Der Wettläufer
Armin Laschet hat in der Corona-Krise drei Phasen durchlaufen. Und über allem schwebt die Kanzlerkandidatur. Was, wenn er schwächelt?
DÜSSELDORF/BERLIN Es ist ein Satz, der den Spitzenpolitiker und möglichen Kanzlerkandidaten Armin Laschet menschlich macht. An manchen Tagen frage er sich, ob die Corona-Maßnahmen mit ihren Auswirkungen auf den Schuldenberg und die Arbeitslosigkeit im Land nicht übertrieben seien, sagt er am Donnerstagabend in der TV-Sendung „Markus Lanz“. „Am nächsten Tag denke ich: Puh, hoffentlich geht das gut.“Er meint die Lockerungen der Maßnahmen. Das ist ehrlich – und für eine politische Karriere riskant. Denn in aller Regel verunsichert es Bürger, wenn Regierende offen eigene Sorgen äußern, dass ihre Entscheidungen womöglich nicht die richtigen sind. Erst recht in Zeiten einer Pandemie, in der es, wie es Laschet vor nicht langer Zeit selbst sagte, um Leben und Tod geht.
Der Mann aus Aachen ist ein Christdemokrat, der in der Flüchtlingskrise an der Seite von Kanzlerin Angela Merkel stand und der wie sie immer auf die Freiheitsrechte pocht. Aber in der Corona-Krise wählten sie unterschiedliche Gangarten. Laschet ging nach Merkels Geschmack zu forsch bei den Öffnungen vor. Es sind drei Phasen, die er in dieser Krise bisher durchlaufen hat.
In der Anfangsphase Ende Februar reagiert Laschet zögerlich. Er ist da noch im Wahlkampfmodus um den CDU-Vorsitz. Während im Kreis Heinsberg die Zahl der Corona-Fälle steigt, fliegt er nach Israel, um außenpolitische Kompetenz zu
„Am nächsten Tag denke ich: Puh, hoffentlich geht das gut“
Armin Laschet
beweisen. Wenige Tage später erhebt Landrat Stephan Pusch schwere Vorwürfe gegen die Landesregierung. Er hätte gerne schneller den Kreis Heinsberg abgeriegelt, doch das NRW-Gesundheitsministerium habe eine entsprechende Pressemitteilung entschärfen lassen. Zu groß ist die Sorge vor Panik. Das große Fußballspiel in Mönchengladbach wird noch angepfiffen. All das löst Kritik an Laschets Regierung aus.
Umso entschlossener startet der Ministerpräsident in Phase zwei. Am 16. März kommt der Shutdown, den NRW konsequent mitgeht. Laschet und sein Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann (CDU) wollen die Zeit nutzen, um das Gesundheitssystem für den Tag X fit zu machen, wenn Beatmungsplätze knapp werden könnten. „Keine Situation wie in Bergamo“, lautet Laschets Ansage mit Verweis auf die dramatischen Zustände in Italien. Doch dabei unterlaufen ihm Fehler: Das Pandemiegesetz, von dem Laumann in der Rückschau sagt, er hätte es angesichts rückläufiger Fallzahlen überhaupt nicht gebraucht, will Laschet in einem Tag durchs Parlament boxen. Selbst in der CDU-Fraktion werden sie davon überrumpelt. Das Parlament bremst das Vorhaben nicht nur aus, sondern weist auch zahlreiche handwerkliche Fehler nach. Die geplante Zwangsverpflichtung von Ärzten und Pflegekräften wird gestrichen.
Phase drei unter der Überschrift „Rückkehr in eine verantwortungsvolle Normalität“beginnt mit einem Gastbeitrag in der „Welt am Sonntag“: „Jetzt müssen wir für die
Zeit nach Corona planen“, fordert Laschet. Der Druck aus Wirtschaft und Gesellschaft ist groß. Doch was tun mit der Risikogruppe, den Alten und Vorerkrankten? Laschet weiß, wie gefährlich eine „Sperrt die Alten weg“-Diskussion werden kann. Entsprechend lässt er Laumann an einem Plan arbeiten, wie Seniorenheime und Einrichtungen für Menschen mit Behinderung wieder geöffnet werden können. Und er munitioniert sich mit Zwischenergebnissen der Heinsberg-Studie.
Laschet will nun mit Öffnungen die Rückkehr zur Normalität einleiten – und gerät in Turbulenzen. Bildungsministerin Yvonne Gebauer (FDP) kündigt nach einer Schalte mit Merkel und den Ministerpräsidenten eine Öffnung der Grundschulen für den 11. Mai an. In einer Pressekonferenz weist Laschet sie zur Korrektur an. Ein Affront. Und es bleibt der Wettlauf mit seinem Kollegen Markus Söder aus Bayern, der sich öffentlichkeitswirksam als der harte Mann geriert.
Laschet beteuert stets, dass die Klärung der Kanzlerkandidatur der Union derzeit keine Rolle spiele. Es wird auch noch Monate dauern, bis entschieden ist, ob er oder der Bundestagsabgeordnete Norbert Röttgen oder Ex-Fraktionschef Friedrich Merz neuer CDU-Chef und damit Anwärter auf die Nachfolge von Angela Merkel wird. Nur ist das Krisenmanagement eines Ministerpräsidenten vielleicht der entscheidende Gradmesser dafür, ob jemand „Kanzler kann“.
Die Bekämpfung des Coronavirus zeigt bereits, wie sehr Röttgen und Merz ins Hintertreffen geraten, weil in Krisenzeiten immer die Exekutive gefragt ist – und wie sehr der in den Fokus rückt, der immer behauptet 2010 Laschet verliert gegen Laumann die Wahl um den Fraktionsvorsitz, dann die Mitgliederbefragung zum Landesvorsitz. Norbert Röttgen wird NRW-CDU-Chef.
2012 Nach Röttgens Niederlage bei der Landtagswahl wird Laschet CDU-Landeschef.
2017 Laschet wird Ministerpräsident von NRW und holt Laumann in sein Kabinett.
hat, er wolle gar nicht Kanzlerkandidat werden: Markus Söder. Nach einem neuen ARD-Deutschlandtrend halten 67 Prozent der Unions-Anhänger den CSU-Chef für einen guten Kanzlerkandidaten. Über Merz sagen das demnach 44 Prozent, über Laschet 29 und über Röttgen 18 Prozent.
An Veilchendienstag, just bevor das Virus NRW erreichte, hatte Laschet seine Kandidatur für den CDU-Vorsitz angekündigt und sich mit Bundesgesundheitsminister Jens Spahn im Tandem präsentiert. Spahn hatte auf Konkurrenz gegen Laschet verzichtet. Sollten Laschets Aussichten auf bundespolitische Höhen vor dem CDU-Parteitag Ende des Jahres deutlich sinken, traut man ihm in der Bundestagsfraktion eine aufregende Rochade zu. „Wenn Armin sieht, dass er keine Chance hat, könnte er Jens den Vortritt lassen“, sagt ein Abgeordneter, der beide gut kennt. Wenn jemand dazu in der Lage sei, dann Laschet. Nur er.