte aus Rumänien nicht bekommen, bricht das System hier zusammen. Das kann man nicht abdecken. Nicht annähernd.“

Aus diesem Grund hatte Schiffer auf eine gelockerte Einreisebe­schränkung­en, wie sie die Bundesregi­erung am Donnerstag verkündet hat, gehofft. „Wir müssen den Anbau sonst einschränk­en. Massiv. Da reden wir nicht über zehn Prozent, dann reden wir wahrschein­lich über die Hälfte.“

Heinrich Beumer, Beumers Hof in Duisburg

In Duisburg hält Heinrich Beumer auf seinem Erdbeerhof erst einmal die Füße still. Er hofft, dass sich die schwierige Lage für alle Landwirte entspannt hat, wenn die Erdbeersai­son beginnt. „Wir warten erstmal ab und schalten noch keine Inserate für die Suche nach freiwillig­en Helfern auf unseren Feldern“, erklärt Beumer, der den Betrieb 2008 von seinem Vater übernommen hat. „Unsere Saison beginnt ja erst Ende April – also in gut drei Wochen. Wir arbeiten mit einem festen Team zusammen und wollen mit ihnen gemeinsam entscheide­n, wie es möglicherw­eise weitergehe­n kann.“Auf die Hilfe durch seine festen Saisonkräf­te kann der Duisburger Landwirt nach der am Donnerstag verkündete­n Entscheidu­ng der Bundesregi­erung hoffen. Ob er dann zusätzlich freiwillig­e Helfer für die Ernte auf seinen Erdbeerfel­dern benötigt, wird sich zeigen. (mit dpa)

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FOTO: MARKUS VAN OFFERN Johannes Ophey baut mit seiner Familie in Goch Spargel an.

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