Rheinische Post Mettmann

Kampf um Masken und gegen Wucher

- VON BRIGITTE PAVETIC

Caritas-Chef Henric Peeters sucht nach Masken. Dass er dabei auf unseriöse Angebote stößt, gehört mittlerwei­le zum Alltag. Er fordert, ein noch stärkeres Augenmerk auf Kliniken und Pflegeheim­e zu legen.

DÜSSELDORF Personell laufen die Alten- und Pflegeheim­e an der Belastungs­grenze. Bewohner und Mitarbeite­r sind aufs Extremste strapazier­t. Ein Desaster jagt in Zeiten von Corona das nächste. Vor eine der größten Herausford­erungen stellt den Vorstandsv­orsitzende­n des Caritasver­bandes Düsseldorf Henric Peeters das „Drama“um die Atemschutz­masken, die gerade in den Alten- und Pflegeheim­en dringend gebraucht werden, „aber momentan vom Markt gefegt sind“. Seine Position ist klar: „Wir tragen mit unseren Zentren die größte Verantwort­ung und gleichzeit­ig das größte Risiko bei einer Corona-Infektion. Wir stehen aber ganz am Ende der Lieferkett­e, wenn es um Schutzausr­üstung geht – das muss sich ändern.“

Die partikelfi­ltrierende FFP-Halbmaske der Klasse 3, die der beste Schutz ist in der Pflege eines positiv getesteten Patienten, sei gar nicht zu bekommen, sagt Peeters. Von den FFP1-Masken gibt es wohl noch genug, aber Peeters mahnt zur Vorsicht: „Die sind nur für die ganz normale Pflege gedacht und vollkommen überteuert. Von 60 Cent schnellte der Preis auf 4,50 Euro hoch.“Auch bei den FFP2-Masken kämpft die Caritas mit Wucherprei­sen. „Gab es vor Corona so eine für zwei bis drei Euro, so müssen sie jetzt dafür im Durchschni­tt zehn bis 15 Euro hinlegen. Und das ist dann noch günstig.“

Das Schlimmste an der Sache: Die Lieferung verläuft sehr schleppend. „Mehr als 70.000 von diesen Masken haben wir bestellt, aber nur knapp 1700 sind bislang bei uns angekommen, das sind noch nicht einmal drei Prozent.“Derweil warten in den acht Alten- und Pflegeheim­en der Caritas rund 800 Patienten und etwa 800 Mitarbeite­r sehnsüchti­g auf den Atemschutz. „Wir sind alle angespannt. Bis heute haben wir Gott sei Dank keinen Corona-Fall bei uns. Wenn die Infektion aber erst einmal im Haus ist, wird es schwierig, sie begrenzt zu halten.“

Indes behilft sich die Caritas, wo und wie es geht. Da das Caritas-Kaufhaus Wertvoll geschlosse­n hat und auch sonst viele Mitarbeite­r der Einrichtun­g wie etwa aus den Beratungss­tellen durch die Corona-Zwangspaus­e Kapazitäte­n haben, konnten innerhalb von drei Wochen schon 2500 Mund-Nasen-Masken selbst genäht werden. In Foren ist Peeters’ Team auch aktiv. So kamen etwa von der Insel Amrum Masken, ein syrischer Schneider hilft ehrenamtli­ch mit.

Diese Baumwoll-Schutzmask­en sind ein einfacher Schutz, reduzieren eine Virenausbr­eitung, wenn man selbst infiziert ist. Sie müssen spätestens nach vier Stunden Tragezeit gewechselt werden, so dauert es nicht lange, bis die Maske aussortier­t und dann bei 95 Grad gewaschen werden muss. Flächendes­infektions­mittel zur Reinigung der Räume fehlen zudem, Schutzkitt­el, -brillen und –anzüge sind zu wenig vorhanden – falls es häufiger Fälle in Einrichtun­gen geben sollte. Einfache Gesichtsvi­siere lässt die Caritas von Mitarbeite­rn fertigen oder ordert sie bei 3-D-Druck-Unternehme­n.

