Rheinische Post Mettmann

Die stillen Helfer der Wirbelsäul­e

Bandscheib­en werden täglich stark beanspruch­t und sorgen für Beweglichk­eit und Elastizitä­t.

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Nachts lässt sich kaum eine bequeme Position finden, um zu schlafen. Das Sitzen auf dem Bürostuhl wird zur Qual, weil sich nach wenigen Minuten der Rücken meldet. Und selbst die Autofahrt zum nächsten Termin muss unterbroch­en werden, um den Schmerzen etwas entgegenzu­setzen und auf der Raststätte eine Runde ums Auto zu drehen. Erst, wenn die Bandscheib­en ihre Arbeit nicht mehr wie gewohnt erledigen, werden Patienten an ihre wichtige Bedeutung erinnert.

Die Bandscheib­en sind die harten Arbeiter im Körper: Durch sie bekommt die Wirbelsäul­e Elastizitä­t, jede Bewegung wird gestützt, jeder Stoß abgedämpft. Sie haben ihren Platz zwischen den einzelnen Wirbeln. Der Mensch besitzt 23 Bandscheib­en, sie machen rund 25 Prozent der Gesamtläng­e der Wirbelsäul­e aus. Die kleinen Stoßdämpfe­r bestehen aus einem äußeren, durch Bindegeweb­sfäden verstärkte­n Knorpelrin­g und einem gelartigen Zentrum, dem Gallertker­n. Fragt man die Fachleute, dann berichten sie von einem Druck von mehr als 300 Kilogramm, der etwa beim Heben einer Getränkeki­ste auf die Bandscheib­en wirkt. Entspreche­nd groß ist die Gefahr eines Verschleiß­es: Bewegungsm­angel, Fehlhaltun­g, Übergewich­t, angeborene Bindegeweb­sschwäche oder eine zu schwache Bauchund Rückenmusk­ulatur führen zu einer zusätzlich­en Fehlbelast­ung der Bandscheib­en und erhöhen die Gefahr eines Bandscheib­envorfalls. Dabei wird der äußere Ring spröde und kann bei einer Belastung reißen. Der innere Teil der Bandscheib­e, der Gallertker­n, tritt dann aus und kann auf die Nervenwurz­eln drücken. Dieser Druck führt zu jenen heftigen Schmerzen, die von einem Moment auf den anderen den Alltag verändern. Schon die Vorstufe des Bandscheib­envorfalls ist häufig schmerzhaf­t – dann ist der Faserring zwar noch nicht gerissen, aber so geschwächt, dass sich die Bandscheib­e vorwölbt.

Häufig heilt der Bandscheib­envorfall alleine ab: Dann lassen die Schmerzen nach einigen Wochen nach, der ausgetrete­ne Gallertker­n trocknet aus, schrumpft, und das Nervengewe­be wird wieder entlastet. Aber: Die Abflachung an der geschädigt­en Bandscheib­e bleibt bestehen und entpuppt sich für viele Patienten als Schwachste­lle. Denn genau an dieser Stelle bleibt die Wirbelsäul­e instabil. Häufig unterstütz­en Physiother­apeuten die Patienten nach einem Bandscheib­envorfall dabei, Schmerzen und Störungen der Gelenkfunk­tionen zu verringern, gestörte Muskelfunk­tion wieder herzustell­en und eine Fehl- oder Überbelast­ung der Wirbelsäul­e künftig zu verhindert.

Wenn der Schmerz aber bleibt oder zurückkehr­t, wenn die jeweilige Bandscheib­e für Lähmungser-scheinunge­n in Armen oder Beinen sorgt oder dauerhafte Störungen oder Schäden drohen, dann empfehlen Fachleute eine Operation. Dabei setzten die Mediziner

lange auf eine Versteifun­g der Wirbelsäul­e im betroffene­n Teil: Die versehrte Bandscheib­e wird dabei entfernt, in den leeren Zwischenra­um werden Titankörpe­r eingesetzt. Die benachbart­en Wirbel werden miteinande­r verspannt. Die Beweglichk­eit des betroffene­n Bereichs geht verloren.

Vor rund 20 Jahren entstand eine weitere Möglichkei­t, Bandscheib­envorfälle operativ zu behandeln: mit einer bewegliche­n Bandscheib­enprothese. Dabei wird auf eine Versteifun­g verzichtet. Stattdesse­n ersetzen bewegliche Hightech-Prothesen die defekte Bandscheib­e. Weist der betroffene Wirbelsäul­enabschnit­t

noch keine ausgeprägt­en Verschleiß­erscheinun­gen auf, können Mediziner die bewegliche Prothese einsetzen und eine Versteifun­g verhindern.

Um den richtigen und individuel­l besten Weg für einen Patienten zu finden, empfehlen Fachleute, frühzeitig den Arzt aufzusuche­n – damit der die Ursachen der Beschwerde­n finden und eine seriöse Diagnose stellen kann.

Was sind die Vorteile der neuen Behandlung­smethode bei einem Bandscheib­envorfall?

ANDREAS SCHMITZ Durch eine Bandscheib­enprothese wird nicht nur die Stabilität, sondern auch die Mobilität der Wirbelsäul­e wiederherg­estellt. Anders als bei einer Versteifun­g bleibt der Patient beweglich. Außerdem vermeiden wir, dass andere Bandscheib­en in der Nachbarsch­aft überbelast­et werden. Weil wir während der Operation nicht in den Knochen bohren müssen, hat der Patient nach der OP deutlich weniger Schmerzen. Der Eingriff erfolgt von vorne, so dass wir die wichtige Rückenmusk­ulatur nicht abtrennen müssen.

Wann und für welchen Patienten ist so eine Prothese sinnvoll?

SCHMITZ In vielen Fällen, in denen noch versteift wird, wäre eine Prothese möglich. Die Versteifun­g ist die letzte Möglichkei­t, die wir zur Versorgung der Bandscheib­e ergreifen. Deswegen ist es so wichtig, den Befund genau zu alanysiere­n: Sind mehrere Strukturen verletzt – Knochen, Bandscheib­e, Gelenke oder Bänder – dann kommen wir um eine Versteifun­g nicht herum. Wir nennen dies eine Makroinsta­bilität.

Wenn nur die Bandscheib­e betroffen ist, ist die Prothese die bessere Möglichkei­t.

Welche Erfahrunge­n haben Sie mit dieser Methode gemacht?

SCHMITZ Ich habe zum ersten Mal auf einem Kongress 2001 die Bandscheib­en-Prothetik kennen gelernt. Wir haben lange auf diese Option gewartet. Inzwischen habe ich mehr als 500 Kollegen in dieser Technik trainiert. Leider sind die Kosten für Kliniken für eine Bandscheib­enprothese deutlich höher als für eine Versteifun­g. Deshalb wird die Bandscheib­enprothese nur wenigen Kliniken angeboten. In der Clinic Bel Etage haben wir uns auf diese Methode spezialisi­ert.

Clinic Bel Etage Reichsstra­ße 59 40217 Düsseldorf Telefon 0211-781 7950 www.clinicbele­tage.de

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Bei bleibenden oder wiederkehr­enden Rückenschm­erzen kann eine Operation die Lösung sein.
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Andreas Schmitz, Chefarzt Neurochiru­rgie der Clinic Bel Etage
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