Wolfgang Tillmans, „Wasser und Wein“
Zwei spiegelblanke Gläser, das linke gefüllt mit Wasser, das rechte mit Rotwein. Zudem noch ein fragmentierter Salatteller samt Serviette – viel mehr ist auf dieser großformatigen Fotografie nicht zu erkennen. Und das soll ein Oster-Bild sein? Ja natürlich, rufen die christlich sozialisierten Betrachter, der Wein symbolisiert das Blut des Herrn, das an Karfreitag voller Schmerz vergossen wurde, und das Wasser steht für das Leben und den Glauben an die Auferstehung. Niemals, entgegnen die weltlichen Hedonisten, hier geht es um kultivierte Essensbegleitung, allenfalls verbirgt sich da ein Hinweis auf das ersehnte Ende der Fastenzeit! Wolfgang Tillmans (geboren 1968), der Autor dieser Aufnahme, würde wohl über beide Ansichten schmunzeln, ohne einer von ihnen zuzustimmen.
Als er diese Arbeit im Jahr 2001 schuf, lebte der gebürtige Remscheider schon geraume Zeit in London und war durch die Verleihung des Turner-Preises gerade in den Olymp der Gegenwartskunst aufgestiegen. Er galt als politisch wacher Chronist der Club- und Schwulenszene, der in atemlosen Sequenzen den Rhythmus seiner Generation artikulierte. Zugleich fanden sich in seinem Werk, neben fotografisch-chemischer Grundlagenforschung, immer auch berührende Momente des Innehaltens. Stillleben des Alltags – Blumen, Regentropfen am Atelierfenster, ausgezogene Jeans – vermittelten einen sehr persönlichen Blick und fügten sich doch in ihrer Gesamtheit zu einem umfassenden Fundus der Weltdurchdringung. Diese universelle Leidenschaft zeichnet den Künstler bis heute aus, und sie realisiert sich stets in der Gleichzeitigkeit einer Feier des Moments und einer Trauer um das Wissen der Verluste. Eine solche Haltung grundiert auch die hier vorgestellte Arbeit, die sich seit zwei Jahren als Dauerleihgabe der Stiftung Kunst im Landesbesitz in der Sammlung des
Museum Kurhaus Kleve befindet und seitdem für mich zu einer funkelnden Ikone der Daseinsbejahung geworden ist. Also ein Oster-Bild eben.