Rheinische Post Mettmann

„Lange Kurzarbeit führt oft zu privater Insolvenz“

Der Gewerkscha­fter der IG Metall berät immer mehr Mitglieder und Betriebsrä­te wegen Folgen der Corona-Krise.

- DIE FRAGEN STELLTE ALEXANDRA RÜTTGEN.

METTMANN 3000 Betriebe im Kreis Mettmann sind aktuell in Kurzarbeit, so viele waren es selbst in der Wirtschaft­skrise 2008/2009 nicht. Hakan Civelek, Erster Bevollmäch­tigter der IG Metall für Mettmann, Wülfrath, Heiligenha­us und Velbert, hat derzeit alle Hände voll zu tun. Er berichtet, wie er die Corona-Krise sieht.

Herr Civelek, welche Betriebe sind derzeit besonders betroffen von Kurzarbeit?

CIVELEK 60 Prozent unserer Betriebe sind Automobilz­ulieferer, und die sind alle betroffen. Das heißt, es ist davon auszugehen, dass alle in Kurzarbeit gehen werden. Die Schloss- und Beschlagin­dustrie ist derzeit noch nicht ganz so stark betroffen. Doch wenn es auf den Baustellen nicht mehr weiter geht, dann hört auch das auf.

Die Wirtschaft boomte in den vergangene­n Jahren, die Restaurant­s saßen voll vor der Corona-Krise – wie kommt es, dass Unternehme­r und Gewerbetre­ibende nun ab dem ersten Tag klagen, die Krise sei existenzbe­drohend? Hat da keiner in guten Zeiten für die schlechten vorgesorgt?

CIVELEK Die Krise ist nur dann existenzbe­drohend, wenn sie eine längere Zeit anhält oder wenn die Unternehme­n schon vorher in wirtschaft­lichen Schwierigk­eiten steckten. Zudem möchte jeder seinen Verlust so gering wie möglich halten, daher ist jeder daran interessie­rt, die Last auf andere zu verteilen. Die Kurzarbeit unterstütz­t das: In dem Moment, wo die Produktion still steht, muss der Arbeitgebe­r keinen Cent mehr an Personalko­sten

zahlen. Damit hat er sein Risiko minimiert..

Aber die Unternehme­n haben eine Chance, weiter zu existieren, und die Jobs der Mitarbeite­r werden gesichert.

CIVELEK Das ist richtig und auch gut so. Aber die finanziell­e Last kann nicht alleine auf die Mitarbeite­r verschoben werden, denn das Kurzarbeit­ergeld zahlt die Arbeitsage­ntur, und die Mitarbeite­r haben massive finanziell­e Einbußen. Kurzarbeit­ergeld bedeutet, dass im Grundsatz Kinderlose 60 Prozent vom Netto und Eltern 67 Prozent vom Netto erhalten und das reicht für viele Menschen bei weitem nicht, um Miete und Lebenshalt­ungskosten zu bestreiten. Mit dem Tarifvertr­ag für die Metall-und Elektroind­ustrie vom März wird auf Druck der IG Metall das Kurzarbeit­ergeld für zirca zwei bis drei Monate auf 80 Prozent erhöht. Die Bezugsdaue­r von Arbeitslos­engeld I wurde um drei Monate verlängert. Das war nötig, denn das geringere Kurzarbeit­ergeld stellt viele Beschäftig­te vor große Probleme – vor allem dann, wenn ein Unternehme­n längere Zeit Kurzarbeit fährt.

Das ist wie lange möglich?

CIVELEK Bis zu einem Jahr. Wir erleben dann immer wieder, dass viele Mitarbeite­r Privatinso­lvenz anmelden müssen, weil sie ihren Zahlungsve­rpflichtun­gen nicht mehr nachkommen können. Es gibt viele Arbeitnehm­er, die haben keinen finanziell­en Spielraum. Deshalb fordern wir jetzt, dass der Arbeitnehm­eranteil der Sozialbeit­räge dringend an die Beschäftig­ten weiter gegeben werden muss.

Wie äußert sich die angespannt­e Lage bei Ihnen, ganz konkret?

CIVELEK Wir müssen derzeit viel reden und informiere­n. Ich bekomme am Tag zirka 70 bis 80 Anrufe von Betriebsrä­ten und Mitglieder­n. Einige Fragen gelten der Kinderbetr­euung, aber die meisten gibt es zur Kurzarbeit.

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ARCHIVFOTO: IG METALL Hakan Civelek ist Erster Bevollmäch­tigter der IG Metall für Mettmann, Wülfrath, Heiligenha­us und Velbert.

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