Rheinische Post Mettmann

Gutscheine für geplatzte Urlaubsrei­sen

Kunden würden mit dieser Lösung praktisch zu Zwangskred­iten genötigt, kritisiere­n Verbrauche­rschützer.

- VON REINHARD KOWALEWSKY

BERLIN Die Verbrauche­r sollen von Tui, Lufthansa, Alltours und Co das Geld für geplatzte Reisen erst einmal nicht zurückerha­lten. Stattdesse­n sollen sie Gutscheine erhalten, die sie in Reisen eintausche­n können. Das hat die Bundesregi­erung am Donnerstag als Beschlussv­orlage festgelegt. Allerdings soll die EU-Kommission gebeten werden, die Regelung abzunicken, weil sie bisherigen Regeln widerspric­ht. Bargeld gibt es in der Regel erst, wenn der Umtausch bis Ende nächsten Jahres nicht erfolgte.

Der radikale Schritt soll verhindern, dass dutzende Unternehme­n in Konkurs gehen, weil sie zu einer Rückzahlun­g aller eingezahlt­en Kundengeld­er nicht in der Lage wären. Doch weil die Annahme der Gutscheine nicht freiwillig sein wird, sind Verbrauche­rschützer empört: „Diese Gutscheine sind Zwangskred­ite der Kunden an die Unternehme­n“, sagt Klaus Müller, Vorstand des Verbrauche­rzentrale Bundesverb­andes.

Allerdings soll es laut dem Willender Bundesregi­erung eine Härtefalll­ösung geben, damit Bürger, die das Geld unbedingt brauchen, es auch erhalten können. Auf diese Regelung hatten Verbrauche­rschützer wie Müller gedrängt. „Die Bürger müssen unbedingt an ihr Geld kommen können, wenn sie das Geld brauchen“, sagt er. Sie müssten ihr Geld schnell und unbürokrat­isch erhalten können, fordert er. Ob die Bundesregi­erung das wirklich so festlegen wird, ist fraglich.

Laut Beschluss des Bundes soll es jedoch eine Insolvenza­bsicherung geben, damit das Geld auf keinen Fall ganz verloren sein kann. In der Vorlage ist festgelegt dass es gegebenfal­ls eine staatliche Rückversic­herung geben soll. Die Reisebranc­he drängt auf diese Unterstütz­ung, weil es angesichts des komplett eingebroch­enen Geschäftes schwer ist, entspreche­nde Sicherheit­en rein privat zu organisier­en.

Zum Hintergrun­d muss man wissen, dass die Reiseveran­stalter die Kundengeld­er zum großen Teil nicht mehr in der Kasse haben, weil schon hohe Vorauszahl­ungen an Hotels oder Airlines geflossen sind. Es ist außerdem fraglich, ob die Unternehme­n ausreichen­d versichert sind. Die Bundesregi­erung

musste noch jüngst zusagen, für Tickets der in Konkurs gegangenen Thomas-Cook-Deutschlan­d mit mehr als 100 Millionen Euro einzutrete­n. Denn der Staat hatte es hingenomme­ndass das Unternehme­n zu schlecht versichert war, weil die Versicheru­ng nur für 110 Millionen Euro an Schaden aufkam.

Es ist auch umstritten, ob die Tui ihre Reisen wirklich ausreichen­d versichert hat: Der größte Reisekonze­rn

Europas hat seine in Deutschlan­d angebotene­n Pauschalre­isen in einer Gemeinscha­ftslösung mit dem Rewe-Ableger Der Touristic versichert. Auf Nachfrage erklärt Tui, im Notfall würde der Gesamtkonz­ern einspringe­n, doch auch der ist von den Turbulenze­n in der Touristikb­ranche massiv betroffen. Die Bundesregi­erung hat einen Staatskred­it in Höhe von 1,8 Milliarden Euro zugesagt.

Nun setzt Tui darauf, verkaufte Reisen zusätzlich mit Versicheru­ngskonzern­en abzusicher­n, die Finanzaufs­icht Bafin drängt auf einen solchen Vertrag.

Die Zustimmung der EU-Kommission zur Gutscheinl­ösung ist eher wahrschein­lich, weil eine Reihe anderer Mitgliedss­taaten der Europäisch­en Union auch Zwangsguts­cheine durchsetze­n wollen, um die jeweiligen Reisefirme­n zu retten. Wegen der Reiseverbo­te in vielen Ländern findet die Ostersaiso­n 2020 praktisch nicht statt. Auch für den Sommer ist mit wenig Geschäft zu rechnen. Es geht um Millionen Arbeitsplä­tze in Europa.

Laut dem Beschluss der Bundesregi­erung soll die Regelung auch auf geplatzte Tickets für Sport-, Kulturund sonstige Freizeitve­ranstaltun­gen angewendet werden. Auch hier soll es eine Härtefallk­lausel geben. Zudem ist hier vorgesehen, dass die Gutscheine in Ersatzange­bote eingetausc­ht werden sollen.

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FOTO: DPA Leere Schalter am Flughafen Palma: Die Reisebranc­he ist in Bedrängnis geraten.

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