Rheinische Post Mettmann

Deutscher Filmpreis ohne Glanz verliehen

- VON MARTIN SCHWICKERT

BERLIN Das Wichtigste an einer Preisverle­ihung ist nicht die Trophäe, die man überreicht bekommt. Auch nicht die Geldsumme, die man gewinnt. Das Wichtigste ist der Applaus. Denn in ihm spiegelt sich jene Anerkennun­g wieder, ohne die keine künstleris­che Arbeit auskommt. Doch der Applaus musste ausbleiben bei dieser 70.Verleihung des Deutschen Filmpreise­s.

Ausgerechn­et zum Jubiläum machte das Virus den Veranstalt­ern der Filmgala einen Strich durch die Rechnung. Smoking und Abendkleid blieben im Schrank, aber eine Absage kam für die Filmakadem­ie nicht infrage. Und so tanzt Moderator Edin Hasanovic allein durch die RBB-Halle in Adlershof, moderiert über zwei Stunden lang um sein Leben. Auch die besseren unter den lauen Pointen verpuffen in der Leere des Raums. Die meisten Laudatoren von Anke Engelke bis Giovanni di Lorenzo werden per Video auf die Leinwand gebracht.

Die Nominierte­n sind im Konferenzm­odus auf der Leinwand zu sehen. Wer hätte gedacht, dass sich eine Filmpreisg­ala mal wie Home-Office anfühlen würde? Bei der elfjährige­n Helena Zengel spürt man dennoch die ganze Wucht der Freude, wenn sie für ihre Rolle in „Systemspre­nger“als beste Hauptdarst­ellerin ausgezeich­net wird. Sie ist die jüngste Preisträge­rin in der Geschichte der Akademie, und ihr Film gehört in sieben weiteren Kategorien zum großen Sieger des denkwürdig­en Abends. Die Goldene Lola für die beste Produktion ging ebenso an das Drama um ein schwererzi­ehbares Kind wie die Preise für Regie, Drehbuch, männliche und weibliche Nebenrolle, Schnitt und Tongestalt­ung.

Auf dem zweiten Platz landete Burhan Qurbanis modernisie­rte Döblin Verfilmung „Berlin Alexanderp­latz“mit der Silbernen Lola und vier weiteren Preisen. Als Bindeglied zwischen den beiden Siegerfilm­en wurde Albrecht Schuch als bester Nebendarst­eller für „Systemspre­nger“und bester Hauptdarst­eller in „Berlin Alexanderp­latz“gefeiert. Vom engagierte­n Sozialarbe­iter bis zum selbsterna­nnten Unterweltk­önig zeigt Schuch die Bandbreite seines Könnens, die gleichzeit­ig für die Vielfalt des deutschen Kinos im letzten Produktion­sjahr steht.

„Systemspre­nger“und „Berlin Alexanderp­latz“– zwei großartige Kinoerlebn­isse, die Standing Ovations verdient hätten.

Newspapers in German

Newspapers from Germany