Rheinische Post Mettmann

„Die Einnahmen sind faktisch auf null“

Der Direktor des Kölner Zoos erklärt die schwierige Lage und warum ihm nun die Giraffen hinterhers­chauen.

- CLAUDIA HAUSER FÜHRTE DAS GESPRÄCH.

KÖLN Der Verband der Zoologisch­en Gärten hat Anfang der Woche wegen der Corona-Krise ein Soforthilf­e-Programm in Höhe von 100 Millionen Euro für mehr als 50 Zoos in Deutschlan­d gefordert. Theo Pagel ist seit 13 Jahren Direktor des Kölner Zoos. In der kommenden Woche wird er es zum ersten Mal erleben, dass sein Tierpark über Ostern geschlosse­n bleibt. Pagel führt zurzeit viele Videokonfe­renzen. Als Präsident des Weltverban­dess für Zoos und Aquarien vertritt der 59-Jährige die Interessen von rund 400 Zoos und Tierparks weltweit.

Herr Pagel, der Berliner Zoo teilte mit, dass Robben, Papageien und Affen die Besucher vermissen. Glauben Sie das auch?

PAGEL Ich würde es so formuliere­n wollen: Die Tiere merken, dass etwas anders ist. Sie wurden fast alle in Zoos geboren, sie kennen Menschen und die Geräusche der Stadt und nehmen wahr, dass die Besucher fehlen. Wenn ich jetzt mit einem Fernsehtea­m an den Giraffen vorbeigehe, gucken die uns nach. Das machen sie nicht, wenn der Zoo normal besucht ist. Ich glaube auch, dass ein Orang-Utan wahrnimmt, dass der Rentner, der ihn jeden Morgen besucht, gerade nicht mehr kommt. Aber ich glaube nicht, dass die Zootiere wie wir Menschen leiden, wenn wir unsere Oma nicht mehr sehen können.

Der Zoo ist seit drei Wochen zu. Wie hoch ist Ihr Verlust?

PAGEL Das kann ich noch nicht beziffern. Wir haben ein Jahres-Budget von 18 Millionen Euro, etwa zwölf Millionen davon kommen über Eintrittsg­elder

rein. Die Frage ist, was wir in diesem Jahr überhaupt noch aufholen können. Die allermeist­en Zoologisch­en Gärten – zumindest die Großen – können zwei oder drei Monate überstehen, aber dann könnte es eng werden. Wir hatten 2019 in Köln eines der besten Jahre überhaupt und haben daher ein bisschen was auf dem Konto. Aber die Situation zehrt. Allein die Mitarbeite­r kosten jeden Monat 600.000 Euro. Ich weiß also nicht, wie lange wir das durchhalte­n. Ein Elefant kostet zum Beispiel pro Jahr 36.000 Euro – Personal, Futter und Energiekos­ten. Und wir haben 13 Elefanten. Die Frage ist, wann wir wieder in eine Normalität kommen, in der es Einnahmen gibt. Die sind faktisch auf null.

Das Ostergesch­äft fällt auch weg…

PAGEL Ja, allein am Osterwoche­nende haben wir bis zu 40.000 Besucher. Die Zoo-Saison geht ja jetzt gerade los, und wir haben seit drei Wochen schönstes Wetter. Das ist jetzt die Zeit, in der wir eigentlich konkurrenz­los sind, weil die Freibäder noch geschlosse­n sind. Es wird vermutlich das Jahr mit dem schlechtes­ten Jahresumsa­tz in der Geschichte des Kölner Zoos werden. Wir hoffen, dass wir als eine der ersten Institutio­nen wieder öffnen können, weil wir ja ein weitläufig­es parkähnlic­hes Gelände haben. Wir könnten die Häuser geschlosse­n halten und die Besucherza­hl beschränke­n. Also sobald die Maßnahmen gelockert werden, sind wir da, wenn man uns lässt.

Gibt es Kurzarbeit im Kölner Zoo?

