Rheinische Post Mettmann

Die Garten-Bücherei

- VON NICOLE KAMPE

Gaby Hock leitet die Pfarrbüche­rei in Heerdt. Sie hat sich ein System überlegt, wie die Menschen Bücher leihen können.

HEERDT In einem kleinen schattigen Eckchen hat es sich Chico gemütlich gemacht, das Gras ist von der Sonne vertrockne­t. Der Mischling schaut genau, wer in den Garten kommt, er beobachtet die beiden Bierbänke, auf denen zwei Kisten stehen. Eine mit der Aufschrift „Ausleihe“, auf der anderen ist „Rückgabe“zu lesen. Ein richtiger Wachhund ist Chico aber nicht, er ist scheu, ergreift die Flucht, wenn ihm ein Fremder zu nahe kommt. Zum Glück ist Frauchen Gaby Hock immer in der Nähe, die aufpasst, alles im Griff hat und immer mal wieder rauskommt mit Plastikbeu­teln, die sie in die Ausleihe-Kiste legt. Auf dem Rückweg bringt sie die andere Kiste rein und stellt sie erstmal in die Ecke. „Die lasse ich dann da auch für zwei Tage liegen“, sagt die 63-Jährige, „damit alle Viren weg sind.“Gaby Hock leitet seit 20 Jahren die kleine katholisch­e Pfarrbüche­rei in Heerdt. Kurz nach dem coronabedi­ngten Shutdown hat sie sich eine Methode überlegt, wie die Menschen im Viertel trotz Bücherei-Schließung doch noch an neue Bücher kommen.

Die erste Hürde war der Zugang zur Bücherei. Eigentlich müssen die Leser durch das Altenheim, das sich gleich neben der Kirche an der Straße Alt-Heerdt befindet. Doch Besucher waren in den letzten Wochen nicht mehr erlaubt, nicht mal für ein paar Sekunden und Abstand auf dem Flur. Zu groß war die Gefahr, dass sich die Bewohner mit dem Coronaviru­s infizieren könnten. Hock öffnete das Tor zum Garten, das versteckt im Hinterhof liegt, das man eigentlich nur findet, wenn man eine Wegbeschre­ibung von der Leiterin bekommt. Öffnen durfte die 63-Jährige die Bücherei aber nicht, die Auflage galt bis zuletzt für alle Büchereien in Düsseldorf, die städtische­n dürfen seit Freitag wieder Medien annehmen und nach Terminvere­inbarung auch neue ausgeben. Für die Pfarrbüche­reien gilt diese Lockerung nicht, Gaby Hock wartet auf eine Ansage des Erzbistums in Köln. Bis dahin verleiht sie Bücher vom Garten aus.

Seit zwei Jahren hat die Pfarrbüche­rei der Kirchengem­einde St. Antonius und Benediktus einen Online-Katalog. Über diesen Kanal konnten sich die Leser in den letzten acht Wochen Bücher, CDs, DVDs, Tiptois, Tonis und Spiele ausleihen, die Hock in einem Plastikbeu­tel verstaut und in die Ausleihe-Kiste legt. Immer mittwochs, freitags und sonntags öffnet sie für eine Stunde das Gartentor, an dem sich die Leser ihre Beutel aus der Kiste nehmen können. „Bis zu zehn Besucher

kamen jedes Mal“, erzählt die 63-Jährige, alle hätten sich vorbildlic­h beim Abstand verhalten. Hin und wieder hat sie aus der Entfernung einen Plausch gehalten, auch mal Bücher-Tipps gegeben. „Ein paar Kinder haben das ausgeliehe­n, was sie kennen, weil sie nicht stöbern konnten“, sagt Gaby Hock, die es kaum erwarten kann, wenn sie endlich wieder aufmachen darf, wenn wieder Leben ist in der Pfarrbüche­rei, die Kinder durch die Regale schleichen, Eltern am Tisch sitzen und lesen. Es gibt so vieles, was Hock derzeit nicht machen kann, die Bibfit-Aktion mit den Kitas liegt auf Eis, Büchertröd­el sind nicht erlaubt. Aber die 63-Jährige sieht in der Corona-Krise auch etwas Gutes: „Ich genieße die Entschleun­igung.“Wann sie wieder öffnen darf, wird sich in den kommenden Tagen zeigen, „wir müssen aber bedenken, dass die meisten Pfarrbüche­reien von Frauen über 60 betreut werden, also von Vertreteri­nnen der Risikogrup­pen“.

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RP-FOTO: HANS-JÜRGEN BAUER Gaby Hock füllt die Ausleihe-Kiste mit neuen Bestellung­en. Die Bücher packt sie in Plastiktüt­en.

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