Ambulante Entbindungen nehmen zu
Weil immer mehr Frauen wegen der Corona-Pandemie ambulant in Kliniken entbinden müssen, steigt die Nachfrage nach Hebammen. Diese sorgen sich vor allem bei Erstgebärenden um die Betreuung von Mutter und Neugeborenen.
DÜSSELDORF/KREFELD Simone Philipsenburg-Benger kann sich nicht über mangelnde Arbeit beklagen. Das Auftragsbuch der Krefelder Hebamme ist sehr voll. „Werdende Eltern haben Hebammen wie mich weit vor der Krise angefragt. Und diese Termine finden natürlich statt“, sagt Philipsenburg-Benger vom NRW-Landesverband der Hebammen. Hinzu kämen jetzt allerdings kurzfristig sehr viele Anfragen von Frauen, die derzeit nur ambulant entbinden können. „Viele derjenigen, die jetzt zum ersten Mal gebären, sind natürlich verunsichert, wenn sie schon wenige Stunden nach der Geburt nach Hause geschickt werden“, sagt sie.
Wegen des Coronavirus können viele Frauen mit ihrem Neugeborenen nach der Geburt nicht mehr wie sonst üblich für einige Tage im Krankenhaus bleiben, sondern werden gebeten, die Einrichtung aus Sicherheitsgründen möglichst noch am selben Tag wieder zu verlassen. „Wichtige Ratschläge und Handgriffe, die Mütter und Väter sonst in der Zeit vom Klinikpersonal erhalten und gezeigt bekommen, fallen deshalb weg“, sagte die Krefelder Hebamme. „Gerade für Frauen, die zum ersten Mal entbinden, kann das zu einem Problem werden, wenn sie keine Hebamme haben, die sie zu Hause betreut“, sagt Philipsenburg-Benger. „Hinzu kommt ja auch noch, dass wegen Corona eine Kontaktsperre besteht und man die Großeltern nicht hinzuziehen soll“, sagt sie. Wie viele Frauen nach der Entbindung jetzt ohne professionelle Hilfe dastehen, kann Philipsenburg-Benger nur schätzen. „Es gibt keine Zahlen darüber, aber es dürften sehr viele sein, möglicherweise jede Zweite“, vermutet sie.
Die Krankenhäuser wissen um das Problem. Manche bieten deshalb andere Möglichkeiten zur Nachsorge an. Wer zum Beispiel im Düsseldorfer Florence-Nightingale-Krankenhaus
Simone Philipsenburg-Benger ist Mitglied im NRW-Landesverband.
sein Kind zur Welt bringt, kann anschließend die Hilfe der Kaiserswerther Diakonie in Anspruch nehmen. Im Sozialpädiatrischen Zentrum (SPZ) untersucht ein Facharzt der Klinik für Kinderheilkunde am dritten Lebenstag das Neugeborene, das mindestens 48 Stunden alt ist, einschließlich Stoffwechseltest und Hörscreening (Untersuchung U2). Eine Hebamme untersucht die Mutter (Wochenbettkontrolle) und beantwortet alle Fragen rund ums Stillen. Die Terminvergabe für die ambulante Nachsorge erfolgt durch die Hebammen direkt nach der Entbindung. Das Krankenhaus betont, dass das Angebot nur für Frauen gilt, die ihr Kind im Florence-Nightingale-Krankenhaus zur Welt gebracht haben.
Die Düsseldorfer Hebamme Norma Glawar kann bestätigen, dass Hebammen händeringend gesucht werden. „Das war ja schon vor der Corona-Krise so. Aber jetzt ist es nochmal mehr geworden“, sagt sie. Die meisten werdenden Eltern muss sie allerdings vertrösten – insbesondere in zentralen Innenstadtlagen. „Dort finden wir einfach keine Parkplätze mehr. Wegen der Corona-Krise bleiben die meisten Leute zu Hause, deshalb fehlen die Parkmöglichkeiten“, sagt sie. Sie selbst habe allein in den vergangenen Tagen
drei Knöllchen bekommen. Und das, obwohl sie eine Ausnahmegenehmigung fürs Parken – einen Hinweis, dass sie Hebamme ist und sich im Einsatz befindet, sowie ihre Handynummer – sichtbar im Auto hinterlegt hatte. „Das Ordnungsamt ist sofort da, schreibt auf und droht mit Abschleppen. Das ist eine Frechheit“, sagt die Düsseldorfer Hebamme. Sie kenne bereits mehrere Kolleginnen, die deshalb vorübergehend nicht mehr arbeiteten. „Wir sind angehalten, nur noch kurz bei der jeweiligen Familie zu sein, etwa 20 Minuten. Wenn wir aber erst eine halbe Stunde lang einen Parkplatz suchen müssen, der dann auch noch weit entfernt ist, steht das in keinem Verhältnis mehr“, kritisiert Glawar.
Einige Hebammen bieten mittlerweile Sprechstunden mit Videoschaltungen an. „Statt wie bisher Schwangere oder Mütter und ihre Kinder direkt in ihrem Zuhause aufzusuchen, können Hebammen per Videotelefonie beraten“, heißt es in einer Mitteilung des Spitzenverbandes der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV). Das Angebot gilt auch für Frauen, die Hilfe bei Beschwerden in der Schwangerschaft benötigen. „Damit kann man natürlich nicht die Hebamme vor Ort ersetzen, aber auf diese Weise können nützliche Tipps gegeben und Fragen beantwortet werden“, sagt eine Sprecherin des Landesverbandes der Hebammen.
Grundsätzliche Anweisungen und Regelungen zur ambulanten Entbindung gibt es nicht. Schwangeren wird geraten, sich in ihren Geburtskliniken vor Ort über die jeweiligen Regelungen zu informieren – am besten auf den Internetseiten der Kliniken. Dort ist auch hinterlegt, ob Partner oder Begleitpersonen mit in den Kreißsaal dürfen.