Gutscheine für geplatzte Urlaubsreisen
Kunden würden mit dieser Lösung praktisch zu Zwangskrediten genötigt, kritisieren Verbraucherschützer.
BERLIN Die Verbraucher sollen von Tui, Lufthansa, Alltours und Co das Geld für geplatzte Reisen erst einmal nicht zurückerhalten. Stattdessen sollen sie Gutscheine erhalten, die sie in Reisen eintauschen können. Das hat die Bundesregierung am Donnerstag als Beschlussvorlage festgelegt. Allerdings soll die EU-Kommission gebeten werden, die Regelung abzunicken, weil sie bisherigen Regeln widerspricht. Bargeld gibt es in der Regel erst, wenn der Umtausch bis Ende nächsten Jahres nicht erfolgte.
Der radikale Schritt soll verhindern, dass dutzende Unternehmen in Konkurs gehen, weil sie zu einer Rückzahlung aller eingezahlten Kundengelder nicht in der Lage wären. Doch weil die Annahme der Gutscheine nicht freiwillig sein wird, sind Verbraucherschützer empört: „Diese Gutscheine sind Zwangskredite der Kunden an die Unternehmen“, sagt Klaus Müller, Vorstand des Verbraucherzentrale Bundesverbandes.
Allerdings soll es laut dem Willender Bundesregierung eine Härtefalllösung geben, damit Bürger, die das Geld unbedingt brauchen, es auch erhalten können. Auf diese Regelung hatten Verbraucherschützer wie Müller gedrängt. „Die Bürger müssen unbedingt an ihr Geld kommen können, wenn sie das Geld brauchen“, sagt er. Sie müssten ihr Geld schnell und unbürokratisch erhalten können, fordert er. Ob die Bundesregierung das wirklich so festlegen wird, ist fraglich.
Laut Beschluss des Bundes soll es jedoch eine Insolvenzabsicherung geben, damit das Geld auf keinen Fall ganz verloren sein kann. In der Vorlage ist festgelegt dass es gegebenfalls eine staatliche Rückversicherung geben soll. Die Reisebranche drängt auf diese Unterstützung, weil es angesichts des komplett eingebrochenen Geschäftes schwer ist, entsprechende Sicherheiten rein privat zu organisieren.
Zum Hintergrund muss man wissen, dass die Reiseveranstalter die Kundengelder zum großen Teil nicht mehr in der Kasse haben, weil schon hohe Vorauszahlungen an Hotels oder Airlines geflossen sind. Es ist außerdem fraglich, ob die Unternehmen ausreichend versichert sind. Die Bundesregierung
musste noch jüngst zusagen, für Tickets der in Konkurs gegangenen Thomas-Cook-Deutschland mit mehr als 100 Millionen Euro einzutreten. Denn der Staat hatte es hingenommendass das Unternehmen zu schlecht versichert war, weil die Versicherung nur für 110 Millionen Euro an Schaden aufkam.
Es ist auch umstritten, ob die Tui ihre Reisen wirklich ausreichend versichert hat: Der größte Reisekonzern
Europas hat seine in Deutschland angebotenen Pauschalreisen in einer Gemeinschaftslösung mit dem Rewe-Ableger Der Touristic versichert. Auf Nachfrage erklärt Tui, im Notfall würde der Gesamtkonzern einspringen, doch auch der ist von den Turbulenzen in der Touristikbranche massiv betroffen. Die Bundesregierung hat einen Staatskredit in Höhe von 1,8 Milliarden Euro zugesagt.
Nun setzt Tui darauf, verkaufte Reisen zusätzlich mit Versicherungskonzernen abzusichern, die Finanzaufsicht Bafin drängt auf einen solchen Vertrag.
Die Zustimmung der EU-Kommission zur Gutscheinlösung ist eher wahrscheinlich, weil eine Reihe anderer Mitgliedsstaaten der Europäischen Union auch Zwangsgutscheine durchsetzen wollen, um die jeweiligen Reisefirmen zu retten. Wegen der Reiseverbote in vielen Ländern findet die Ostersaison 2020 praktisch nicht statt. Auch für den Sommer ist mit wenig Geschäft zu rechnen. Es geht um Millionen Arbeitsplätze in Europa.
Laut dem Beschluss der Bundesregierung soll die Regelung auch auf geplatzte Tickets für Sport-, Kulturund sonstige Freizeitveranstaltungen angewendet werden. Auch hier soll es eine Härtefallklausel geben. Zudem ist hier vorgesehen, dass die Gutscheine in Ersatzangebote eingetauscht werden sollen.