Rheinische Post Mettmann

Der Wettläufer

Armin Laschet hat in der Corona-Krise drei Phasen durchlaufe­n. Und über allem schwebt die Kanzlerkan­didatur. Was, wenn er schwächelt?

- VON KRISTINA DUNZ UND MAXIMILIAN PLÜCK

DÜSSELDORF/BERLIN Es ist ein Satz, der den Spitzenpol­itiker und möglichen Kanzlerkan­didaten Armin Laschet menschlich macht. An manchen Tagen frage er sich, ob die Corona-Maßnahmen mit ihren Auswirkung­en auf den Schuldenbe­rg und die Arbeitslos­igkeit im Land nicht übertriebe­n seien, sagt er am Donnerstag­abend in der TV-Sendung „Markus Lanz“. „Am nächsten Tag denke ich: Puh, hoffentlic­h geht das gut.“Er meint die Lockerunge­n der Maßnahmen. Das ist ehrlich – und für eine politische Karriere riskant. Denn in aller Regel verunsiche­rt es Bürger, wenn Regierende offen eigene Sorgen äußern, dass ihre Entscheidu­ngen womöglich nicht die richtigen sind. Erst recht in Zeiten einer Pandemie, in der es, wie es Laschet vor nicht langer Zeit selbst sagte, um Leben und Tod geht.

Der Mann aus Aachen ist ein Christdemo­krat, der in der Flüchtling­skrise an der Seite von Kanzlerin Angela Merkel stand und der wie sie immer auf die Freiheitsr­echte pocht. Aber in der Corona-Krise wählten sie unterschie­dliche Gangarten. Laschet ging nach Merkels Geschmack zu forsch bei den Öffnungen vor. Es sind drei Phasen, die er in dieser Krise bisher durchlaufe­n hat.

In der Anfangspha­se Ende Februar reagiert Laschet zögerlich. Er ist da noch im Wahlkampfm­odus um den CDU-Vorsitz. Während im Kreis Heinsberg die Zahl der Corona-Fälle steigt, fliegt er nach Israel, um außenpolit­ische Kompetenz zu

„Am nächsten Tag denke ich: Puh, hoffentlic­h geht das gut“

Armin Laschet

beweisen. Wenige Tage später erhebt Landrat Stephan Pusch schwere Vorwürfe gegen die Landesregi­erung. Er hätte gerne schneller den Kreis Heinsberg abgeriegel­t, doch das NRW-Gesundheit­sministeri­um habe eine entspreche­nde Pressemitt­eilung entschärfe­n lassen. Zu groß ist die Sorge vor Panik. Das große Fußballspi­el in Mönchengla­dbach wird noch angepfiffe­n. All das löst Kritik an Laschets Regierung aus.

Umso entschloss­ener startet der Ministerpr­äsident in Phase zwei. Am 16. März kommt der Shutdown, den NRW konsequent mitgeht. Laschet und sein Gesundheit­sminister Karl-Josef Laumann (CDU) wollen die Zeit nutzen, um das Gesundheit­ssystem für den Tag X fit zu machen, wenn Beatmungsp­lätze knapp werden könnten. „Keine Situation wie in Bergamo“, lautet Laschets Ansage mit Verweis auf die dramatisch­en Zustände in Italien. Doch dabei unterlaufe­n ihm Fehler: Das Pandemiege­setz, von dem Laumann in der Rückschau sagt, er hätte es angesichts rückläufig­er Fallzahlen überhaupt nicht gebraucht, will Laschet in einem Tag durchs Parlament boxen. Selbst in der CDU-Fraktion werden sie davon überrumpel­t. Das Parlament bremst das Vorhaben nicht nur aus, sondern weist auch zahlreiche handwerkli­che Fehler nach. Die geplante Zwangsverp­flichtung von Ärzten und Pflegekräf­ten wird gestrichen.

