Recyclinghof öffnen – oder doch lieber nicht?
Im Moment ist nur Abstand Ausdruck von Fürsorge, und diese von höchster Stelle verordnete Distanz betrifft alle Lebensbereiche. Weil die Nähe gerade einen schweren Stand hat und nicht systemrelevante Begegnungen im Risikobereich von unter zwei Metern eingeschränkt sind – und das ist ein Euphemismus, denn tatsächlich sind Begegnungen nicht bloß eingeschränkt, sondern auf ein Minimum reduziert – muss der Mensch sich anders beschäftigen. Quasi vereinsamt und nur noch mit modernen Medien verbunden, kommt es also bei vielen zu Betriebsamkeit mit Putzund Aufräumarbeiten. Vielleicht ist das nicht mal bloß dem Corona-Blues geschuldet; es ist Frühling, die Sonne scheint und es ist außerdem traditionelle Zeit des sogenannten Frühjahrputzes. Vieles wird ausrangiert. Und dieser Müll will an die ökologisch korrekten Adressen verbracht werden. Eine davon ist der Recyclinghof. Natürlich ist es richtig und wichtig, die hier arbeitenden Menschen vor Ansteckung mit dem Coronavirus zu schützen. Deshalb muss der Betrieb nicht lahm gelegt werden, er funktioniert auch mit Einschränkungen und unter Beachtung der Hygienevorschriften: Besucher halten Abstand, die Mitarbeiter verzichten auf Hilfe beim Entladen. Recyclinghöfe sind ein wichtiger Beitrag für Umweltschutz und Nachhaltigkeit. Auch in der Corona-Krise.
Valeska von Dolega
Viele Bürger haben sich in den vergangenen Wochen bei der Stadt beschwert, dass der Recyclinghof geschlossen hat. Der Druck schien groß: Genau jetzt haben die Menschen Zeit, ihre Gärten zu beackern, und genau jetzt wollen sie auch ihren Grünschnitt loswerden, damit auf der eigenen Scholle alles schön sauber und aufgeräumt aussieht. Wir sprechen also über ein Luxusproblem, über einen Anspruch, der dann, wenn ein hoch ansteckendes Virus grassiert, so nicht mehr einzuhalten ist. Denn nicht zu Unrecht argumentiert die Stadt, dass nicht nur die Mitarbeiter einem großen Risiko ausgesetzt sind, sondern auch die Bürger selbst, die im Eifer
des Gefechts womöglich alle Zwei-Meter-Grenzen vergessen und sich im zu erwartenden Gemenge zu nahe kommen als gewünscht. Es ist also nachvollziehbar, dass der Bauhof eine wohl überlegte Lösung herbeiführen muss, deren Konzeption einfach nur etwas Zeit braucht. Zeit, die Hobby-Gärtner dazu nutzen können, sich über ökologisches Grün zu informieren – Reisighaufen als Heimstatt für Igel und Insekten gehören genauso dazu wie ein ordentlicher Komposthaufen. Schließlich hat die Corona-Krise die Erfordernisse von Natur- und Klimaschutz nicht ausgehebelt.
Alexandra Rüttgen