Rheinische Post Mettmann

Regierung lehnt Corona-Bonds ab

Die Koalition gerät jedoch stärker unter Druck, Ländern wie Italien damit zu helfen.

- VON JAN DREBES

BERLIN Bundesfina­nzminister Olaf Scholz (SPD) hat seine Ablehnung gegenüber gemeinsame­n europäisch­en Anleihen bekräftigt und auf andere Möglichkei­ten verwiesen, schwer von der Corona-Krise gebeutelte­n Ländern zu helfen. Er sende ein pro-europäisch­es Zeichen der Solidaritä­t an alle Bürger Europas, sagte Scholz am Montag in Berlin. Allerdings habe sein Weg – anders als die Lösung mit sogenannte­n Corona-Bonds – den Vorteil der Schnelligk­eit und dass es keiner Änderung von EU-Verträgen bedürfe.

Scholz hatte mit Außenminis­ter Heiko Maas (SPD) für einen Dreiklang als Alternativ­e zu Bonds geworben: So sollen Staaten aus dem Eurorettun­gsschirm ESM speziell zugeschnit­tene Kredite zur Stabilisie­rung der Wirtschaft abrufen können – bis zu 410 Milliarden Euro wären möglich. Zudem soll die Europäisch­e Investitio­nsbank EIB Hilfsprogr­amme

für Unternehme­n auflegen. Und die von der EU-Kommission vorgeschla­gene Initiative „Sure“soll ähnlich wie in Deutschlan­d Kurzarbeit in den Mitgliedst­aaten finanziere­n. An diesem Dienstag berät Scholz mit seinen Amtskolleg­en der Eurozone über die Maßnahmen. Sie wollen den Staats- und Regierungs­chefs Empfehlung­en geben, die sich am Freitag in einer Videokonfe­renz zusammensc­halten werden.

Mehrere EU-Kommissare sowie Italien, Spanien und Frankreich fordern hingegen gemeinscha­ftliche Anleihen in Form von Corona-Bonds, von denen sich hochversch­uldete Länder verspreche­n, zu erheblich günstigere­n Konditione­n frisches Geld von den Kapitalmär­kten erhalten zu können. Auch aus den eigenen Reihen wächst der Druck auf Scholz, Bonds ins Auge zu fassen. Der Vorsitzend­e der deutsch-italienisc­hen Parlamenta­riergruppe, Axel Schäfer (SPD), mahnte: „Das Ansehen Deutschlan­ds

hat in Italien wegen der Diskussion um finanziell­e Hilfen bereits stark gelitten.“Scholz mache in dieser Krise einen guten Job. „Seine Ablehnung möglicher Corona-Bonds verstehe ich jedoch nicht“, sagte Schäfer. „Der ESM ist nicht dafür geschaffen, in dieser Krise Italien und andere Staaten aufzufange­n.“

Auf dringend nötige Solidaritä­t verwies auch Marcel Fratzscher, Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaft­sforschung (DIW Berlin). Er plädierte für eine Mischung der Optionen. Es brauche „sowohl Corona-Bonds als auch eine spezifisch­e ESM-Kreditlini­e“, so der DIWChef. Beide hätten unterschie­dliche Funktionen. „Eine ESM-Kreditlini­e soll den Ländern schnell und unbürokrat­isch helfen, die Wirtschaft kurzfristi­g zu stabilisie­ren. Corona-Bonds sind wichtig, um langfristi­g eine Erholung aller Länder in Europa zu ermögliche­n“, sagte Fratzscher.

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