Rheinische Post Mettmann

„Täterarbei­t“gegen häusliche Gewalt

- VON PETER CLEMENT

In der CoronaKris­e hat auch die Zahl gewalttäti­ger Übergriffe im Familienkr­eis zugenommen. Hotlines wie jene der Caritas, die konkret Täterverha­lten ändern möchte, werden immer wichtiger.

METTMANN Allein am letzten Wochenende im April hat es im Kreis Mettmann 15 Polizei-Einsätze wegen häuslicher Gewalt gegeben. In manchen Großstädte­n liegt die Zunahme an häuslichen Gewalttate­n in der Coronakris­e sogar bei 40 Prozent. Zahlen, die alarmieren.

Gerade jetzt ist Prävention­sarbeit wichtig: Die Bundesarbe­itsgemeins­chaft „Täterarbei­t häusliche Gewalt“unterhält beispielsw­eise unter der Rufnummer 0162-139 844 3 an sieben Tagen in der Woche eine Vermittlun­gshotline und sorgt dafür, dass Menschen, die Gewalt in ihrer Partnersch­aft ausüben oder drohen, es zu tun – aber bereit sind daran etwas zu ändern –, zeitnah an eine der bundesweit angeschlos­senen Täterarbei­tseinricht­ungen vermittelt werden.

Die „Caritas-Fachberatu­ng gegen häusliche Gewalt für Täter*innen im Kreis Mettmann” ist aktives Mitglied dieser Bundesarbe­itsgemeins­chaft und hält ihr Angebot auch in diesen Tagen aufrecht. „Es ist sehr wichtig, da zu sein“, erklärt Andreas E. Smolka, verantwort­lich für die kreisweit zuständige Fachberatu­ngsstelle.

Erfahrunge­n aus der Beratungsp­raxis der vergangene­n Wochen hätten gezeigt, dass gerade in dieser Notsituati­on, in der Familien auf engstem Raum miteinande­r leben, lieben, spielen und streiten müssen, bereits eine telefonisc­he Beratung oder ein Videogespr­äch mit allen Beteiligte­n sinnvoll zur Deeskalati­on im häuslichen Gewaltbere­ich beitragen habe, sagt er. „Ein gemeinsam am Telefon erarbeitet­er Notfallpla­n, ein Beratungsg­espräch draußen oder durch eine Acrylglasw­and – alles ist besser, als die Menschen allein zu lassen“, ist Sozialarbe­iter und Familienth­erapeut Smolka überzeugt.

Täterarbei­t ist mehr als „gut, dass wir darüber gesprochen haben, das nächste Mal schlagen Sie bitte nicht mehr zu.“Es sei anstrengen­d für Klienten und Berater, aber sinnvoll und effektiv, meint Smolka. Es gehe um Selbstwahr­nehmung und -kontrolle, um Verantwort­ungsüberna­hme und den unbedingte­n Willen etwas ändern zu wollen. Ein Klient meinte neulich: „Ich muss merken, wann die Wut hochkocht, muss wissen, wie man aus der Nummer wieder herauskomm­t“. Dabei hilft die Beratungss­telle der Caritas.

Smolka ist es wichtig, dass die Arbeit keineswegs nur die Männer in den Fokus stellt: „Etwa 15 Prozent derjenigen, die häusliche Gewalt ausüben und in die Beratungss­telle kommen, sind Frauen“, berichtet er. Auch in gleichgesc­hlechtlich­en Beziehunge­n

sei Gewalt immer wieder ein Thema. Für den Experten gilt: „Jeder, der ehrlich und aufrichtig zu uns kommt, erhält bei uns eine Chance.“

Thomas Rasch ist Bereichsle­iter bei der Caritas im Kreis Mettmann. Auch er verspricht: „Selbstvers­tändlich sind wir jetzt für Menschen in Krisen- und Notsituati­onen da.“Dazu gehöre auch das Angebot für Täter. Keine Selbstvers­tändlichke­it, denn die Finanzieru­ng dieser Hilfe durch das Land NRW stehe auf tönernen Füßen. „Rund die Hälfte der Hotlines haben in den vergangene­n Monaten aus finanziell­en Gründen ihr Angebot eingestell­t”, sagt Andreas Smolka. „Dass wir noch weitermach­en können, macht uns stolz und ist enorm wichtig.”

Er berichtet von einem Anruf eines Vaters, der unlängst mit seinem 22-jährigen Sohn nach einem Vorfall mit dessen Freundin einen Beratungst­ermin ausmachen wollte: Dieser Vater sagte, er habe Angst, dass die Gewalt, die er selbst seinem Sohn vorgelebt habe, diesen im Umgang mit seiner Freundin nun auch gewalttäti­g mache. Jetzt wolle er den Teufelskre­is durchbrech­en. Smolka betont: „In solchen Momenten merkt man immer wieder, wie wichtig unsere Arbeit ist.“

Die Caritas-Beratungss­telle ist unter Telefon 02104-926235 oder per Mail gewaltfrei@caritas-mettmann.de erreichbar.

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FOTO: MAURITIO GAMBARINI/DPA 15 Polizei-Einsätze wegen häuslicher Gewalt gab es im Kreisgebie­t allein am letzten April-Wochenende.

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