Die Truppe geht in den Corona-Einsatz
Die Bundeswehr hat ein Kontingent mit 15.000 Soldatinnen und Soldaten aufgestellt, die helfen sollen, die Pandemie einzudämmen. Hinzu kommen 17.000 Angehörige des Sanitätsdienstes und Tausende Reservisten.
BERLIN Die größte Herausforderung für die Republik in der Nachkriegsgeschichte entwickelt sich auch für die Bundeswehr zum größten Einsatz. Gemessen an den Dimensionen der bisherigen Auslandsmissionen bedeuten die 15.000 Soldatinnen und Soldaten, die aktuell ins Corona-Kontingent gegangen sind, schon jetzt einen Rekord. Sie stehen flächendeckend bereit. Ergänzt werden die Berufs- und Zeitsoldaten durch immer mehr Reservisten. Über 14.000 haben sich nach einem entsprechenden Appell von Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer bereits freiwillig gemeldet.
Sie sind unter anderem dabei, die für den Katastrophenfall gedachten Verbindungskommandos auf Landes-, Bezirks- und Kreisebene in Betrieb zu nehmen. Über 1500 Reservisten nehmen die Dienstposten in mehr als 130 Kommandos ein, um jederzeit Hilfe und Unterstützung abwickeln zu können. Wie eine aktuelle Übersicht des federführenden Nationalen Territorialen Befehlshabers zeigt, müssen derzeit die meisten der knapp 300 eingegangenen
Anfragen jedoch abschlägig beschieden werden. So viel Sanitätsmaterial wie nachgefragt hat auch die Bundeswehr nicht auf Lager. Dennoch konnten bereits kleinere Engpässe bei Schutzmasken und Schutzkitteln mit Hilfe der Truppe überbrückt werden.
Besondere Bedeutung bekommt der Sanitätsdienst der Bundeswehr, der bei internationalen Missionen einen hervorragenden Ruf genießt und nun als Reserve der zivilen Gesundheitsversorgung gezielt für die einheimische Bevölkerung in Stellung gebracht wird. So entsteht auf dem Messegelände in Hannover derzeit ein Behelfskrankenhaus, das bei Bedarf die regionalen Kliniken entlasten soll. Auch die Intensivbetten der fünf Bundeswehrkrankenhäuser sind vorbereitet für Spitzenbelastungen der Corona-Krise. Vier Fünfel der medizinischen Kapazitäten stehen für Zivilisten zur Verfügung, so dass zu den 15.000 Kräften der Corona-Truppe noch einmal bis zu 17.000 Sanitätsdienstleister hinzukommen.
Allein im Sanitätsbereich sind inzwischen von fast 5000 Freiwilligenmeldungen knapp 1200 Reservisten zur kurzfristigen Verstärkung eingeplant, fast 400 bereits in den laufenden Betrieb integriert worden. Das zeigt nach Überzeugung von Patrick Sensburg, dem Präsidenten des Reservistenverbandes, dass sich die Reservisten „verantwortlich für unser Land“fühlten. „Sie wollen in der Krise helfen“, sagte Sensburg unserer Redaktion. Sie erhöhten damit die Durchhaltefähigkeit der Truppe an ganz vielen Stellen. Sensburg hat als Oberstleutnant der Reserve seinen Job als CDU-Bundestagsabgeordneter mit dem eines Soldaten getauscht und macht gerade eine Wehrübung im Einsatzführungskommando.
Das Wachbataillon, das in Berlin gewöhnlich bei der Begrüßung ausländischer Staatsgäste aufmarschiert, verlud am Wochenende zwei Millionen Atemschutzmasken und 300.000 Schutzkittel, die auf dem Flughafen Halle eingetroffen waren, und brachte sie mit einem Lkw-Konvoi nach Berlin. Zuvor hatten die Angehörigen der Vorzeigetruppe die Entwickler einer App unterstützt, die im Nachhinein feststellen soll, mit wem Infizierte Kontakt hatten. Sie hatten in der Kaserne typische Laufwege in der Stadt simuliert, um herauszufinden, ob die App auch alles nachvollzieht.
Aus vielen Regionen wird weitere Amtshilfe bekannt. So hilft die Bundeswehr im Saarland dabei, Covid-19-Testzentren, unter anderem in Kasernen, zu organisieren. Auch in Neuwied befindet sich eine Teststraße im Aufbau. In Bad Bergzabern (Rheinland-Pfalz) stellte die Truppe dem Krankenhaus 24 Betten und sechs Beatmungsgeräte zur Verfügung. In Westerstede (Niedersachsen) baut sie eine zusätzliche Intensivstation auf, in Detmold ist sie mit einer mobilen Rettungsstation am Start, in Aachen und Düsseldorf hat sie Lager für Materialien eingerichtet, die kurzfristig verfügbar sein müssen. Seit März läuft im Kreis Heinsberg bereits die Bereitstellung von Masken und Kitteln.
Nie zuvor habe es in der Geschichte der Bundeswehr einen Einsatz mit dieser personellen Aufstellung gegeben, erklärte Generalleutnant Martin Schelleis, der das Corona-Kontingent befehligt. „Unsere Stärken sind Haltung, Einsatzbereitschaft, Können und Motivation“, sagte der General. Vorsicht und Glück gehören sicherlich auch dazu, denn die Truppe rechnet intern damit, einen Teil der Soldaten wegen Infizierung mit dem Coronavirus kurzfristig ersetzen zu müssen. Nach dem aktuellen Stand zählt die Bundeswehr in ihren Reihen inzwischen mehr als 250 bestätigte Infektionen.