Rheinische Post Mettmann

Eine Reise durch Fortunas Historie

Vieles in der Geschichte des Klubs ist belegbar, manches aber auch nicht – wie zum Beispiel das Gründungsd­atum.

- VON PATRICK SCHERER Der Name Die Wurzeln Das Stadion

DÜSSELDORF Wer über Fortunas Vergangenh­eit spricht, bezieht sich häufig auf das Sportliche, auf die Pokalsiege und Europapoka­lnächte in den 1970er und 1980er Jahren. Auf das, was man durchaus als jüngere Vergangenh­eit bezeichnen kann. Denn der Gesamtvere­in existiert ja bereits viel länger – angeblich seit 125 Jahren, seit dem 5. Mai 1895. Beweisen kann das allerdings niemand. Der Klub brachte zuletzt viel Zeit dafür auf, seine Geschichte aufzuarbei­ten. Ende des Jahres soll das Ergebnis veröffentl­icht werden: eine 600 Seiten starke Jubiläumss­chrift mit vielen bisher unbekannte­n Details. Wir haben zusammen mit Tom Koster, der sich bei Fortuna um den Bereich Corporate Social Responsibi­lity und das Archiv kümmert, schon einmal eine kleine Reise in die Vergangenh­eit gewagt.

Das Gründungsd­atum Fest steht: Es gibt keinen Beleg für dieses Datum, keinerlei Protokoll, keine Urkunde – oder irgendetwa­s anderes, womit sich ein Datum verifizier­en lassen würde. Nicht einmal in der Festschrif­t von 1925 – sicherheit­shalber feierte man damals aber schon mal das 30-Jährige – findet sich ein konkreter Nachweis. Immerhin erwähnte der Chronist der Schrift den Januar 1896, in dem eine Versammlun­g von Turnern stattfand. Vielleicht müsste es also gar F96 statt F95 heißen. Aufschluss könnte die Urfahne bringen, die lange als verscholle­n galt und seit 1995 im Stadtmuseu­m hängt. Sie wurde erstmals 1897 in Flingern durch die Luft gewirbelt – an der Lindenstra­ße vor der Gaststätte Becker. Die Fahne ist nach dem Ersten Weltkrieg umgearbeit­et worden, als – nach einigen Fusionen – die Fortuna, wie wir sie heute kennen, aus der Taufe gehoben wurde. Dabei hat man einfach die Ur-Fahne genommen und neue Applikatio­nen aufgebrach­t – so heißt es zumindest. Um die Wahrheit ans Licht zu bringen, müsste man die Fahne auftrennen – das wäre allerdings in konservato­rischer Hinsicht frevelhaft. Dass sich „die Fortuna“in ihrem Gründungs-Selbstvers­tändnis zwischenze­itlich auch mal auf das Jahr 1911 bezog, lässt sich an einer erst vor einigen Jahren zufällig aufgetauch­ten Ehrenurkun­de aus dem Jahr 1936 ausmachen: Die erhielt Wilfried Schack – nachweisli­ch einer der ersten Fußballer des Vereins – für seine 25-jährige Mitgliedsc­haft.

Der Name Fortuna soll angeblich von einer Brotfabrik kommen. Allein: Für ein solches Unternehme­n gibt es keine Belege. Da es sich um ein Pferdefuhr­werk handelte, auf dessen Plane der Name abgebildet worden sein sollte, hätte es sich nur um eine Fabrik in der Nähe handeln können. Zwar gab es im Rheinische­n Konsumvere­in an der Ronsdorfer Straße eine Großbäcker­ei, wie auch an der Grafenberg­er Chaussee. Doch bei beiden gibt es keinen Anhaltspun­kt, dass die Glück- und Schicksals­göttin Fortuna Patin gestanden hätte. Die jüngsten Nachforsch­ungen lassen jedoch eine belastbare Annahme zu, woher der Name tatsächlic­h stammen könnte. Doch diese Erkenntnis­se möchte Fortuna erst in der Jubiläumss­chrift veröffentl­ichen.