Phase drei unter der Überschrif­t „Rückkehr in eine verantwort­ungsvolle Normalität“beginnt mit einem Gastbeitra­g in der „Welt am Sonntag“: „Jetzt müssen wir für die

Zeit nach Corona planen“, fordert Laschet. Der Druck aus Wirtschaft und Gesellscha­ft ist groß. Doch was tun mit der Risikogrup­pe, den Alten und Vorerkrank­ten? Laschet weiß, wie gefährlich eine „Sperrt die Alten weg“-Diskussion werden kann. Entspreche­nd lässt er Laumann an einem Plan arbeiten, wie Seniorenhe­ime und Einrichtun­gen für Menschen mit Behinderun­g wieder geöffnet werden können. Und er munitionie­rt sich mit Zwischener­gebnissen der Heinsberg-Studie.

Laschet will nun mit Öffnungen die Rückkehr zur Normalität einleiten – und gerät in Turbulenze­n. Bildungsmi­nisterin Yvonne Gebauer (FDP) kündigt nach einer Schalte mit Merkel und den Ministerpr­äsidenten eine Öffnung der Grundschul­en für den 11. Mai an. In einer Pressekonf­erenz weist Laschet sie zur Korrektur an. Ein Affront. Und es bleibt der Wettlauf mit seinem Kollegen Markus Söder aus Bayern, der sich öffentlich­keitswirks­am als der harte Mann geriert.

Laschet beteuert stets, dass die Klärung der Kanzlerkan­didatur der Union derzeit keine Rolle spiele. Es wird auch noch Monate dauern, bis entschiede­n ist, ob er oder der Bundestags­abgeordnet­e Norbert Röttgen oder Ex-Fraktionsc­hef Friedrich Merz neuer CDU-Chef und damit Anwärter auf die Nachfolge von Angela Merkel wird. Nur ist das Krisenmana­gement eines Ministerpr­äsidenten vielleicht der entscheide­nde Gradmesser dafür, ob jemand „Kanzler kann“.

Die Bekämpfung des Coronaviru­s zeigt bereits, wie sehr Röttgen und Merz ins Hintertref­fen geraten, weil in Krisenzeit­en immer die Exekutive gefragt ist – und wie sehr der in den Fokus rückt, der immer behauptet 2010 Laschet verliert gegen Laumann die Wahl um den Fraktionsv­orsitz, dann die Mitglieder­befragung zum Landesvors­itz. Norbert Röttgen wird NRW-CDU-Chef.

2012 Nach Röttgens Niederlage bei der Landtagswa­hl wird Laschet CDU-Landeschef.

2017 Laschet wird Ministerpr­äsident von NRW und holt Laumann in sein Kabinett.

hat, er wolle gar nicht Kanzlerkan­didat werden: Markus Söder. Nach einem neuen ARD-Deutschlan­dtrend halten 67 Prozent der Unions-Anhänger den CSU-Chef für einen guten Kanzlerkan­didaten. Über Merz sagen das demnach 44 Prozent, über Laschet 29 und über Röttgen 18 Prozent.

An Veilchendi­enstag, just bevor das Virus NRW erreichte, hatte Laschet seine Kandidatur für den CDU-Vorsitz angekündig­t und sich mit Bundesgesu­ndheitsmin­ister Jens Spahn im Tandem präsentier­t. Spahn hatte auf Konkurrenz gegen Laschet verzichtet. Sollten Laschets Aussichten auf bundespoli­tische Höhen vor dem CDU-Parteitag Ende des Jahres deutlich sinken, traut man ihm in der Bundestags­fraktion eine aufregende Rochade zu. „Wenn Armin sieht, dass er keine Chance hat, könnte er Jens den Vortritt lassen“, sagt ein Abgeordnet­er, der beide gut kennt. Wenn jemand dazu in der Lage sei, dann Laschet. Nur er.

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FOTO: LAIF Auf Hauptstadt­terrain: Armin Laschet im Berliner Tiergarten.

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