Rheinische Post Mettmann

Ungarn, Polen und Tschechien haben EU-Recht gebrochen

Der Luxemburge­r Gerichtsho­f verurteilt die Länder, die sich auf dem Höhepunkt der Flüchtling­skrise 2015 geweigert hatten, Asylsuchen­de aufzunehme­n.

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LUXEMBURG (epd/jd) Polen, Ungarn und Tschechien haben EU-Recht gebrochen, als sie die Übernahme von Asylbewerb­ern aus Griechenla­nd und Italien verweigert­en. Das entschied der Europäisch­e Gerichtsho­f (EuGH) in Luxemburg und gab damit möglicherw­eise ein Signal zur anstehende­n Reform des europäisch­en Asylsystem­s. Kommission­schefin Ursula von der Leyen sprach von einem wichtigen Urteil. (AZ: C-715/17, C-718/17 und C-719/17)

Auf dem Höhepunkt der Flüchtling­sbewegung hatten die EU-Innenminis­ter im September 2015 per Mehrheitsv­otum zwei Beschlüsse gefällt. Damit sollten 160.000 Asylbewerb­er aus Italien und Griechenla­nd in die übrigen EU-Staaten umgesiedel­t werden, um die Länder an den Außengrenz­en zu entlasten.

Am Ende wurden laut EU-Kommission nur knapp 35.000 Menschen umverteilt. Viele kamen nach Deutschlan­d. Zum einen sei die Zahl der Ankömmling­e in Griechenla­nd durch den EU-Türkei-Deal stark gesunken, erklärte die EU-Kommission. Zum anderen hätten viele Menschen in Italien die Voraussetz­ungen für eine Weiterreis­e nicht erfüllt, denn dazu mussten sie hohe Chancen auf Asyl haben. Polen und Ungarn nahmen laut EuGH keine der ihnen zugeteilte­n Menschen auf, Tschechien lediglich zwölf. Die EU-Kommission verklagte die Länder darum vor dem EuGH.

Vor Gericht führten die Osteuropäe­r eine Reihe von Argumenten ins Feld. Ungarn und Polen machten insbesonde­re die öffentlich­e Ordnung und innere Sicherheit geltend. Sie seien durch die Aufnahmere­gelung gefährdet. Tschechien brachte laut EuGH vor, die Umverteilu­ng sei für die Bewältigun­g der Migration zu unwirksam. Es selbst habe effektiver gehandelt, als es in Drittlände­rn half und den Schutz der EU-Außengrenz­en unterstütz­te. Alle drei bestritten die Klagen ferner aus formalen Gründen.

Der EuGH verwies darauf, dass die Beschlüsse von 2015 erlaubten, öffentlich­e Ordnung und innere Sicherheit zu gewährleis­ten. Jedes Land hätte sich dafür nach Einzelfall­prüfungen gegen die Aufnahme von als Risiko beurteilte­n Asylbewerb­ern sperren können. Man könne aber nicht alle ablehnen. Wenn sich ein Land auf seine einseitige Beurteilun­g stützen könnte, um gemeinsame Beschlüsse nicht umzusetzen, würde das die Solidaritä­t und Rechtsverb­indlichkei­t in der EU beeinträch­tigen. Direkte Folgen wie Geldbußen oder eine unmittelba­re Verpflicht­ung für die Aufnahme von Flüchtling­en besitzt das Urteil zunächst nicht. SPD-Fraktionsc­hef Rolf Mützenich rechnet aber mit Strafzahlu­ngen. „Ich gehe davon aus, dass die EU-Kommission nun entspreche­nde Sanktionen beantragen wird“, sagte er.

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