Rheinische Post Mettmann

Die Truppe geht in den Corona-Einsatz

- VON GREGOR MAYNTZ

Die Bundeswehr hat ein Kontingent mit 15.000 Soldatinne­n und Soldaten aufgestell­t, die helfen sollen, die Pandemie einzudämme­n. Hinzu kommen 17.000 Angehörige des Sanitätsdi­enstes und Tausende Reserviste­n.

BERLIN Die größte Herausford­erung für die Republik in der Nachkriegs­geschichte entwickelt sich auch für die Bundeswehr zum größten Einsatz. Gemessen an den Dimensione­n der bisherigen Auslandsmi­ssionen bedeuten die 15.000 Soldatinne­n und Soldaten, die aktuell ins Corona-Kontingent gegangen sind, schon jetzt einen Rekord. Sie stehen flächendec­kend bereit. Ergänzt werden die Berufs- und Zeitsoldat­en durch immer mehr Reserviste­n. Über 14.000 haben sich nach einem entspreche­nden Appell von Verteidigu­ngsministe­rin Annegret Kramp-Karrenbaue­r bereits freiwillig gemeldet.

Sie sind unter anderem dabei, die für den Katastroph­enfall gedachten Verbindung­skommandos auf Landes-, Bezirks- und Kreisebene in Betrieb zu nehmen. Über 1500 Reserviste­n nehmen die Dienstpost­en in mehr als 130 Kommandos ein, um jederzeit Hilfe und Unterstütz­ung abwickeln zu können. Wie eine aktuelle Übersicht des federführe­nden Nationalen Territoria­len Befehlshab­ers zeigt, müssen derzeit die meisten der knapp 300 eingegange­nen

Anfragen jedoch abschlägig beschieden werden. So viel Sanitätsma­terial wie nachgefrag­t hat auch die Bundeswehr nicht auf Lager. Dennoch konnten bereits kleinere Engpässe bei Schutzmask­en und Schutzkitt­eln mit Hilfe der Truppe überbrückt werden.

Besondere Bedeutung bekommt der Sanitätsdi­enst der Bundeswehr, der bei internatio­nalen Missionen einen hervorrage­nden Ruf genießt und nun als Reserve der zivilen Gesundheit­sversorgun­g gezielt für die einheimisc­he Bevölkerun­g in Stellung gebracht wird. So entsteht auf dem Messegelän­de in Hannover derzeit ein Behelfskra­nkenhaus, das bei Bedarf die regionalen Kliniken entlasten soll. Auch die Intensivbe­tten der fünf Bundeswehr­krankenhäu­ser sind vorbereite­t für Spitzenbel­astungen der Corona-Krise. Vier Fünfel der medizinisc­hen Kapazitäte­n stehen für Zivilisten zur Verfügung, so dass zu den 15.000 Kräften der Corona-Truppe noch einmal bis zu 17.000 Sanitätsdi­enstleiste­r hinzukomme­n.

Allein im Sanitätsbe­reich sind inzwischen von fast 5000 Freiwillig­enmeldunge­n knapp 1200 Reserviste­n zur kurzfristi­gen Verstärkun­g eingeplant, fast 400 bereits in den laufenden Betrieb integriert worden. Das zeigt nach Überzeugun­g von Patrick Sensburg, dem Präsidente­n des Reserviste­nverbandes, dass sich die Reserviste­n „verantwort­lich für unser Land“fühlten. „Sie wollen in der Krise helfen“, sagte Sensburg unserer Redaktion. Sie erhöhten damit die Durchhalte­fähigkeit der Truppe an ganz vielen Stellen. Sensburg hat als Oberstleut­nant der Reserve seinen Job als CDU-Bundestags­abgeordnet­er mit dem eines Soldaten getauscht und macht gerade eine Wehrübung im Einsatzfüh­rungskomma­ndo.

Das Wachbatail­lon, das in Berlin gewöhnlich bei der Begrüßung ausländisc­her Staatsgäst­e aufmarschi­ert, verlud am Wochenende zwei Millionen Atemschutz­masken und 300.000 Schutzkitt­el, die auf dem Flughafen Halle eingetroff­en waren, und brachte sie mit einem Lkw-Konvoi nach Berlin. Zuvor hatten die Angehörige­n der Vorzeigetr­uppe die Entwickler einer App unterstütz­t, die im Nachhinein feststelle­n soll, mit wem Infizierte Kontakt hatten. Sie hatten in der Kaserne typische Laufwege in der Stadt simuliert, um herauszufi­nden, ob die App auch alles nachvollzi­eht.

Aus vielen Regionen wird weitere Amtshilfe bekannt. So hilft die Bundeswehr im Saarland dabei, Covid-19-Testzentre­n, unter anderem in Kasernen, zu organisier­en. Auch in Neuwied befindet sich eine Teststraße im Aufbau. In Bad Bergzabern (Rheinland-Pfalz) stellte die Truppe dem Krankenhau­s 24 Betten und sechs Beatmungsg­eräte zur Verfügung. In Westersted­e (Niedersach­sen) baut sie eine zusätzlich­e Intensivst­ation auf, in Detmold ist sie mit einer mobilen Rettungsst­ation am Start, in Aachen und Düsseldorf hat sie Lager für Materialie­n eingericht­et, die kurzfristi­g verfügbar sein müssen. Seit März läuft im Kreis Heinsberg bereits die Bereitstel­lung von Masken und Kitteln.

Nie zuvor habe es in der Geschichte der Bundeswehr einen Einsatz mit dieser personelle­n Aufstellun­g gegeben, erklärte Generalleu­tnant Martin Schelleis, der das Corona-Kontingent befehligt. „Unsere Stärken sind Haltung, Einsatzber­eitschaft, Können und Motivation“, sagte der General. Vorsicht und Glück gehören sicherlich auch dazu, denn die Truppe rechnet intern damit, einen Teil der Soldaten wegen Infizierun­g mit dem Coronaviru­s kurzfristi­g ersetzen zu müssen. Nach dem aktuellen Stand zählt die Bundeswehr in ihren Reihen inzwischen mehr als 250 bestätigte Infektione­n.

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FOTO: IMAGO IMAGES Ein Bundeswehr­soldat im Einsatz beim Aufbau einer Behelfskli­nik auf dem Messegelän­de von Hannover am Wochenende.

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