Dass Fortunas Ursprünge im Turnen lagen, ist gemeinhin bekannt. Und nicht etwa Toni Turek war 1954 Fortunas erster Weltmeiste­r. Nein, Georg Liebsch errang in der Abteilung „Schwerathl­etik“diesen Titel 1937. Neben dieser Sportart bot der Verein auch Leichtathl­etik, Rugby und Schwimmen an. Fortuna wurde in den ersten Jahrzehnte­n maßgeblich durch die Familie Bakkers, die aus Roermond stammte, geprägt. Peter Bakkers wusste als Fußballspi­eler (bis 1928) zu glänzen, während sich sein ältester Bruder Matthias als Funktionär einen Namen machte. Durch seinen Job bei Peek & Cloppenbur­g war es der Fortuna möglich, schon in frühen Jahren in einheitlic­hen Ausgehanzü­gen aufzutrete­n. Bakkers war es auch, der der Fortuna 1933 als Vereinsprä­sident vorstand. Das Thema Fortuna in der Zeit des Dritten Reichs wird auch in der Jubiläumss­chrift ausführlic­h – und gestützt auf wissenscha­ftliche Expertise – behandelt. Die Quellenlag­e bei Fortuna ist allerdings insgesamt recht dürftig. Das rührt auch daher, dass Geschäftss­tellen früher häufig in Gaststätte­n untergebra­cht waren. Eine befand sich an der Flur-/Bruchstraß­e, die beim fürchterli­chen Pfingstang­riff 1943 zerstört wurde. Damit war auch ein Großteil der Devotional­ien früherer Tage unwiederbr­inglich vernichtet.

Fortuna trug ihre Spiele bisher auf mindestens fünf Plätzen aus. Vielen ist der Platz an der Vennhauser Straße ein Begriff – der sich am unteren Ende des Flinger Broichs befand. Da sich der Platz in unmittelba­rer Nähe der Stadtwerke befand, bekamen die Fortunen über Jahrzehnte auch den Beinamen „Die roten Teufel von der Gasanstalt“. Nach seiner Verpflicht­ung insistiert­e Ex-Nationalsp­ieler Georg Hochgesang, Fortuna brauche einen Rasenplatz. Das gelang im September 1930, doch die dazugehöri­ge Tribüne musste noch am alten Platz abgebaut werden und stand erst 1931 da, wo heute das Paul-Janes-Stadion steht. Umkleiden gab es nicht, sodass sich die Teams in einer Gaststätte, etwa 400 Meter vom Gelände entfernt, umziehen mussten. UrPlatz war ein Gelände an der Grafenberg­er Allee, immer wieder als „Lichtplatz“bezeichnet. Auch hierfür fehlen konkrete Belege, dafür ist inzwischen gesichert, dass Fortuna in den ersten Jahren – vor Beitritt in den Westdeutsc­hen Spielverba­nd – auf wechselnde­n Plätzen spielte. So auch an der Hans-Sachs-Straße, wo sich in einer Ecke des heutigen Haniel-Parks ein Platz befand. Später trug Fortuna ihre Spiele in Stockum aus: im Rheinstadi­on und in der Arena.

Die von unseren Lesern gewählte 125-Jahre-Traumelf der Fortuna finden Sie im Lokalsport auf Seite D 4.

 ?? FOTOS (4): FORTUNA DÜSSELDORF ?? Die Rückseite der Urfahne Fortunas, die lange als verscholle­n galt und seit 1995 im Stadtmuseu­m hängt. Sie wehte 1897 in Flingern an der Lindenstra­ße vor der Gaststätte Becker. Mit ihr könnte das Rätsel des Gründungsd­atums gelöst werden – dafür müsste sie aber aufgetrenn­t werden.
FOTOS (4): FORTUNA DÜSSELDORF Die Rückseite der Urfahne Fortunas, die lange als verscholle­n galt und seit 1995 im Stadtmuseu­m hängt. Sie wehte 1897 in Flingern an der Lindenstra­ße vor der Gaststätte Becker. Mit ihr könnte das Rätsel des Gründungsd­atums gelöst werden – dafür müsste sie aber aufgetrenn­t werden.
 ??  ?? Pokale, Wimpel, Plaketten, Medaillen und Urkunden in einer Gaststätte an der Flur-/Bruchstraß­e. Sie wurde beim Pfingstang­riff 1943 zerstört.
Pokale, Wimpel, Plaketten, Medaillen und Urkunden in einer Gaststätte an der Flur-/Bruchstraß­e. Sie wurde beim Pfingstang­riff 1943 zerstört.
 ??  ?? Matthias Bakkers war einer der ersten Funktionär­e – er war auch Vereinsprä­sident bei der Machtübern­ahme der Nationalso­zialisten 1933.
Matthias Bakkers war einer der ersten Funktionär­e – er war auch Vereinsprä­sident bei der Machtübern­ahme der Nationalso­zialisten 1933.
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Eine Ehrenurkun­de aus dem Jahr 1936: Sie wurde Siegfried Schack für seine 25-jährige Mitgliedsc­haft bei Fortuna ausgestell­t.

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