„Das rechnet sich für uns nicht“
Viele Kulturinstitute in der Stadt haben Probleme, die Vorgaben der Landesregierung einzuhalten. Sie monieren die „Kehrtwende“.
Das Kulturleben der Stadt ist wachgeküsst. Gemäß den aktuellen Lockerungen der NRW-Landesregierung können kleinere Theater und Konzertsäle ab dem 30. Mai ihren Spielbetrieb wieder aufnehmen, großen Häusern wird ein längerer Vorlauf gegönnt, für sie geht es am 1. September wieder los.
Das klingt vielversprechend, die Begeisterung darüber jedoch bleibt aus. „Das ist eine Katastrophe“,kommentiert vielmehr René Heinersdorff, der das Theater an der Kö leitet. Angesichts der zuletzt strikten Vorgaben zur Eindämmung der Corona-Pandemie habe die Stimmung noch vor einer Woche suggeriert, dass die Theatersäle bis nach den Sommerferien geschlossen blieben. Dann die Kehrtwende mit Bedingungen, die Heinersdorff als „kafkaesk“bezeichnet. „Wenn ein Zuschauer während der Vorstellung den Saal verlässt, sollen wir garantieren, dass er einen Abstand von 1,50 Meter zu allen anderen Besuchern einhält. Das ist aberwitzig, wenn man bedenkt, dass Kontaktsportarten und auch die Öffnung von Hallenbädern erlaubt ist.“Unter solchen Umständen werde er zum 30. Mai den Betrieb nicht wieder aufnehmen können.
Mit dieser Haltung ist er nicht alleine, auch das Tanzhaus NRW wird zum Stichtag nicht öffnen. „Seit Wochen spielen wir unterschiedlichste Szenerien durch, wie wir wieder hochfahren könnten, und wir sind zuversichtlich, dass dies ab August realisierbar ist“, sagt Tanzhaus-Intendantin Bettina Masuch. „Wir versuchen gerade, ein Konzept zu bauen, wie wir mit unter den Hygiene-Auflagen wieder öffnen könnten“, sagt Kay Lorentz, Leiter des Kom(m)ödchens. Die Bühne könnte wegen der Abstandsregeln nur vor 77 Zuschauern spielen, Lorentz prüft, zu welchen Konditionen, etwa mit kürzeren Auftritten mehrfach am Tag, das überhaupt sinnvoll wäre.
Im Theater Flin blieben von 80 Plätzen 25 übrig. Zudem sind nach Auskunft von Flin-Chef Philipp Kohlen-Priebe
die Theater gehalten, zusätzlich Ordnungskräfte zu beschäftigen, die den Besucherstrom regeln. „Dann noch die Spuckschutzwand für 1700 Euro“sagt Kohlen-Priebe. „Das rechnet sich für uns nicht.“
Viele Theater haben Kurzarbeitergeld beantragt. Im Düsseldorfer
Schauspielhaus sind Verwaltung und künstlerisches Personal betroffen. Die Gehälter stockt das Haus teilweise auf 100 Prozent auf, etwa wenn es sich um Geringverdiener wie Berufsanfänger handelt. „Wir fahren die Kurzarbeit auf Sicht“, erklärt Claudia Schmitz, Kaufmännische
Geschäftsführerin am Schauspielhaus. Am kommenden Montag etwa würden mit aller gebotenen Vorsicht Präsenz-Proben wieder aufgenommen. Intendant Wilfried Schulz wird den Spielbetrieb nicht vor dem 1. September starten. „Wir werden in keinen Eröffnungswettbewerb einsteigen. Vorsicht ist das Gebot der Stunde.“
In Kürze wird er den Spielplan der kommenden Saison vorstellen. Geplant sind Vorstellungen zunächst bis Dezember. Schulz geht aktuell nicht davon aus, dass angesichts der Abstandsregeln alle Spielstätten genutzt werden können. Vermutlich konzentriert sich das Geschehen im Großen Haus am Gründgens-Platz und im Jungen Schauspiel an der Münsterstraße.
Nicht zu händeln ist der Spielbetrieb, wenn der Platz vor und hinter der Bühne beengt ist, sagt Anton Bachleitner, der das Marionettentheater leitet. „Unser Ensemble steht bei der Vorstellung sehr nah beieinander.“Bachleitner will daher erst im Oktober wieder starten und hofft, dass sich die Lage bis dahin entspannt. 2019 war bezogen auf die Einnahmen ein gutes Jahr für ihn, dazu kommt ein jährlicher Zuschuss der Stadt. „Wir sind im Vergleich zu anderen noch gut dran“, sagt Bachleitner.
Allerdings fehlen ihm wie auch Manuela von Zacharewicz vom Puppentheater Helmholtzstraße klare Informationen seitens der Behörden. Deswegen wird auch von Zacharewicz den Spielbetrieb vorerst nicht wieder aufnehmen. Auch ist sie unsicher, ob das Kurzarbeitergeld, das sie derzeit beansprucht, weiter ausbezahlt wird. Theoretisch darf sie ihr Haus ja wieder öffnen. Dazu das Kulturministerium: „Die Frage des weiteren Umgangs mit den Bezugsmöglichkeiten des Kurzarbeitergelds ist in den kommenden
Wochen zu klären. Nicht nur in NRW, sondern bundesweit.“Die Agentur für Arbeit betont: „Der Arbeitsausfall muss zu jedem Zeitpunkt unvermeidbar sein, damit Kurzarbeitergeld gewährt werden kann. Das heißt, der Betrieb ist während der Kurzarbeit verpflichtet, alles Zumutbare zu tun, um den Arbeitsausfall zu mindern.“Von Zacharewicz hilft das nicht weiter.
In der Oper dauern die Verhandlungen über die Beantragung von Kurzarbeit an, in der Tonhalle sieht man derweil dafür die Voraussetzungen aktuell nicht gegeben: „Bei uns herrscht nach wie vor ein hohes Arbeitsaufkommen“, sagt der Tonhallenintendant Michael Becker. Sowohl Oper als auch Tonhalle prüfen kleinere Formate, die noch vor der Sommerpause realisierbar sind.
Becker kündigt an: „Wir werden am 30. Mai öffnen. Wir werden auf jeden Fall etwas machen.“