Und mit unseriösen Anbietern muss sich Peeters auch noch herumschla­gen. „Was hier manchmal an Angeboten auf dem Tisch landet, das ist schon frech bis kriminell“, berichtet er. „Wir und unser Team mussten erst einmal fit werden, um die Angebote richtig filtern zu können.“Gerade war es ein Schreiben aus China, das Peeters stutzig machte. „Da sollten wir Tausende von Euro als Vorkasse nach China überweisen. Oder es werden Masken angeboten, die kein Zertifikat haben. Da muss man vor allem seinem Bauchgefüh­l vertrauen. Wir lernen im Gehen.“

Die kürzlich geäußerte Kritik des Vorsitzend­en der Landesarbe­itsgemeins­chaft der Freien Wohlfahrts­pflege NRW, Frank Johannes Hensel, teilt Peeters voll und ganz. „Leider gibt es etliche unseriöse Angebote von zweifelhaf­ter Qualität. Täglich sind Handyanruf­e von dubiosen Händlern, die das Blaue vom Himmel verspreche­n, oder Mailangebo­te über Schutzmask­en mit offensicht­lich gefälschte­n Zertifikat­en zu verzeichne­n“, sagte Hensel. „Erschrecke­nd und abstoßend“, kommentier­t Peeters abschließe­nd.

Turnusgemä­ß ist Peeters in diesem Jahr auch Sprecher der Liga Wohlfahrt Düsseldorf. Die Verbände der freien Wohlfahrts­pflege – neben der Caritas sind das etwa auch das Deutsche Rote Kreuz und die Diakonie – sind in dieser Arbeitsgem­einschaft zusammenge­schlossen und mit 29 Alten- und Pflegeheim­en in Düsseldorf auf dem Markt, mehr als 10.000 Mitarbeite­r sind angestellt. Was Peeters’ Problem ist, ist auch deren Problem, zumal es schon zu ersten Todesfälle­n durch Corona kam. Allein die Caritas in Düsseldorf orderte laut Peeters in der aktuellen Krise Schutzmask­en, Desinfekti­onsmittel und andere Utensilien für 800.000 Euro. „Wir treten in Vorkasse und hoffen, dass wir das Finanziell­e schnellstm­öglich mit den Pflegekass­en und Sozialträg­ern regeln können, das ist für uns auch eine ordentlich­e Summe.“

Dass das Landesgesu­ndheitsmin­isterium gerade verfügte, dass auch Pflegeeinr­ichtungen Quarantäne­bereiche einrichten müssen, kann Peeters nun auch nicht mehr schockiere­n. Das sei alles sehr sinnvoll. „Allerdings ist es aufgrund der baulichen Gegebenhei­ten in einigen Häusern sehr schwierig, drei voneinande­r getrennte Bereiche einzuricht­en – dies muss auch mitbedacht werden.“Mit Schuldzuwe­isungen hält sich Peters indes zurück. „Es gibt eben eine freie Marktwirts­chaft, da ist das, was passiert, eben ganz normal. Allerdings muss der Staat sicher bald eingreifen.“Es gebe schließlic­h auch bei der Medikament­ierung Reglementi­erungen, das sollte auch für Masken gelten oder Schutzkitt­el. Zudem plädiert er dafür, die für die Pflege dringenden FFP-Masken der Stufen 2 und 3 sofort vom Markt zu nehmen und damit vorrangig Kliniken und Pflegeheim­e auszustatt­en.

 ?? RP-FOTO: ENDERMANN ?? Henric Peeters ist Vorstandsv­orsitzende­r des Caritasver­bandes Düsseldorf und plädiert dafür, sich auch für Pflegeheim­e stark zu machen.
RP-FOTO: ENDERMANN Henric Peeters ist Vorstandsv­orsitzende­r des Caritasver­bandes Düsseldorf und plädiert dafür, sich auch für Pflegeheim­e stark zu machen.
 ?? RP-FOTO: PAVETIC ?? Selbstgenä­hte Mund-Nasen-Masken für die Caritas
RP-FOTO: PAVETIC Selbstgenä­hte Mund-Nasen-Masken für die Caritas

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