Hauen und Stechen im Mittelfeld
Für das erste Spiel nach zehn Wochen Wettkampfpause steht Fortunas Trainer Uwe Rösler ein Riesenkader zur Verfügung.
DÜSSELDORF Für Marcel Sobottka war es bislang eine Saison zum Vergessen. Der Mann, der über Jahre hinweg eine unverzichtbare Säule in Fortunas Mittelfeld gewesen ist, wurde immer wieder durch Verletzungen zurückgeworfen, wenn er sich gerade wieder an die erste Elf herangespielt hatte. So kam der 26-Jährige an den 25 Spieltagen vor der Corona-Pause gerade einmal auf 385 von 2250 möglichen Einsatzminuten – für Sobottkas Verhältnisse nicht einmal ein Warmlaufen. Ausgerechnet der große Bruch in dieser Spielzeit, der die gesamte Gesellschaft so stark durchrüttelte, könnte sich nun positiv für ihn auswirken.
„Marcel hat die Zeit gut genutzt“, sagt Cheftrainer Uwe Rösler. „Er ist über die gesamten zehn Wochen verletzungsfrei geblieben und daher topfit. Jetzt ist er absolut eine Alternative für uns.“Der Haken an der Geschichte: Gleiches gilt für viele andere Fortuna-Profis auch. Am Samstag (15.30 Uhr) gegen den SC Paderborn sind lediglich drei Profis
verletzungsbedingt nicht dabei – Torhüter Zack Steffen sowie die Angreifer Dawid Kownacki und Bernard Tekpetey. Zudem steht auf der Ausfallliste Kapitän Oliver Fink, da der junge Familienvater die Quarantäne abbrach und erst am Sonntag wieder zum Team stößt. Alle übrigen sind einsatzfähig, und daher ist seine hervorragende Trainingsform kein Freibrief für Sobottka.
„Bei Alfredo Morales und Adam
Bodzek sieht es nach ihren Muskelblessuren auch schon wieder gut aus“, berichtet Rösler. „Das wird ein Hauen und Stechen im Kampf um die Rolle im defensiven Mittelfeld.“Falls der Chefcoach auch gegen das Tabellenschlusslicht auf ein 3-5-2-System setzt, wie er es bei Fortuna bisher meist getan hat, blieben drei Positionen in der Schaltzentrale. Geht man davon aus, dass Kevin Stöger dort aufgrund seiner gestalterischen Fähigkeiten gesetzt ist, kämpfen Sobottka, Bodzek, Morales und Valon Berisha um die beiden Plätze daneben.
„Klar haben sich Spieler aufgedrängt“, sagt Rösler. „Ich muss den Wettbewerb um die Plätze anheizen, dabei aber auch nicht vergessen, was Spieler vor der Pause geleistet haben. Das ist ein schmaler Grat.“Die Mannschaft ist sich über die vielen Möglichkeiten des Trainers, die auf anderen Positionen ähnlich aussehen, offenbar im Klaren. „Die Trainingseinheiten am Mittwoch und Donnerstag waren richtig gut“, lobt der 51-Jährige. „Wir haben unter anderem Pressingsituationen geübt, und das sah schon sehr ordentlich aus.“
Die ganz große Unbekannte des 26. Spieltags kann jedoch nicht wirklich trainiert werden, weder in Düsseldorf noch an irgendeinem anderen der 18 Bundesliga-Standorte: Niemand kann seriös sagen, wie stark die ungewohnte Atmosphäre ohne Zuschauer im Stadion und mit Atemschutzmasken bei allen Beteiligten auf den Mannschaftsbänken das Spiel und damit das Ergebnis beeinflussen werden.
Dass es für diese Geisterspiele bestimmter Spielertypen bedürfe, glaubt Rösler eher nicht. „Von Typen kann man da nicht reden“, meint er. „Jedes Individuum verkraftet eine solche Situation anders.“Wobei diese Situation ja nicht erst mit dem Anpfiff am Samstag beginnt, sondern all das umfasst, was in den vergangenen zehn Wochen auf die Spieler eingewirkt hat – vom Homeoffice mit Trainingsanleitungen per Videochat über Kleingruppentraining und allmählichen Übergang zur Mannschaftsarbeit. „Aber jedes Mal, wenn man dann nach dem Training wieder in das Leben außerhalb des Fußballs zurückkehrt, stellt man wieder fest, dass eben nichts normal ist“, sagt der Trainer.
Vielleicht ist diese Erkenntnis ja gar nicht so schlecht: Der Profifußball kann eben auf Dauer nicht komplett außerhalb der Gesellschaft existieren. Auch wenn es während der Geisterspiele am Wochenende vorübergehend den Anschein haben wird.