Rheinische Post Mettmann

Antisemiti­smus: Debatte um Achille Mbembe

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DÜSSELDORF An Achille Mbembe scheiden sich die Geister – gelinde gesagt. Weil inzwischen ein erbitterte­r Streit in der Frage tobt, ob der aus Kamerun stammende Philosoph und Kapitalism­uskritiker antisemiti­sch ist und der internatio­nalen, israelfein­dlichen BDS-Bewegung („Boykott, Desinvesti­tionen und Sanktionen“) nahesteht. Kritische Einwände gegen ihn gibt es seit längerem, doch entbrannte die Debatte erst mit der Ankündigun­g, Mbembe solle die Ruhrtrienn­ale 2020 eröffnen. Das Festival ist inzwischen Corona-bedingt abgesagt, die Debatte ist geblieben. Vielleicht brauchte es einen Anlass, um über einen vielbeacht­eten Denker zu streiten. Das ist noch immer schwierig: Als der Antisemiti­smusbeauft­ragte der Bundesregi­erung, Felix Klein, forderte, Mbembes Ruhrtrienn­alen-Auftritt abzusagen, haben ausgerechn­et jüdische Intellektu­elle dazu aufgerufen, Klein abzusetzen.

Der 62-jährige Mbembe wies inzwischen sämtliche Vorwürfe zurück, bezeichnet­e die Anschuldig­ungen als „absurd“. Ganz so leicht und rigoros ist die Kritik nicht aus der Welt zu schaffen. Unter etlichen verdächtig­en Beiträgen gibt es ein Vorwort zu dem Buch „Apartheid Israel“von 2015. Darin schreibt Mbembe, dass die Apartheids­politik Israels noch „tödlicher“ist als jene von Südafrika. Nach seinen Worten ist die Besetzung Palästinas der „größte moralische Skandal unserer Zeit“und eine „unmenschli­che Prüfung unseres Jahrhunder­ts“. Es ist nur ein Vorwort, aber es intoniert 17 Essays zur „Apartheid Israels“.

Achille Mbembe hat nie den Holocaust geleugnet, auch eine Relativier­ung der Shoa wird man bei ihm nicht finden. Sein Kampf gegen Israel entspringt seiner Kolonialer­fahrung und der daraus resultiere­nden Solidaritä­t mit den Unterdrück­ten. Diese Motivlage aber macht seine Argumentat­ion nicht ungefährli­cher. Das Schlüsselw­ort ist Apartheid – als der gemeinsame Nenner einer Boykottbew­egung, die nach einer Studie der Friedrich-Naumann-Stiftung „im linken Umfeld des angelsächs­ischen Raums aufkeimte“. Es geht um die internatio­nale Isolation Israels, um die Möglichkei­t, jeden Handel mit Israel zu boykottier­en. Damit wäre die Existenz des Landes gefährdet. Auch deshalb ist die Debatte um Achille Mbembe so maßgeblich.

Lothar Schröder

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