Die Bundesliga ganz oben
Von Köln bis Corona – vom ersten Meister bis zur größten Krise hat die Eliteklasse einiges erlebt in 57 Jahren. Im sechsten Teil unserer Serie geht es um die erste Hälfte der 2010er Jahre. Die Zeit von WM-Titel und Champions-League-Triumph.
DÜSSELDORF Das Sommermärchen hatte das Land verwandelt. Überall gab es nun Fußballfans. Noch wusste niemand von den wohl sehr dubiosen Begleitumständen, unter denen sich Deutschland die Austragung der Weltmeisterschaft 2006 gesichert hatte. Und vermutlich hätte es am Ausgang des ersten Jahrzehnts im neuen Jahrtausend auch niemanden interessiert. Deutschland schwamm auf einer Welle der Leichtigkeit – zumindest im Fußball.
Eine große Generation von Spielern wuchs heran. Sie trug die Nationalmannschaft an die Spitze, und sie brachte die Bundesliga zu ihrer höchsten Blüte. Es waren die Jahre, in denen Manuel Neuer als eine Art Libero das Torwartspiel neu erfand, in denen in Dortmund Mario Götze als Teenager zur größten deutschen Fußball-Hoffnung heranreifte, in denen Franck Ribéry und Arjen Robben bei den Bayern das Publikum verzauberten und die Gegner bestürzten, in denen Borussia Dortmund zur aufregendsten Mannschaft auf dem Kontinent wurde und in denen es ganz logisch ein deutsches Endspiel um die Krone in Europa gab.
Der Reihe nach: In München verordnete Louis van Gaal, der Holländer, dessen Können vielleicht noch größer war als sein Selbstbewusstsein, den Bayern eine Spielidee. Das war unerhört, denn über viele Jahre war die Münchner Idee: Wir haben die besten Einzelspieler, die werden das schon machen. Und die machten das ja auch.
Nun wurde ein wenig nach dem
Modell des niederländischen Fußball-Übervaters Johan Cruyff ein totaler Ansatz gepflegt, der viel taktische Übungen und viel jugendliche Frische benötigte. Kein Wunder, dass Thomas Müller und Philipp Lahm van Gaals Musterschüler wurden. Das massive Ego des Trainers prallte allerdings irgendwann vom nicht minder großen des Präsidenten
und Patriarchen Uli Hoeneß ab, und die Zusammenarbeit endete. Hoeneß brauchte nun den nächsten Fußballlehrer (im Wortsinn). Er fand ihn in seinem alten Freund Jupp Heynckes, der van Gaals Ansatz noch erweiterte und der vor allem jenen Schuss mitmenschlicher Pädagogik ins Spiel brachte, den van Gaal in seiner Selbstbezogenheit
ignoriert hatte.
In Dortmund revolutionierte derweil ein anderer Pädagoge den BVB. Jürgen Klopp, der nicht nur ein kluger Lehrer ist, der komplexe Systeme sehr anschaulich vermitteln kann, sondern auch einer der größten Mitreißer der Bundesliga-Geschichte, formte ein Team nach seinen Vorstellungen. Spieler, die sich noch einen Namen machen wollten, rannten die Bundesliga und die namhafte Konkurrenz in Grund und Boden. Deutschland lernte Wörter wie Pressing und Gegenpressing, und dass es manchmal gut ist, dem Gegner den Ball zu überlassen, um ihn dann überfallartig vor größte Probleme zu stellen. So kam der BVB zu zwei Meisterschaften.
So etwas konnten sich die Bayern natürlich nicht bieten lassen. Heynckes baute um seine Strategen Lahm und Bastian Schweinsteiger und die beste Flügelzange Europas (Ribéry und Robben) ein Team, das den Dortmundern an Spielkunst überlegen und an Zusammenhalt ebenbürtig war. Es gewann nicht nur die Meisterschaft 2013, sondern auch eines der besten Endspiele um die Champions League gegen eben jene Dortmunder und als Zugabe den DFB-Pokal gegen den VfB Stuttgart. Es war ein historischer Triumph, noch nie hatte ein deutsches Team das Triple aus Meisterschaft, Pokalsieg und Europapokalsieg geholt.
Dortmund hat daran großen Anteil. Denn der BVB forderte die Bayern erst zu dieser Konzentration der Kräfte heraus. Im Moment der Niederlage von Wembley 2013 war das ein schwacher Trost. Er bleibt allerdings in den Geschichtsbüchern.
Dort steht auch die Weltmeisterschaft 2014. Deutschland gewann sie mit Bayern-Spielern auf dem Karriere-Höhepunkt. Nie waren Neuer, Schweinsteiger, Lahm und Toni Kroos besser. Und wahrscheinlich hatten sie nie einen besseren Vereinstrainer.