Was digitales Lernen leisten kann
Zweitklässler Anton ist begeistert von den Online-Stunden. Präsenzunterricht ersetzen kann das Format aber nicht.
DÜSSELDORF In dieser Woche kehren auch die ersten drei Jahrgangsstufen in die Grundschulen zurück. Doch so wie vorher wird es nicht sein. Denn die meisten werden ihre Schule, ihre Lerngruppe und die Lehrer nur einmal pro Woche tatsächlich sehen. „Gut gemachte und für alle erreichbare digitale Formate sind in der Krise, aber auch danach für den Lernerfolg immer wichtiger“, sagt Schuldezernent Burkhard Hintzsche. Doch wie funktioniert ein Unterricht über Lernplattformen, Video-Konferenzen und Chats, der an vielen Grundschulen bereits seit einigen Wochen erprobt wird? Und welche Stolpersteine gibt es?
„Guten Morgen“ruft Alexander Grote in die Runde. Nur vereinzelt antworten ihm seine Schüler. Noch sind nicht alle der Videokonferenz beigetreten. Manch einer quatscht aufgeregt dazwischen. Bei den meisten Kindern ersetzt ein virtueller Hintergrund den tatsächlichen Blick in das Wohn- oder Kinderzimmer. Hinter Anton (8) erstreckt sich eine wunderbare Berglandschaft, eine Erinnerung an den Familienurlaub der Familie Schäfer in Tirol. Doch ein Blick auf Lehrer Grotes Bildschirm führt Anton und die anderen schnell zurück in ihr Klassenzimmer in der katholischen Grundschule Fleher Straße. Dort würde ein normaler Schultag im Leben der Zweitklässler wohl ähnlich aufgeregt beginnen. Doch im Gegensatz zum Präsenzunterricht kann Grote jetzt Zwischengespräche durch Stummschalten der Mikrofone auf der Plattform „Zoom“mit ein paar Klicks unterbinden.
Danach verläuft der Deutschunterricht in überraschend geordneten Bahnen. Idas vorgelesener Text bekommt viel Beifall, sie selbst merkt nicht, dass sie sich mit dem vorgehaltenen Buch verdeckt. Hören kann sie das Klatschen aber, denn für Reaktionen und Rückmeldungen schaltet Grote die Mikrofone wieder frei. Nach 45 Minuten ist der
Videounterricht beendet. Frei machen kann Anton aber nicht. „Ich werde einige Aufgaben meines Wochenplans abarbeiten“, sagt er.
In der Phase des reinen „Home-Schoolings“, die in dieser Woche zu Ende geht, wurden Anton und seine Klassenkameraden an den meisten Tagen jeweils eine Stunde unterrichtet. Mehr würde bei Grundschülern kaum Sinn ergeben, meint Grote. „Fast eine Stunde zuhören und auf einen Bildschirm schauen, ist für den Kopf eines Grundschülers bereits sehr herausfordernd.“Doch der Pädagoge ist froh, innerhalb des knappen Zeitfensters mit dem schulischen Stoff etwas voran zu kommen. „Die wenigen Wochen vor den Osterferien konnten wir mit Materialien zur Wiederholung gut überbrücken. Inzwischen ist es aber nötig, neue Sachen zu lernen“, sagt Grote.
Bei komplexeren Themen wie
Multiplikation, die Anton gerade in Mathe lernt, werden Erklärvideos gedreht und auf YouTube hochgeladen, die Kinder können Fragen über einen Chat direkt an die Lehrer stellen. Und auch Rätsel und kleinere Experimente finden sich auf der Website der Fleher Grundschule. Ein Angebot, das Vater Andreas Schäfer begeistert. „Ich finde es toll, dass es mit dem Stoff weitergeht“, sagt er. Sein Sohn würde nicht nur wieder motivierter die Hausaufgaben angehen, sondern auch ein wenig Struktur in den Alltag bekommen. Auch für Tochter Leni (11) spielt an der Realschule Florastraße der virtuelle Unterricht eine wichtige Rolle. Dass sie dafür öfter den Firmen-Laptop von Papa ausleihen muss, findet der Inhaber von „Blumen Brüning“nicht schlimm. „Im Gegenteil, dadurch lernt sie Selbstständigkeit.“
Doch genau das ist längst nicht in jeder Familie möglich. Monika Maraun,
Leiterin der Paulusschule in Düsseltal, sagt: „Wir können iPads an Eltern verleihen, aber bei etwa zehn Prozent unserer Schüler fehlen technische Zugänge beziehungsweise das Wlan.“Manchmal weiche man auf das Smartphone der Eltern aus, aber das stehe längst nicht immer zur Verfügung. In schwierigen Fällen schickt Maraun die Schulsozialarbeiter in die Familien. „Aber nach wie vor werden Lernunterlagen bei uns abgeholt oder per Post verschickt“, sagt die Pädagogin.
Bei aller Euphorie über digitale Kanäle ist der Laptop auch für Anton keine Dauerlösung. „Ich komme damit zurecht, finde es in der Schule aber schöner”, sagt der Achtjährige. Und sein Lehrer ist davon überzeugt, „dass diese Unterstützung der Eltern beim Home Schooling gerade bei Grundschülern den Unterricht mitsamt persönlichen Kontakten nicht ersetzen kann.“