„Natürlich ist der Tatendrang riesig“
Nationalspieler Matthias Ginter erklärt, wie es für einen Fußballprofi ist, nur auf „Stand by“zu sein.
MÖNCHENGLADBACH Am Montag gab es für die Fußballprofis von Borussia Mönchengladbach den ersten erlösenden Schritt in der Corona-Krise. Wie viele andere Mannschaften durfte das Team von Trainer Marco Rose offiziell wieder – natürlich unter gewissen Voraussetzungen – auf den Trainingsplatz zurückkehren. Das Gesundheitsministerium NRW hatte in der vergangenen Woche für Berufssportler eine Ausnahmegenehmigung ausgesprochen.
Nachdem die Gladbacher wochenlang in den eigenen vier Wänden trainieren mussten, trafen sie sich endlich auf dem Platz wieder. In Gruppen aufgeteilt, jede in einer eigenen Kabine. Doch es ist nach wie vor offen, für welchen Zeitpunkt sie sich vorbereiten. Die Bundesliga könnte eventuell Anfang Mai wieder starten, ob das wirklich funktioniert, ist aber offen. Die Borussen bleiben also weiterhin auf „Stand by“– und Matthias Ginter, der aktuell einzige deutsche Nationalspieler des Klubs, erklärt, wie das so für einen Fußball-Profi ist.
„Natürlich ist der Tatendrang riesig, zum Beispiel wieder im ausverkauften Borussia-Park zu spielen. Aber man muss im Moment einfach vernünftig sein und verstehen, dass es wichtigere Dinge gibt“, sagt der 26-Jährige im Gespräch mit unserer Redaktion. „Die Gesundheit vieler Menschen steht natürlich über den Interessen von Fußballspielern.“
Dennoch stehen die Profis nun beruflich in der Pflicht. Aufgrund der finanziellen Verluste, die die Corona-Krise mit sich bringen wird, ist ein erfolgreicher Abschluss der Saison von enormer Wichtigkeit. „Es ist wichtig, ehrgeizig und diszipliniert zu bleiben. Das ist mir nie schwer gefallen, aber gerade in dieser Zeit ist diese Selbstdisziplin umso wichtiger, um so schnell wie möglich bei 100 Prozent zu sein, wenn es wieder weitergeht“, sagt der Abwehrchef des Tabellenvierten der Bundesliga.
„Unsere sportlichen Ziele sind bei uns weiterhin präsent. Ich denke, dass wir eine gute Ausgangsposition haben, und natürlich wollen wir die restlichen Spiele bestmöglich gestalten. Ich glaube, dass man den Ehrgeiz beibehalten kann, ohne respektlos gegenüber der aktuellen, sehr ernsten gesellschaftlichen Situation zu sein. Das eine schließt das andere nicht aus. Darüber hinaus hat wohl jeder Verein und jedes Unternehmen nach der Corona-Krise mit Verlusten zu rechnen“, sagt Ginter.
So langsam bekommen Ginter und Co. aber das Gefühl, dass es bald wieder losgehen könnte. Es ist ein wenig so, als würde eine neue Saison beginnen. „Es fühlt sich an wie eine Sommerpause ohne Urlaub. Deshalb war es die ersten Tage etwas ungewohnt, aber ich versuche die Spannung durch viel Training oben zu halten“, sagt Ginter, der mit seinem am 19. Januar geborenen Sohn Matteo aber ohnehin viel Action hatte. „Die Nächte sind aufgrund unseres Sohnes etwas kürzer, aber es ist wahnsinnig schön, zurzeit so viele Momente mit ihm verbringen zu dürfen und jeden Augenblick
zu bewundern.“
Die Fußballprofis dürfen ein wenig zur Normalität zurückkehren. Viele kritisieren, dass sich der Sport von der Gesellschaft entfernt, doch die vergangenen Wochen haben ihnen verdeutlicht, dass auch sie sich in solchen Phasen den Umständen geschlagen geben müssen und dann auch Normalbürger sind. „Ich versuche schon meine ganze Karriere über bodenständig und demütig zu bleiben, indem ich Kontakt zu meinem privaten Umfeld behalte und weitgehend so lebe wie jeder andere Mensch auch, der kein Fußballer ist“, sagt Ginter. „Mich treffen diese Einschränkungen aber nicht so hart wie zum Beispiel Selbstständige, die kämpfen müssen, ihre Familie weiter ernähren zu können.“
Viele hoffen, dass die Krise den Fußball verändert. Ginter ist da jedoch eher pessimistisch. „Die Corona-Krise unterstreicht, dass man jeden Tag dankbar und demütig sein sollte, Gesundheit und Sicherheit wertschätzen und nichts für selbstverständlich halten sollte. Für den Fußball wünsche ich mir, dass wir diesen Zusammenhalt, diese Gemeinschaft und diese Solidarität in der aktuellen Phase auch auf den Sport übertragen können“, hofft Gladbachs Verteidiger zwar. „Allerdings wird das wohl schwer umsetzbar sein, da der Fußball sehr schnelllebig und ergebnisorientiert ist. Aber man kann zumindest daran arbeiten, dass diese aktuell gelebte Menschlichkeit auch im Profigeschäft weiter zunimmt.“