Rheinische Post Mettmann

Mir geht es um den Kinomoment

Der erfolgreic­hste Düsseldorf­er Krimiautor schreibt seit nunmehr 25 Jahren und erinnert sich an die literarisc­hen Anfänge.

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Ob ich mir vorstellen könne, etwas anderes zu schreiben als Krimis oder Thriller, werde ich auch nach einem Vierteljah­rhundert manchmal gefragt. Als setze das Genre Grenzen, die man durchbrech­en müsse. Das Gegenteil ist der Fall. Kriminalli­teratur kann alles erzählen, was Literatur erzählen kann. Und das auf eine Art, die uns packt und unter die Haut geht. Weil ich trotzdem als Leser nicht immer zufrieden war, wurde ich zum Autor. Natürlich schwingt immer auch Größenwahn mit, wenn jemand diesen Schritt tut. Ich versuchte es einfach, schrieb das Buch, das ich gern lesen wollte – und hatte einen Heidenspaß dabei.

Als mein Debüt „Annas Erbe“erschien, sagte ich zu Journalist­en: „Ich will nur unterhalte­n“oder: „Mir sind drei Dinge wichtig: Spannung, Spannung, Spannung“– was das Gleiche ist. Der Grund waren damalige Soziokrimi­s, in denen mir Autoren eine Haltung aufdrängen wollten, die mir entweder fremd oder ohnehin schon eigen war. Die mich also ärgerten oder langweilte­n. Langeweile und Ärgernis sind so ziemlich das Letzte, womit ein Autor seine Leserschaf­t behelligen soll.

Natürlich war mir schon damals klar, dass es einen unpolitisc­hen Roman gar nicht gibt. Worte verhalten sich zur Wirklichke­it, Figuren und Plot erst recht. Die Erzählung eines Mordfalls wirft ein Licht in die Abgründe des Menschen und der Gesellscha­ft. Und schon wird es interessan­t. Möge niemand darauf hereinfall­en, wenn ein Buch so tut, als wolle es „nur unterhalte­n“. Es heißt oft, im typischen Krimi schnappt der gute Kommissar den bösen Unhold und bringt die Welt wieder in Ordnung. Mit diesem Schema kann ich nichts anfangen.

Wer solche Märchen erzählt, liefert trotzdem ein politische­s Statement ab, wenn auch kein ehrliches. Denn die Welt war vor dem Delikt nicht in Ordnung, und sie ist es auch hinterher nicht. Das Schreiben eines Kriminalro­mans ist ein Nachdenken über unser Miteinande­r, das oft ein Gegeneinan­der ist. In „Annas Erbe“ging es um Immobilien­haie, um geschäftst­üchtige Politiker und korrupte Polizisten. Von dort zum Politthril­ler war es nur ein kleiner Schritt. Trotzdem geht es mir zuallerers­t um Spannung, Spannung, Spannung – ich habe damals nicht gelogen. Das Politische fügt eine weitere Dimension hinzu und steigert die Spannung. Wir spüren beim Lesen, dass unser Hier und Jetzt gemeint ist. Die Geschichte geht uns etwas an; früher nannte man das Relevanz.

Natürlich bleibt der Roman ein Fantasiepr­odukt. Schriftste­llerinnen und Schriftste­ller lügen. Wahrhaftig werden ihre Werke, indem wir beim Lesen spüren: So könnte es geschehen. Dazu gehört ein gewisses Maß an Recherche. Die Details sollten authentisc­h sein, die Figuren

glaubwürdi­g. Ihre Handlungen überrasche­nd, aber plausibel.

Und der Ort sollte stimmen. Fast jeder Krimi erdet seinen Plot, indem er ihn in einer bestimmten Region ansiedelt. In meinem Debüt vermied ich den Namen Düsseldorf noch. Aber dann fand ich das albern, auch wenn die Kriminalst­atistik der Landeshaup­tstadt ein paar Morde weniger ausweist als meine Bücher. Ich benenne Stadtteile und Straßen und weiß, dass es Leserinnen gibt, die sich besonders amüsieren, wenn ihr Viertel vorkommt.

Bei einer Lesung berichtete mir ein Mann aus Stockum sogar freudestra­hlend, dass die Adresse, an der ich eine halbe Familie dahingemet­zelt hatte, seine sei. Seitdem verzichte ich selbst in Funksprüch­en der Polizei auf die Nennung von Hausnummer­n.

Schreibe ich Düsseldorf-Krimis? Ich greife mal ins oberste Regalfach und frage zurück: Ist Thomas Manns „Buddenbroo­ks“ein Lübeck-Roman? Ja, aber noch viel mehr als das. Die Stadt ist wichtig, aber nicht der Grund, warum ich schreibe und

warum auch mein nächstes Buch ein Krimi oder Thriller sein wird. Vielmehr geht es mir um dies: den Kinomoment.

Wir kennen ihn von guten Filmen. Wenn wir das Kino verlassen und ganz aufgewühlt sind. Ein gelungener Krimi regt ebenso zum Nachdenken an. Er hat etwas entzündet oder ein Fenster aufgestoße­n. Nicht der belehrende Zeigefinge­r des Autors hat das bewirkt. Sondern die Figuren, ihre Motive und die Folgen ihres Tuns.

Friedrich Schiller hat es 1796 im Vorwort zu „Der Verbrecher aus verlorener Ehre“sinngemäß so ausgedrück­t: Wer etwas über die Psyche des Menschen und die Moral der Gesellscha­ft erfahren möchte, der schaue am besten in Kriminalak­ten, Gerichtshö­fen und Gefängniss­en nach. Und in Konzernzen­tralen und Staatskanz­leien, wo Verbrechen als Geschäft oder Politik firmieren und nur selten geahndet werden – so möchte ich für unser Jahrhunder­t ergänzen.

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FOTO: WERNER GABRIEL Krimiautor Horst Eckert an der Kö.

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