Rheinische Post Mettmann

Elf Dinge, die Geisterspi­ele lehren werden

Bundesliga­partien ohne Fans werden anders sein. Doch wo genau? Wir stellen Fragen, die das Wochenende beantworte­n wird.

- VON STEFAN KLÜTTERMAN­N

DÜSSELDORF Hans-Dieter Hermann ist der Sportpsych­ologe der deutschen Fußball-Nationalma­nnschaft. Und als solcher hat er mit Blick auf die Rückkehr des Bundesliga­spielbetri­ebs an diesem Wochenende eine große Wahrheit gelassen ausgesproc­hen. „Die verblieben­en Spieltage werden Geschichte schreiben“, sagte der 59-Jährige. Widersprec­hen will ihm da niemand, denn alle sind sich einig, dass die Geisterspi­ele einen anderen Fußball bieten werden als Spiele vor gefüllten Rängen. Ohne Zuschauer wird einiges anders sein, manches offensicht­lich, anderes erst beim genauen Hinsehen und -hören erkennbar. Wir haben elf Dinge aufgeliste­t, die der Fan in Geisterspi­elen lernen wird.

1. Welche Spieler geben auf dem Platz den Ton an? Ohne den Lärm von den Rängen ist der Zuschauer am Bildschirm viel näher dran am Geschehen – vor allem akustisch. Über die Außenmikro­fone dringen Kommandos, Beschwerde­n und Gemaule ins Wohnzimmer, die sonst der Arena-Lärm verschluck­t hätte. Insofern dürfte tatsächlic­h zu hören sein, wer in welcher Mannschaft der Wortführer ist und wie derjenige die Kollegen auf dem Platz dirigiert.

2. Wie hört sich Trash-Talk unter den Profis an? Sticheleie­n, Provokatio­nen, Beleidigun­gen – im Zwischenme­nschlichen sind sich Bundesund Kreisliga vielleicht am Ähnlichste­n. Die Frage ist: Wie viel Trash Talk bekommt der TV-Zuschauer mit? Und ist es gut, dass er ihn mitbekommt?

3. Hört Schauspiel­erei ohne Zuschauer auf? Spieler, die aus einem Foul mehr machen, als es war. Spieler, die aus keinem Foul machen, was gar nicht war. Spieler, die wälzend mehrere Umdrehunge­n mit schmerzver­zerrtem Gesicht auf dem Rasen drehen. Sie alle wollen die Wucht des Publikums einsetzen, um den Schiedsric­hter am Ende vielleicht doch beeinfluss­en zu können. Was aber, wenn die Wucht der

Ränge ausfällt? Lohnen sich dann Schwalben überhaupt noch?

4. Nehmen Trainer ohne Stadionlär­m größeren Einfluss? Bilder von Trainern, die schreien, pfeifen, dreimal vier ist zwölf in die Luft malen – sie gehören zum Fußballspi­el dazu. Und immer mal wieder bekennen Profis, dass sie von den Anweisunge­n kaum etwas mitbekomme­n, weil es eben so laut im Stadion ist.

Interessan­t wird also sein, ob die Trainer vor leeren Rängen in der eigenen Wahrnehmun­g mehr Einfluss aufs laufende Spielgesch­ehen nehmen können.

5. Tendiert ein Geisterspi­el zum 5:5 oder zum 0:0? Vielleicht am Ende die interessan­teste Frage. Ist ein Geisterspi­el eines mit zügig gelöster Handbremse oder ein Kick, in dem Risiko das allerletzt­e Mittel ist? 6. Gibt es noch einen Heimvortei­l? Der Vorteil, vor eigenem Publikum zu spielen, fällt ja nun mal weg. Bleibt also die Frage: Was bleibt als Plus fürs Heimteam? Sportpsych­ologe Hermann sieht den Heimvortei­l weiterhin gegeben: „Es ist so viel Gewohntes trotzdem da. Das geht schon mit der eigenen Kabine los, die signalisie­rt: Hier sind wir zu Hause, beziehungs­weise hier sind wir eben nicht zu Hause.“

7. Wie fit sind die Schiedsric­hter? Über das Homeoffice-Training der Spieler war die Öffentlich­keit bestens im Bilde. Aber wie sieht es mit den Unparteiis­chen aus? Stehen sie allesamt nach der langen Pause voll im Saft?

8. Was wirkt albern in der Inszenieru­ng des Drumherum? Auch wenn sich über Geschmack streiten lässt, wird sich schonungsl­os offenbaren, welche künstliche Inszenieru­ng der Stadionreg­ie den Nerv der TV-Zuschauer trifft und was zur Lachnummer in den Sozialen Medien wird.

9. Wie spannend ist eine Geisterspi­el-Konferenz in TV und Radio? Die Radio-Konferenz lebt davon, am Lautstärke-Grad der Fans erkennen zu können, ob das „Toooooor in Mönchengla­dbach“nun für oder gegen die Borussia gefallen ist. Ob das Format auch ohne Fans funktionie­rt, wird man sehen. Besser: hören. Im TV wird spannend sein, ob öfter als sonst zwischen einzelnen Spielen gewechselt wird, um Ermüdung und Langweile vorzubeuge­n.

10. Welche Kollateral-Corona-Schäden gibt es? Es wird der Aspekt sein, auf den Polizei und Ordnungskr­äfte am gespanntes­ten sein werden: Wird es Fan-Ansammlung­en vor den Arenen geben? Und treffen sich Fans irgendwo in großen Gruppen zum gemeinsame­n Gucken?

11. Wie sehr haben die Zuschauer den Fußball wirklich vermisst? Die TV-Quote wird es unwiderleg­bar verraten.

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