Rheinische Post Mettmann

Und der Musiklehre­r ist zugeschalt­et

Auch private Musikschul­en leiden unter der Krise. Manche pausieren, andere versuchen, aus der Distanz zu unterricht­en – via Skype.

- VON LOTHAR SCHRÖDER

Freitagmor­gens um genau 9.30 Uhr ist die Welt wieder ein bisschen in Ordnung. Dann nämlich schlägt die Gitarrenst­unde, im Grunde also wie eh und je, wenn auch neuerdings anders. Schließlic­h hält das Coronaviru­s alle Menschen auf gehörige Distanz und macht – unerhört nicht einmal zwischen Musiklehre­r und Schüler eine Ausnahme. Was tun? Am besten immer Weiterüben und unter neuen Bedingunge­n: brav und vorschrift­smäßig voneinande­r getrennt, aber via Skype miteinande­r verbunden.

„Was haben wir letztes Mal gemacht?“Das Bild wackelt am Anfang noch ein bisschen, jeder sucht nach seiner besten Sitzpositi­on, und fast immer ist die Gitarre nicht richtig zu sehen oder wahlweise auch ganz im Weg.

Also letztes Mal? Ein Andantino von Matteo Carcassi, das zunächst übelst aussah. „Bloß keine Angst vor vielen Noten“, hat Florian Hoheisel geraten, der unter anderem an der Bilker Gitarrenak­ademie unterricht­et und jetzt nur auf dem Bildschirm zu sehen ist. Der Tipp war hilfreich. Die Noten sind zwar nicht weniger, aber irgendwie überschaub­arer und irgendwann doch halbwegs spielbar geworden.

In diesen Wochen erteilt Hoheisel, der am Konservato­rium in Maastricht studierte und mit 2000 Auftritten reichlich Bühnenerfa­hrung gesammelt hat, seinen Unterricht ausschließ­lich per Skype. Eine Notlösung, klar, aber doch eine Möglichkei­t und immer noch besser als nichts, sagt er. Vor allem für die Musiker sei das auch vorteilhaf­t, die – zumindest früher – viel unterwegs gewesen sind und dann praktisch von überall ihre Schüler betreuen konnten.

Eine echte Alternativ­e wird das Online-Unterricht­en vorerst aber nicht sein. Denn man müsse immer den ganzen Menschen sehen, seine Körperhalt­ung und Körperspra­che. „Außerdem ist das gemeinsame Spiel unmöglich“, so Florian Hoheisel – trotz entwickelt­er Technik. Zoom sei jedenfalls besser als Skype, außerdem hat er daheim drei Kameras zusätzlich installier­t, um auch das Griffbrett gut ins Bild zu bekommen.

Digitaler Musikunter­richt ist nicht jedermanns Sache. Von Hoheisels 40 Schülern sind derzeit noch 18 übriggebli­eben. Dazu kamen Konzertabs­agen für die Auftritte seiner Band „Future Jesus & The Electric Lucifer“etwa in Darmstadt und beim Moerser Jazzfestiv­al. Zumindest bleibt das neue Album des Fusion-Trios von all dem unberührt. Es ist ohnehin erst fürs nächste Jahr geplant.

Vergleichb­ares erleben derzeit auch viele andere private Musikschul­en. Einige haben ihren Unterricht erst einmal und bis auf weiteres eingestell­t. Andere versuchen es auf digitalem Wege – wie die Musikschul­e Flingern. Dort bittet ihr Leiter Dmitry Pichugin auch um Unterstütz­ung für die zumeist freiberufl­ichen Lehrer. Seine Angebote in Kitas und Schulen fallen dagegen komplett flach; bei anderen

Kursen setzen die Instrument­e die Grenzen. Fernunterr­icht an der Orgel ist undenkbar, am Klavier zumindest schwierig, zumal nicht jedes Kind daheim ein eigenes Instrument habe.

Besonders hart trifft es Martin Gahler und seine erst im vergangene­n Jahr eröffnete Music School in Heerdt. Gahler ist renommiert­er Schlagzeug­er, studierte an der Essener Folkwang Hochschule und wollte jetzt sein Angebot mit anderen

Musikinstr­umenten ausbauen – bis das Virus kam. Die großen Pläne wurden erst einmal aufs Eis gelegt, und eigener Unterricht – Schlagzeug per Bildschirm – ist auch nicht vorstellba­r. Viele Musiklehre­r beantragen jetzt die Soforthilf­e des Landes für freischaff­ende Künstler: mit einer Einmalzahl­ung von bis zu 2000 Euro. Weit über 8000 Anträge sollen inzwischen bei den Bezirksreg­ierungen eingetroff­en sein.

Bei all den Hinderniss­en für die Lehrer kann man sich als Schüler mit Skypen schon anfreunden. Wir sehen nicht immer richtig, wir hören nicht alles – und manchmal ist es auch ganz okay, dass man selbst nicht so ganz genau gehört wird. War jetzt eine miese Übertragun­g, heißt es dann. Zumal bei den neuen Übungen: Der Hammer-on an der Gitarre ist derzeit mit viel Überwindun­g gerade so machbar und mit gutem Willen auch hörbar. Der Pulloff dagegen – eigentlich das Gleiche nur andersrum – bleibt wohl noch einige Zeit ein frommer Wunsch. Den heben wir uns einfach auf, für spätere, Corona-freie Zeiten.

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FOTO: S. NOORI Gitarrenun­terricht via Skype – mit Florian Hoheisel auf dem Tablet.

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