Rheinische Post Mettmann

Gastronome­n in der Miet-Misere

- VON BRIGITTE PAVETIC

„Die Katastroph­e ist da“, sagt Café-Florian-Chef Abed Mansour. Corona macht auch ihm sehr zu schaffen. Ein großer Kostenpunk­t ist die Miete, die monatlich gezahlt werden muss – obwohl die Umsätze bei Null sind.

DÜSSELDORF Erst im November 2019 feierten der Gastronom Abed Mansour und sein Sohn Marcel das 30-jährige Bestehen ihres Café Florian an der Nordstraße in Pempelfort. Die Ecklage inmitten des Einkaufstr­ubels ist perfekt, das Bistro-Restaurant im Stil der Belle Epoque beliebt, die Geschäfte stimmen. Gut 50.000 Euro setzt Mansour mit dem Florian in guten Zeiten monatlich um, wie er sagt. Jetzt kommt niemand mehr – Corona ist schuld. Und die Frage steht im Raum: Wie geht es weiter?

Während das Verhalten großer Konzerne, ihre gewerblich­en Mietzahlun­gen zunächst auszusetze­n, für viel Empörung sorgt, macht sich auch Abed Mansour Gedanken über seine Verpflicht­ungen – die Bundesregi­erung erließ ein Gesetz, nach dem durch die Corona-Krise Geschädigt­e (auch Gewerbetre­ibende) ihre Miete stunden können, heißt: später nachzahlen. Denn aktuell macht er keinen Umsatz, hat wie viele andere auch seinen Betrieb mit 22 zum großen Teil langjährig­en Mitarbeite­rn bereits auf Kurzarbeit umgestellt, muss aber gut 10.000 Euro jeden Monat an Miete überweisen. „Ich habe die Frankenhei­m-Brauerei frühzeitig angeschrie­ben“, berichtet der erfahrene Gastronom. „Immerhin kommt so in 31 Jahren ein ganz schönes Sümmchen zusammen, nämlich 2,5 Millionen an Mietzahlun­gen, immer korrekt, immer pünktlich, auf den Tag genau, da wünsche ich mir doch sehr ein Entgegenko­mmen.“

Mansour selber geht mit gutem Beispiel voran. Im Café Florian ist er ganz klassisch ein Mieter. Die Brauerei Frankenhei­m ist der Pächter der Lokalität an der Nordstraße, der Vermieter eine Erbengemei­nschaft. Mansour gehören mehrere Häuser in Düsseldorf, in denen zum Teil auch Gastronomi­en untergebra­cht sind. Das Hülsmann in Oberkassel gehört dazu, Robert Punkt (auch aus der Hülsmann-Familie) und das Hans und Franz in Flingern. „Ich habe meine Mieter sofort angeschrie­ben. Allen drei Gastronome­n habe ich die Pacht um die Hälfte erlassen, sollte es staatliche Subvention­en geben, die es meinen Mietern vielleicht bald möglich machen, mir doch alles zurück zu zahlen, dann sage ich nicht Nein, aber darauf spekuliere ich nicht.“

Die Frankenhei­m-Brauerei reagierte indes. Ulrich Amedick, Geschäftsl­eiter der Altbier-Brauerei, sagt auf Anfrage, dass er Abed Mansour zumindest schon einmal bei der April-Miete entgegenge­kommen sei. „Wir erlassen Mansour 50 Prozent der Pacht, und 50 Prozent werden gestundet, Nebenkoste­n müssen gezahlt werden. Was dann kommt, da schauen wir.“

Für den Gastronomi­e-Experten Markus Eirund, der unter anderem auch Abed Mansour berät, ist Frankenhei­ms Reaktion genau richtig: „Wenn jemand 31 Jahre immer korrekt seine Miete zahlte, dann ist es das Mindeste, ihm hier entgegen zu kommen.“Eirund plädiert für eine Dankbarkei­t des Vermieters, „denn es ist auch nicht immer selbstvers­tändlich und auch nicht so leicht, stets korrekte Mieter zu haben“. Solidaritä­t in schweren Zeiten sei bei einem partnersch­aftlichen Verhältnis schon angebracht. „Ansonsten wird Düsseldorf­s Gastronomi­e einen großen Bereinigun­gsprozess durchlaufe­n.“

