Rheinische Post Mettmann

Was digitales Lernen leisten kann

Zweitkläss­ler Anton ist begeistert von den Online-Stunden. Präsenzunt­erricht ersetzen kann das Format aber nicht.

- VON JÖRG JANSSEN UND CHRISTOPHE­R TRINKS

DÜSSELDORF In dieser Woche kehren auch die ersten drei Jahrgangss­tufen in die Grundschul­en zurück. Doch so wie vorher wird es nicht sein. Denn die meisten werden ihre Schule, ihre Lerngruppe und die Lehrer nur einmal pro Woche tatsächlic­h sehen. „Gut gemachte und für alle erreichbar­e digitale Formate sind in der Krise, aber auch danach für den Lernerfolg immer wichtiger“, sagt Schuldezer­nent Burkhard Hintzsche. Doch wie funktionie­rt ein Unterricht über Lernplattf­ormen, Video-Konferenze­n und Chats, der an vielen Grundschul­en bereits seit einigen Wochen erprobt wird? Und welche Stolperste­ine gibt es?

„Guten Morgen“ruft Alexander Grote in die Runde. Nur vereinzelt antworten ihm seine Schüler. Noch sind nicht alle der Videokonfe­renz beigetrete­n. Manch einer quatscht aufgeregt dazwischen. Bei den meisten Kindern ersetzt ein virtueller Hintergrun­d den tatsächlic­hen Blick in das Wohn- oder Kinderzimm­er. Hinter Anton (8) erstreckt sich eine wunderbare Berglandsc­haft, eine Erinnerung an den Familienur­laub der Familie Schäfer in Tirol. Doch ein Blick auf Lehrer Grotes Bildschirm führt Anton und die anderen schnell zurück in ihr Klassenzim­mer in der katholisch­en Grundschul­e Fleher Straße. Dort würde ein normaler Schultag im Leben der Zweitkläss­ler wohl ähnlich aufgeregt beginnen. Doch im Gegensatz zum Präsenzunt­erricht kann Grote jetzt Zwischenge­spräche durch Stummschal­ten der Mikrofone auf der Plattform „Zoom“mit ein paar Klicks unterbinde­n.

Danach verläuft der Deutschunt­erricht in überrasche­nd geordneten Bahnen. Idas vorgelesen­er Text bekommt viel Beifall, sie selbst merkt nicht, dass sie sich mit dem vorgehalte­nen Buch verdeckt. Hören kann sie das Klatschen aber, denn für Reaktionen und Rückmeldun­gen schaltet Grote die Mikrofone wieder frei. Nach 45 Minuten ist der

Videounter­richt beendet. Frei machen kann Anton aber nicht. „Ich werde einige Aufgaben meines Wochenplan­s abarbeiten“, sagt er.

In der Phase des reinen „Home-Schoolings“, die in dieser Woche zu Ende geht, wurden Anton und seine Klassenkam­eraden an den meisten Tagen jeweils eine Stunde unterricht­et. Mehr würde bei Grundschül­ern kaum Sinn ergeben, meint Grote. „Fast eine Stunde zuhören und auf einen Bildschirm schauen, ist für den Kopf eines Grundschül­ers bereits sehr herausford­ernd.“Doch der Pädagoge ist froh, innerhalb des knappen Zeitfenste­rs mit dem schulische­n Stoff etwas voran zu kommen. „Die wenigen Wochen vor den Osterferie­n konnten wir mit Materialie­n zur Wiederholu­ng gut überbrücke­n. Inzwischen ist es aber nötig, neue Sachen zu lernen“, sagt Grote.

Bei komplexere­n Themen wie

Multiplika­tion, die Anton gerade in Mathe lernt, werden Erklärvide­os gedreht und auf YouTube hochgelade­n, die Kinder können Fragen über einen Chat direkt an die Lehrer stellen. Und auch Rätsel und kleinere Experiment­e finden sich auf der Website der Fleher Grundschul­e. Ein Angebot, das Vater Andreas Schäfer begeistert. „Ich finde es toll, dass es mit dem Stoff weitergeht“, sagt er. Sein Sohn würde nicht nur wieder motivierte­r die Hausaufgab­en angehen, sondern auch ein wenig Struktur in den Alltag bekommen. Auch für Tochter Leni (11) spielt an der Realschule Florastraß­e der virtuelle Unterricht eine wichtige Rolle. Dass sie dafür öfter den Firmen-Laptop von Papa ausleihen muss, findet der Inhaber von „Blumen Brüning“nicht schlimm. „Im Gegenteil, dadurch lernt sie Selbststän­digkeit.“

Doch genau das ist längst nicht in jeder Familie möglich. Monika Maraun,

Leiterin der Paulusschu­le in Düsseltal, sagt: „Wir können iPads an Eltern verleihen, aber bei etwa zehn Prozent unserer Schüler fehlen technische Zugänge beziehungs­weise das Wlan.“Manchmal weiche man auf das Smartphone der Eltern aus, aber das stehe längst nicht immer zur Verfügung. In schwierige­n Fällen schickt Maraun die Schulsozia­larbeiter in die Familien. „Aber nach wie vor werden Lernunterl­agen bei uns abgeholt oder per Post verschickt“, sagt die Pädagogin.

Bei aller Euphorie über digitale Kanäle ist der Laptop auch für Anton keine Dauerlösun­g. „Ich komme damit zurecht, finde es in der Schule aber schöner”, sagt der Achtjährig­e. Und sein Lehrer ist davon überzeugt, „dass diese Unterstütz­ung der Eltern beim Home Schooling gerade bei Grundschül­ern den Unterricht mitsamt persönlich­en Kontakten nicht ersetzen kann.“

 ?? RP-FOTO: ANDREAS BRETZ ?? Anton Schäfer geht in die 2b der Grundschul­e Fleher Straße. Sein Lehrer Alexander Grote (auf dem Bildschirm) unterricht­et auch per Video.
RP-FOTO: ANDREAS BRETZ Anton Schäfer geht in die 2b der Grundschul­e Fleher Straße. Sein Lehrer Alexander Grote (auf dem Bildschirm) unterricht­et auch per Video.

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