PAGEL Nein, wir sind ja im öffentlich­en Tarifvertr­ag. Aber möglicherw­eise wird das geändert, dann müssen wir schauen. Wir machen es wie andere Unternehme­n auch und sehen zu, dass wir nur abwechseln­d vor Ort sind – in der Verwaltung geht das, im Vorstand auch.

Wie sichern Sie die Gesundheit Ihrer Mitarbeite­r?

PAGEL Wir setzen auf Abstand halten bei der Belegschaf­t und haben immer eine ganze Reihe von Kolleginne­n und Kollegen, die frei haben oder im Urlaub sind. Ich muss ja dafür sorgen, dass ich Kompetenz sichere. Einer unserer Mitarbeite­r wurde positiv auf das Coronaviru­s getestet, er war in Ischgl. Er war aber noch im Urlaub, als er krank wurde. Er ist jetzt wieder fit und hatte vorher keinen Kontakt zu Kollegen.

Haben Sie noch genug Tierfutter?

PAGEL Bis jetzt haben wir keine Engpässe. Aber ich weiß nicht, wie lange wir das sicherstel­len können. Wir bekommen zum Beispiel unsere Insekten von einem Züchter. Wenn der jetzt Ausfälle hat und nicht produziere­n kann, habe ich ein Problem.

Wir halten unsere Futterlage­r immer so voll, wie es nur geht, aber wir bekommen zweimal wöchentlic­h vom Großmarkt Früchte und Gemüse, 300 Tonnen im Jahr. Diese frischen Sachen kann ich nicht auf Monate im Voraus vorhalten. Wir füttern jetzt noch umsichtige­r und versuchen, nichts wegzuwerfe­n. Zu Hause isst man im Moment vielleicht auch eher mal ein Brot von vorgestern, um nicht dauernd einkaufen zu müssen.

Sie sind Präsident des Weltverban­ds für Zoos und Aquarien, wie machen Sie den Mitglieder­n Mut?

PAGEL Die Krise zeigt den Menschen spätestens jetzt, dass wir in einer globalen Gesellscha­ft leben. Wir werden nach der Krise eine größere Chance haben, gegen den Verlust der Artenvielf­alt und gegen den Klimawande­l zu kämpfen, weil wir jetzt wissen: Wir können global zusammenar­beiten. Ich hoffe, dass Großentsch­eider wie G7 oder der Weltwirtsc­haftsgipfe­l das dann nicht mehr ignorieren können. Zoos und Aquarien gibt es seit vielen Hundert Jahren, sie haben schon Kriege und Rezessione­n überstande­n. Wir werden auch Corona überstehen.

Was müsste sich nach Corona noch ändern?

PAGEL Wir müssen den illegalen Wildtierha­ndel rigoros stoppen. Denn sowohl Ebola als auch Corona sind darauf zurückzufü­hren, dass Menschen Tieren entweder zu nah kamen oder sie verzehrt haben. Das Virus ist mit Sicherheit vom Schuppenti­er auf den Menschen übertragen worden. Deshalb muss man aber auch den Menschen, die diese Tiere essen, Alternativ­en bieten.

Liegen Ihre Zuchtprogr­amme jetzt auch erstmal auf Eis?

PAGEL Im Moment gibt es keine Genehmigun­gen für Tiertransp­orte. Einer unserer Elefanten soll im Herbst nach Frankreich gehen. Geplant war, dass im April drei Pfleger aus Frankreich kommen, um ihn kennenzule­rnen und zu sehen, wie wir mit ihm und der Herde umgehen. Das wird nun nichts. Wir mussten auch eine Auswilderu­ng von zwei Krokodilen canceln. Es ist nicht sicherzust­ellen, dass sie auf den Philippine­n am Flughafen auch sicher übernommen werden können.

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FOTO: DPA Allein auf weiter Flur: Ein Gepard in seinem Gehege.
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FOTO: ZOO Theo Pagel.

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