Rheinische Post Mettmann

Wirte wollen eigenes Rettungspa­ket

Die gebeutelte Gastro-Branche fordert dringend weitreiche­nde Staatshilf­en.

- VON JÖRG ISRINGHAUS UND UWE-JENS RUHNAU

WESEL Für Ullrich Langhoff ist es schwer nachzuvoll­ziehen, warum sein Restaurant Lippeschlö­sschen in Wesel weiter geschlosse­n bleiben muss. „Ich bin schwer davon ausgegange­n, dass wir in abgespeckt­er Form öffnen dürfen“, sagt er. Er und sein Team seien gut vorbereite­t gewesen, hätten etwa auch Mundschutz genäht, nun drohe wegen der andauernde­n Verdiensta­usfälle eine „ruinöse Situation“.

Langhoff steht nicht alleine da. Da die Regierung für die Branche noch keine Lockerung der Corona-Maßnahmen vorsieht, schwanke die Stimmung der Wirte zwischen Ohnmacht und Hilflosigk­eit, sagt Thorsten Hellwig, Sprecher des Deutschen Hotel- und Gaststätte­nverbands (Dehoga) NRW. „Wirtschaft­lich ist die Situation schon jetzt maximal prekär“, erklärt Hellwig. „Wenn das Angebot von Hotellerie und Gastronomi­e in den Städten und auf dem Land aufrechter­halten werden soll, brauchen wir ein zusätzlich­es Rettungspa­ket für das Gastgewerb­e.“

Denn auch eine potentiell­e Lockerung der Maßnahmen bedeute nicht, dass es sofort aufwärts gehe. Es gelte weiter, Hygienereg­eln wie etwa den Mindestabs­tand einzuhalte­n. Das bedeute aber, dass Restaurant­s ihr Platzangeb­ot um die Hälfte reduzieren müssen. „Ob sich das rentiert, ist ungewiss“, sagt Hellwig. Dazu komme ein möglicherw­eise veränderte­s Gästeverha­lten, denn viele Menschen würden aus Angst vor einer Ansteckung vielleicht Lokale meiden. Eine Perspektiv­e, die den Gastronome­n große Sorgen bereitet. „Normale Umsätze werden wohl auf Monate hinaus nicht zu erreichen sein“, erklärt Hellwig.

Das befürchtet auch Thomas Demske, Inhaber des Brauereiau­sschanks am Zoo (B.A.Z.) in Düsseldorf. Im Außenberei­ch könne er vielleicht mit der Hälfte der Tische kostendeck­end arbeiten, im Innenberei­ch nicht. Wie der Dehoga fordert Demske daher ein eigenes Rettungspa­ket, das über die bestehende Soforthilf­e hinausgeht und Steuererle­ichterunge­n in Form eines reduzierte­n Mehrwertst­euersatzes. Ansonsten würden tausende

Michael Schnitzler ist der Baas des „Uerige“in Düsseldorf. Pleiten drohen. „Machen wir uns nichts vor“, sagt Demske, „viele Betriebe werden das nicht schaffen.“

Auch Kerstin Schwan, die in Düsseldorf und Neuss fünf Restaurant­s betreibt, ist frustriert. „Es ist unerträgli­ch, wie mit uns umgegangen wird“, sagt sie, „man gibt uns keine Perspektiv­e.“Der Düsseldorf­er Uerige-Baas Michael Schnitzler fragt sich, warum Friseure, die im Vollkontak­t eine halbe Stunde an einem Kunden arbeiteten, bald wieder öffnen dürften, die Gastronome­n jedoch nicht. „In der Corona-Krise zeigt sich erneut die übliche Geringschä­tzung der Gastronomi­e.“Nicht ernst genommen von der Regierung fühlen sich auch Langhoff und Demske – ihre Soforthilf­en seien seit zwei Wochen bewilligt, das dringend benötigte Geld sei aber immer noch nicht überwiesen.

Momentan bleiben Restaurant­s nur Lieferserv­ices, um minimale Einnahmen zu generieren. Etwa ein Viertel der Gastronome­n bieten solche Dienste an. „Finanziell ist das zwar nebensächl­ich“, sagt Hellwig, „aber es hilft, die Passivität zu überwinden.“Deshalb hat der Dehoga auch die Internet-Plattform www.dein-lokal-nebenan.de ins Leben gerufen, auf der Gastronome­n mit Lieferserv­ice kostenlos ihre Angebote präsentier­en können. Für „B.A.Z.“-Wirt Demske lohnt sich das nicht: Er fährt Blumen aus, um überhaupt etwas zu verdienen.

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FOTO: BRETZ

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