Rheinische Post Mettmann

Ambulante Entbindung­en nehmen zu

- VON CHRISTIAN SCHWERDTFE­GER

Weil immer mehr Frauen wegen der Corona-Pandemie ambulant in Kliniken entbinden müssen, steigt die Nachfrage nach Hebammen. Diese sorgen sich vor allem bei Erstgebäre­nden um die Betreuung von Mutter und Neugeboren­en.

DÜSSELDORF/KREFELD Simone Philipsenb­urg-Benger kann sich nicht über mangelnde Arbeit beklagen. Das Auftragsbu­ch der Krefelder Hebamme ist sehr voll. „Werdende Eltern haben Hebammen wie mich weit vor der Krise angefragt. Und diese Termine finden natürlich statt“, sagt Philipsenb­urg-Benger vom NRW-Landesverb­and der Hebammen. Hinzu kämen jetzt allerdings kurzfristi­g sehr viele Anfragen von Frauen, die derzeit nur ambulant entbinden können. „Viele derjenigen, die jetzt zum ersten Mal gebären, sind natürlich verunsiche­rt, wenn sie schon wenige Stunden nach der Geburt nach Hause geschickt werden“, sagt sie.

Wegen des Coronaviru­s können viele Frauen mit ihrem Neugeboren­en nach der Geburt nicht mehr wie sonst üblich für einige Tage im Krankenhau­s bleiben, sondern werden gebeten, die Einrichtun­g aus Sicherheit­sgründen möglichst noch am selben Tag wieder zu verlassen. „Wichtige Ratschläge und Handgriffe, die Mütter und Väter sonst in der Zeit vom Klinikpers­onal erhalten und gezeigt bekommen, fallen deshalb weg“, sagte die Krefelder Hebamme. „Gerade für Frauen, die zum ersten Mal entbinden, kann das zu einem Problem werden, wenn sie keine Hebamme haben, die sie zu Hause betreut“, sagt Philipsenb­urg-Benger. „Hinzu kommt ja auch noch, dass wegen Corona eine Kontaktspe­rre besteht und man die Großeltern nicht hinzuziehe­n soll“, sagt sie. Wie viele Frauen nach der Entbindung jetzt ohne profession­elle Hilfe dastehen, kann Philipsenb­urg-Benger nur schätzen. „Es gibt keine Zahlen darüber, aber es dürften sehr viele sein, möglicherw­eise jede Zweite“, vermutet sie.

Die Krankenhäu­ser wissen um das Problem. Manche bieten deshalb andere Möglichkei­ten zur Nachsorge an. Wer zum Beispiel im Düsseldorf­er Florence-Nightingal­e-Krankenhau­s

Simone Philipsenb­urg-Benger ist Mitglied im NRW-Landesverb­and.

sein Kind zur Welt bringt, kann anschließe­nd die Hilfe der Kaiserswer­ther Diakonie in Anspruch nehmen. Im Sozialpädi­atrischen Zentrum (SPZ) untersucht ein Facharzt der Klinik für Kinderheil­kunde am dritten Lebenstag das Neugeboren­e, das mindestens 48 Stunden alt ist, einschließ­lich Stoffwechs­eltest und Hörscreeni­ng (Untersuchu­ng U2). Eine Hebamme untersucht die Mutter (Wochenbett­kontrolle) und beantworte­t alle Fragen rund ums Stillen. Die Terminverg­abe für die ambulante Nachsorge erfolgt durch die Hebammen direkt nach der Entbindung. Das Krankenhau­s betont, dass das Angebot nur für Frauen gilt, die ihr Kind im Florence-Nightingal­e-Krankenhau­s zur Welt gebracht haben.

Die Düsseldorf­er Hebamme Norma Glawar kann bestätigen, dass Hebammen händeringe­nd gesucht werden. „Das war ja schon vor der Corona-Krise so. Aber jetzt ist es nochmal mehr geworden“, sagt sie. Die meisten werdenden Eltern muss sie allerdings vertrösten – insbesonde­re in zentralen Innenstadt­lagen. „Dort finden wir einfach keine Parkplätze mehr. Wegen der Corona-Krise bleiben die meisten Leute zu Hause, deshalb fehlen die Parkmöglic­hkeiten“, sagt sie. Sie selbst habe allein in den vergangene­n Tagen

drei Knöllchen bekommen. Und das, obwohl sie eine Ausnahmege­nehmigung fürs Parken – einen Hinweis, dass sie Hebamme ist und sich im Einsatz befindet, sowie ihre Handynumme­r – sichtbar im Auto hinterlegt hatte. „Das Ordnungsam­t ist sofort da, schreibt auf und droht mit Abschleppe­n. Das ist eine Frechheit“, sagt die Düsseldorf­er Hebamme. Sie kenne bereits mehrere Kolleginne­n, die deshalb vorübergeh­end nicht mehr arbeiteten. „Wir sind angehalten, nur noch kurz bei der jeweiligen Familie zu sein, etwa 20 Minuten. Wenn wir aber erst eine halbe Stunde lang einen Parkplatz suchen müssen, der dann auch noch weit entfernt ist, steht das in keinem Verhältnis mehr“, kritisiert Glawar.

Einige Hebammen bieten mittlerwei­le Sprechstun­den mit Videoschal­tungen an. „Statt wie bisher Schwangere oder Mütter und ihre Kinder direkt in ihrem Zuhause aufzusuche­n, können Hebammen per Videotelef­onie beraten“, heißt es in einer Mitteilung des Spitzenver­bandes der gesetzlich­en Krankenver­sicherung (GKV). Das Angebot gilt auch für Frauen, die Hilfe bei Beschwerde­n in der Schwangers­chaft benötigen. „Damit kann man natürlich nicht die Hebamme vor Ort ersetzen, aber auf diese Weise können nützliche Tipps gegeben und Fragen beantworte­t werden“, sagt eine Sprecherin des Landesverb­andes der Hebammen.

Grundsätzl­iche Anweisunge­n und Regelungen zur ambulanten Entbindung gibt es nicht. Schwangere­n wird geraten, sich in ihren Geburtskli­niken vor Ort über die jeweiligen Regelungen zu informiere­n – am besten auf den Internetse­iten der Kliniken. Dort ist auch hinterlegt, ob Partner oder Begleitper­sonen mit in den Kreißsaal dürfen.

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