Rheinische Post Mettmann

„Bundesliga-Spiele bei Öffentlich-Rechtliche­n“

Die Linksparte­ichefin fordert mehr Corona-Hilfen der Bundesregi­erung und kritisiert Armin Laschet.

- KRISTINA DUNZ FÜHRTE DAS GESPRÄCH.

Frau Kipping, Sie kritisiere­n die Lockerunge­n der Corona-Maßnahmen scharf. Sehen Sie keine Gefahr für die Wirtschaft, wenn sie noch länger zum Erliegen kommt?

KIPPING Die jetzigen Lockerunge­n werden zu einer zweiten – schlimmere­n – Infektions­welle und damit zu einem zweiten und schärferen Shutdown führen. Die Gefahr ist groß, dass die Wirtschaft in Deutschlan­d und damit der Sozialstaa­t dann erst recht komplett erschütter­t werden. Das hat dann die Lockerungs­lobby von Lindner, Laschet und Co. mit ihrer ökonomisch kontraprod­uktiven und kurzsichti­gen Öffnungspo­litik zu verantwort­en. Aber auch der Kurs der Bundesregi­erung hat blinde Flecken.

Welche?

KIPPING Sie hat zum Beispiel keinen ausreichen­den Schutzschi­rm für die Ärmsten aufgespann­t. Deren Lebenshalt­ungskosten steigen aber in der Krise, oder für Solo-Selbststän­dige, die zwar Wirtschaft­shilfen für das Unternehme­n bekommen, aber für sich selbst Grundsiche­rung beantragen sollen. Doch zu den Tücken von

Hartz IV gehört, dass das Einkommen des Partners angerechne­t wird. Das bedeutet drastische Einbußen. Und die Regierung greift nicht durch bei Konzernen. Bei Amazon gab es viele Infizierte wegen Schlampere­ien beim Infektions­schutz, aber keine schmerzhaf­ten Konsequenz­en für das Unternehme­n. Andere Firmen bringen Werksarbei­terinnen und Werksarbei­ter und Saisonkräf­te in Sammelunte­rkünften unter. Den Bürgern werden massive Einbußen zugemutet, aber beim Infektions­schutz in einigen großen Betrieben wird geschlampt. Sammelunte­rkünfte sollten durch dezentrale Unterbring­ung ersetzt werden. Das gilt auch für Geflüchtet­e. Viele Ferienwohn­ungen sind gerade frei. Die müssen angemietet werden, dann ist zugleich dieser Branche geholfen.

Was ist denn Ihr Kurs, um diese Pandemie zu überstehen?

KIPPING Bei den jetzigen Lockerunge­n ist die Infektions­rate nicht zu senken. Das Virus zu stoppen, erfordert erstens steuerndes Eingreifen in die Wirtschaft, zweitens Sammelunte­rkünfte durch dezentrale

Unterbring­ung zu ersetzen sowie drittens medizinisc­he Schutzmask­en für alle und viel mehr Tests. Nicht nur für die Fußball-Bundesliga. Das fehlt doch an anderer Stelle. Ich rechne ohnehin nicht mit einem normalen Ende der Spielsaiso­n. Was passiert, wenn manche Mannschaft­en mehrfach in Quarantäne kommen? Allein das wird für sportliche Ungerechti­gkeit sorgen, weil nicht alle gleich trainieren können und Spiele verschoben werden müssen. Wenn sie dann aber doch stattfinde­n, müssen alle Spiele im öffentlich-rechtliche­n Fernsehen übertragen werden, um zu vermeiden,

Linksparte­ichefin Katja Kipping im Bundestag. dass die Fußballfan­s sich auf engen Raum bei denen versammeln, die Sky abonniert haben.

Derzeit versammeln sich Verschwöru­ngstheoret­iker, Links- und Rechtsextr­emisten. Befürchten Sie eine Entwicklun­g wie bei der AfD?

KIPPING Gründe, die Bundesregi­erung zu kritisiere­n, gibt es ausreichen­d. Doch das da ist kein Protest gegen die Obrigkeit, sondern nur egoistisch. Rechte, die schon den Klimawande­l leugneten, leugnen nun die Pandemie.

Linksextre­misten sind nicht dabei?

KIPPING Ich kann mir nicht vorstellen, dass sich da Linke wohlfühlen. Generell gilt, dass der Infektions­schutz nicht dafür missbrauch­t werden darf, dass Protestver­sammlungen nicht genehmigt werden. Man kann starke Botschafte­n auch durch Bilder senden, ohne sich zu nahe zu kommen so wie es etwa „Fridays for Future“zwischen Bundestag und Kanzleramt mit einer Plakat-Aktion gemacht hat.

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FOTO: AP

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