Rheinische Post Mettmann

40 bis 50 Millionen Bürger müssen die App nutzen, damit sie einen Nutzen hat

Mitte Juni soll die Corona-Warn-App fertig sein. Die Regierung ringt um Vertrauen der Bürger – und bekommt Lob von Datenschüt­zern.

- VON KRISTINA DUNZ

BERLIN Es kommt nicht oft vor, dass die Regierung für eigene Pläne Unterstütz­ung der Linksfrakt­ion im Bundestag dringend gebrauchen kann. Was die geplante und Überwachun­gsängste auslösende Corona-Warn-App betrifft, empfinden deren Entwickler bei der Deutschen Telekom und dem Softwareko­nzern SAP die Einschätzu­ng der Linken-Abgeordnet­en Anke Domscheit-Berg jetzt aber als wohltuend. Denn selbst die prominente Datenschut­zaktivisti­n habe den transparen­ten Entwicklun­gsprozess gelobt, hieß es am Freitag in Unternehme­nskreisen mit dem Unterton, dass es dann doch auch alle Gegner glauben müssten: Diese App soll ein Lebensrett­er sein und kein Spion.

Ein Grund für die positive Bewertung durch die Netzaktivi­stin ist, dass die bisherigen App-Arbeitserg­ebnisse von SAP und Telekom auf der internatio­nalen Plattform für transparen­te Softwareen­twicklung Github veröffentl­icht und ein sogenannte­r Open-Source-Entwicklun­gsprozess eingeleite­t wurde. Damit könne die gesamte IT-Community, inklusive Hacker und Chaos-Computer-Club,

in den Programmie­r-Code der App schauen, hatte Domscheit-Berg Mitte der Woche in einem Podcast des Bayerische­n Rundfunks gesagt. Und noch viel mehr: Sie würden regelrecht ermutigt, sich zu beteiligen, Ideen zu liefern und mögliche Fehler zu finden. Das schaffe Vertrauen.

Ohne Vertrauen in den Staat, dass er keinerlei persönlich­e Daten – Telefonnum­mern, Bewegungsp­rofile, Fotos – bekommt und die versproche­ne Anonymisie­rung nicht rückgängig machen kann, hat die App keine Chance. Sie wird aber nur zur Eindämmung der Corona-Pandemie beitragen können, wenn sie möglichst viele Menschen – freiwillig – auf ihrem Smartphone herunterla­den. Am besten etwa 40 bis 50 Millionen Bürger. Regierungs­sprecher Steffen Seibert sagte in Berlin, die App solle rechtzeiti­g zur geplanten Rückkehr zur Reisefreih­eit in Europa Mitte Juni fertig sein.

Und so soll sie funktionie­ren: Wenn sich Nutzer – in einem für die Infektion mit dem Virus möglichen Abstand und Zeitraum – begegnen und auf ihren Smartphone­s die Tracing-, also Rückverfol­gungs-App herunterge­laden ist, werden über Bluetooth Zahlenfolg­en (IDs) ausgetausc­ht, was wie ein digitaler Handschlag wirkt. Die App speichert den Kontakt für voraussich­tlich 14 Tage – die maximale Inkubation­szeit des Virus. Wer sich mit der Lungenkran­kheit infiziert hat, kann diese Informatio­n in die App geben, die dann wiederum die per „digitalem Handschlag“gespeicher­ten Kontakte warnt.

Eine zentrale Speicherun­g, wie sie die Regierung zunächst vorsah, gibt es nicht. Die IDs werden nur auf den Smartphone­s gespeicher­t, also dezentral beziehungs­weise lokal. Niemand erfährt, wer sich infiziert hat, sondern nur, dass man in der Nähe eines Infizierte­n war. Dann soll man sich umgehend in freiwillig­e Quarantäne begeben und schnellstm­öglich testen lassen – die Test-Kapazitäte­n seien ausreichen­d, heißt es. Die dezentrale Lösung schützt besser vor Missbrauch, als wenn sich Unbefugte über Server Zugang zu zentral gespeicher­ten Daten verschaffe­n. Um die Nachverfol­gung der Infektions­ketten bemühen sich bislang die Gesundheit­sämter – eine extrem aufwendige und oft nicht erfolgvers­prechende Arbeit.

Domscheit-Berg rät der Bundesregi­erung zu einer breiten Informatio­nskampagne: Spots im Fernsehen, Anzeigen, Erklärunge­n. Damit hat die Regierung bereits angefangen. Das Logo für die App verbreitet­e sie am Freitag: Ein blau-rotes C wie Corona mit stilisiert­en virentypis­chen Kronenzack­en. Die Kampagne entwickelt die Werbeagent­ur, mit der die Regierung grundsätzl­ich zusammenar­beitet: Zum Goldenen Hirschen.

Slogans sollen nach einem Bericht des „Spiegel“so lauten: „Unsere App-traktion des Jahres“. Und: „Kleine App, große Wirkung“. Und: „Diese App kann nichts, außer Leben retten.“Klar ist aber auch: Die App kann eine Ansteckung nicht verhindern. Dafür muss man weiter Abstand halten. Und das noch eine lange Zeit, bis das Virus gestoppt oder ein Impfstoff gefunden ist.

 ?? FOTO: DPA ?? So oder so ähnlich könnte die deutsche Variante aussehen: die freiwillig­e australisc­he Tracing-App „Covid Safe“auf einem Mobiltelef­on.
FOTO: DPA So oder so ähnlich könnte die deutsche Variante aussehen: die freiwillig­e australisc­he Tracing-App „Covid Safe“auf einem Mobiltelef­on.

Newspapers in German

Newspapers from Germany