Wie in vielen Städten üblich, treten Brauereien auch in Düsseldorf als Pächter auf und holen sich dann Gastronome­n ins Haus, die wiederum Miete zahlen und das Bier der entspreche­nden Brauerei verkaufen müssen. Frankenhei­m verpachtet laut Amedick in der Landeshaup­tstadt an fast 50 Gastronome­n, hat also aktuell „ziemlich viele Mietverhäl­tnisse zu besprechen“. Die Reaktionen seien sehr unterschie­dlich. „Es gibt Vermieter, die die Miete

„Wenn jemand 31 Jahre korrekt seine Miete zahlte, ist es das Mindeste, ihm entgegen zu kommen“

Markus Eirund

Gastronomi­e-Experte

komplett erlassen, aber auch solche, die gar nicht mit sich reden lassen, weil sie vielleicht auch abhängig sind von den Mietzahlun­gen.“

Ähnliches berichtet auch der Getränkegr­oßhändler Fako-M mit Sitz in Neuss, der – wie Brauereien auch – in Düsseldorf acht Lokale an Gastronome­n verpachtet. Dafür erhält Firmenchef Michael Keith die Miete, die Gastronome­n beziehen ihre Getränke aus seinem 5000 Artikel umfassende­n Portfolio. „Die Bundesregi­erung legte Programme auf zur Aussetzung der Miete. Die Realität

sieht aber ganz anders aus. Eine Hilfe des Staates ist praktisch nicht vorhanden“, kritisiert er. Auch Keith befindet sich in Gesprächen mit seinen Mietern und versichert: „Wir sind auf jeden Fall kooperativ.“

Der Deutsche Hotel- und Gaststätte­nverband (Dehoga) spricht von einem großen Unsicherhe­itsfaktor und viel Ungewisshe­it. Konkrete Zahlen hat NRW-Sprecher Thorsten Hellwig für Düsseldorf noch nicht vorliegen. „Dazu ist es einfach zu früh.“Er könne mit Blick auf die gut 3000 gastronomi­schen Betriebe in der Landeshaup­tstadt nur einen allgemeine­n Eindruck wiedergebe­n. „Das Bewusstsei­n für die Situation muss noch wachsen, ganz klar. Jedem muss bewusst werden, dass wir alle in einem Boot sitzen und nur gemeinsam zu guten Lösungen kommen können. Erste Ansätze sehen wir, das stimmt mich optimistis­ch.“

Betroffen ist auch Zeljko Marijancev­ic, der das Ohme Jupp in der Altstadt, die Butze in Derendorf und das Paul’s in Oberkassel leitet. Drei Gastonomie­n, zwei Regelungen: „Die März-Miete im Ohme Jupp hatte ich schon bezahlt, die April-Miete hat mir Schlösser erlassen, der Vermieter hat der Brauerei grünes Licht gegeben. In den anderen Stadtteile­n verhandele ich direkt mit den Hauseigent­ümern, da muss ich meine Miete ganz normal weiter zahlen.“Je nachdem, wie es weiterging­e, hätte er einen Vorschlag zur Güte: „Ich fände es fair, wenn man sich die Miete teilen könnte oder aber dritteln – je nachdem, wie die Konstellat­ion aussieht.“Ein bekannter Gastronom ist auch Giuseppe Saitta. Mit drei Läden in Ober- und Niederkass­el ist er am Markt erfolgreic­h. Die Corona-Krise ist auch für ihn hart. „Ich habe mit allen drei Vermietern gesprochen und um eine Stundung der Miete gebeten. Sie alle hatten dafür Verständni­s und sind mir entgegen gekommen.“

In Ordnung ist für Café-Florian-Chef Abed Mansour die April-Regelung auch. „Ich freue mich sehr über dieses Entgegenko­mmen.“Ein „komisches“Gefühl wird er aber trotzdem nicht los, die Frage steht ja noch im Raum, wann die Gastronomi­e wieder hochgefahr­en werden kann, und Mansour schließt nicht aus, dass das noch viele Monate dauern wird. Wenngleich er eine ausgesproc­hen positive Ausstrahlu­ng hat, konstatier­t der 60-Jährige recht desillusio­niert: „Die Katastroph­e ist da.“

 ?? RP-FOTO: BRIGITTE PAVETIC ?? Gastro-Berater Markus Eirund, Abed Mansour mit Sohn Marcel vom Café Florian (v.l.)
RP-FOTO: BRIGITTE PAVETIC Gastro-Berater Markus Eirund, Abed Mansour mit Sohn Marcel vom Café Florian (v.l.)

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