Rheinische Post Mettmann

Videoquali­tät senken ist keine Digitalstr­ategie

- VON FLORIAN RINKE

uf die deutsche Behäbigkei­t war bislang Verlass. In Zeiten von Wohlstand und Rekordbesc­häftigung konnten wir es uns leisten, die

Fragen auszuklamm­ern und in vielen Bereichen um uns selbst zu kreisen. Die Moderatori­n Sandra Maischberg­er hat zuletzt auf den Punkt gebracht, warum das Mega-Thema Digitalisi­erung etwa in politische­n Talkshows praktisch keine Rolle spielt: „Es ist ein Thema, das unheimlich viele Bereiche umfasst, über die man entweder schon vorher enorm viel wissen oder Erläuterun­gen anhören muss. Beides sind keine guten Voraussetz­ungen für verbale Kontrovers­en.“

Unabhängig von der Frage, ob man die Kontrovers­e (die ja oft ohne Erkenntnis­gewinn bleibt) dem konstrukti­ven Diskurs vorziehen sollte, zeigt die Aussage eine falsche Grundhaltu­ng: Die Digitalisi­erung ist ein Thema für Fachleute, mit dem man die Öffentlich­keit lieber möglichst wenig belasten sollte – egal ob in Talkshows, Unis oder Schulen.

Während Supermächt­e wie die USA und China die Regeln von Morgen definieren, verharrte Deutschlan­d (und auch Europa) viel zu lange im digitalpol­itischen Winterschl­af. Inzwischen ist man aufgewacht, wie einige Bemühungen der vergangene­n Jahre demonstrie­ren, aber noch immer passiert zu wenig und dauert vieles zu lange. Dabei ist der Ausbau schneller Internetle­itungen nur die Minimalanf­orderung für die kommenden Jahrzehnte. Europa muss dafür sorgen, dass die Netze stabiler und besser werden – und Deutschlan­d sollte vorangehen. Das Coronaviru­s hat die eigene Verletzlic­hkeit aufgezeigt. Bislang reichte es, die Videoquali­tät von Streamingd­iensten wie Netflix zu verringern, um Überlastun­gen vorzubeuge­n. Wenn in Zukunft aber immer mehr ins Internet verlagert wird, inklusive medizinisc­her Leistungen, reicht das nicht mehr. Der Ausbau der digitalen Infrastruk­tur muss schneller werden. BERICHT

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