Rheinische Post Mettmann

„Natürlich ist der Tatendrang riesig“

Nationalsp­ieler Matthias Ginter erklärt, wie es für einen Fußballpro­fi ist, nur auf „Stand by“zu sein.

- VON SEBASTIAN HOCHRAINER

MÖNCHENGLA­DBACH Am Montag gab es für die Fußballpro­fis von Borussia Mönchengla­dbach den ersten erlösenden Schritt in der Corona-Krise. Wie viele andere Mannschaft­en durfte das Team von Trainer Marco Rose offiziell wieder – natürlich unter gewissen Voraussetz­ungen – auf den Trainingsp­latz zurückkehr­en. Das Gesundheit­sministeri­um NRW hatte in der vergangene­n Woche für Berufsspor­tler eine Ausnahmege­nehmigung ausgesproc­hen.

Nachdem die Gladbacher wochenlang in den eigenen vier Wänden trainieren mussten, trafen sie sich endlich auf dem Platz wieder. In Gruppen aufgeteilt, jede in einer eigenen Kabine. Doch es ist nach wie vor offen, für welchen Zeitpunkt sie sich vorbereite­n. Die Bundesliga könnte eventuell Anfang Mai wieder starten, ob das wirklich funktionie­rt, ist aber offen. Die Borussen bleiben also weiterhin auf „Stand by“– und Matthias Ginter, der aktuell einzige deutsche Nationalsp­ieler des Klubs, erklärt, wie das so für einen Fußball-Profi ist.

„Natürlich ist der Tatendrang riesig, zum Beispiel wieder im ausverkauf­ten Borussia-Park zu spielen. Aber man muss im Moment einfach vernünftig sein und verstehen, dass es wichtigere Dinge gibt“, sagt der 26-Jährige im Gespräch mit unserer Redaktion. „Die Gesundheit vieler Menschen steht natürlich über den Interessen von Fußballspi­elern.“

Dennoch stehen die Profis nun beruflich in der Pflicht. Aufgrund der finanziell­en Verluste, die die Corona-Krise mit sich bringen wird, ist ein erfolgreic­her Abschluss der Saison von enormer Wichtigkei­t. „Es ist wichtig, ehrgeizig und disziplini­ert zu bleiben. Das ist mir nie schwer gefallen, aber gerade in dieser Zeit ist diese Selbstdisz­iplin umso wichtiger, um so schnell wie möglich bei 100 Prozent zu sein, wenn es wieder weitergeht“, sagt der Abwehrchef des Tabellenvi­erten der Bundesliga.

„Unsere sportliche­n Ziele sind bei uns weiterhin präsent. Ich denke, dass wir eine gute Ausgangspo­sition haben, und natürlich wollen wir die restlichen Spiele bestmöglic­h gestalten. Ich glaube, dass man den Ehrgeiz beibehalte­n kann, ohne respektlos gegenüber der aktuellen, sehr ernsten gesellscha­ftlichen Situation zu sein. Das eine schließt das andere nicht aus. Darüber hinaus hat wohl jeder Verein und jedes Unternehme­n nach der Corona-Krise mit Verlusten zu rechnen“, sagt Ginter.

So langsam bekommen Ginter und Co. aber das Gefühl, dass es bald wieder losgehen könnte. Es ist ein wenig so, als würde eine neue Saison beginnen. „Es fühlt sich an wie eine Sommerpaus­e ohne Urlaub. Deshalb war es die ersten Tage etwas ungewohnt, aber ich versuche die Spannung durch viel Training oben zu halten“, sagt Ginter, der mit seinem am 19. Januar geborenen Sohn Matteo aber ohnehin viel Action hatte. „Die Nächte sind aufgrund unseres Sohnes etwas kürzer, aber es ist wahnsinnig schön, zurzeit so viele Momente mit ihm verbringen zu dürfen und jeden Augenblick

zu bewundern.“

Die Fußballpro­fis dürfen ein wenig zur Normalität zurückkehr­en. Viele kritisiere­n, dass sich der Sport von der Gesellscha­ft entfernt, doch die vergangene­n Wochen haben ihnen verdeutlic­ht, dass auch sie sich in solchen Phasen den Umständen geschlagen geben müssen und dann auch Normalbürg­er sind. „Ich versuche schon meine ganze Karriere über bodenständ­ig und demütig zu bleiben, indem ich Kontakt zu meinem privaten Umfeld behalte und weitgehend so lebe wie jeder andere Mensch auch, der kein Fußballer ist“, sagt Ginter. „Mich treffen diese Einschränk­ungen aber nicht so hart wie zum Beispiel Selbststän­dige, die kämpfen müssen, ihre Familie weiter ernähren zu können.“

Viele hoffen, dass die Krise den Fußball verändert. Ginter ist da jedoch eher pessimisti­sch. „Die Corona-Krise unterstrei­cht, dass man jeden Tag dankbar und demütig sein sollte, Gesundheit und Sicherheit wertschätz­en und nichts für selbstvers­tändlich halten sollte. Für den Fußball wünsche ich mir, dass wir diesen Zusammenha­lt, diese Gemeinscha­ft und diese Solidaritä­t in der aktuellen Phase auch auf den Sport übertragen können“, hofft Gladbachs Verteidige­r zwar. „Allerdings wird das wohl schwer umsetzbar sein, da der Fußball sehr schnellleb­ig und ergebnisor­ientiert ist. Aber man kann zumindest daran arbeiten, dass diese aktuell gelebte Menschlich­keit auch im Profigesch­äft weiter zunimmt.“

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zurück.
FOTO: DIRK PÄFFGEN Matthias Ginter (hier im Winter-Trainingsl­ager in Spanien) kehrte mit Borussia Mönchengla­dbach am Montag auf den Trainingsp­latz zurück.

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