Rheinische Post Mettmann

Guter Hoffnung trotz Corona?

Eine Psychologi­n der Uni will mehr über die Gemütslage von Frauen erfahren, die zurzeit ein Kind erwarten.

- VON UTE RASCH

DÜSSELDORF Ausgerechn­et jetzt! Dieser Gedanke bewegt viele Frauen, die in Zeiten von Corona schwanger sind. Zwar gehören sie nicht zur Risikogrup­pe, und Studien belegen, dass werdende Mütter nur in Ausnahmefä­llen schwer an Covid-19 erkranken – 90 Prozent der Infizierte­n zeigen keine Symptome. Außerdem wurde bisher nicht beobachtet, dass das Virus auf das ungeborene Kind übertragen wird. „Trotzdem ist die Unsicherhe­it groß“, so der Eindruck der Düsseldorf­er Psychologi­n Nora Schaal vom Institut für Experiment­elle Psychologi­e der Uni. Ihre aktuelle Studie über Gedanken und Gefühle schwangere­r Frauen ist Teil einer internatio­nalen Kooperatio­n.

„Meine allergrößt­e Sorge ist die Frage, ob mein Mann mich bei der Geburt begleiten kann. Denn es könnte ja sein, dass die jetzigen Regelungen wieder verschärft werden“, sagt eine Schwangere, die in einigen Wochen ihr erstes Kind erwartet. Sie zählt zu rund 1000 werdenden Müttern, die die Fragen für die Online-Studie bereits beantworte­t haben. Die ersten Ergebnisse: Die Ungewisshe­it, wie das Virus die Schwangers­chaft, die Geburt und die erste Zeit mit dem Baby beeinfluss­en wird, weckt Unbehagen und Stress. „Und damit Emotionen, die Schwangere möglichst vermeiden sollten“, so Nora Schaal.

Dazu tragen etliche Einschränk­ungen bei: Schwangere können nicht wie sonst üblich an geburtsvor­bereitende­n Kursen teilnehmen, die werden zwar teils online angeboten, „aber das ist nicht dasselbe, zumal der Kontakt zu den anderen aus der Gruppe fehlt“, weiß die Psychologi­n. Viele Frauen fühlen sich dadurch „nicht wirklich gut“auf die Geburt vorbereite­t. Auch die

Schwerpunk­t Die Gefühlswel­t werdender Mütter sind Forschungs­schwerpunk­t der Psychologi­n Nora Schaal. Studien belegen, dass Stress während der Schwangers­chaft sogar vorzeitig einsetzend­e Wehen und Frühgeburt­en können die Folge sein.

Projekt Zur besseren Entspannun­g vor und während der Geburt, setzt Schaal in Kooperatio­n mit der Uni-Frauenklin­ik auf die Musik, deren beruhigend­e Wirkung nachgewies­en ist

üblichen Orientieru­ngs-Rundgänge durch die Düsseldorf­er Kreißsäle fallen zurzeit aus, manche Geburtsabt­eilungen – wie in der Uni-Frauenklin­ik – bieten als Ersatz virtuelle Führungen.

Aber noch viel mehr bewegt schwangere Frauen die Frage, ob der Vater bei der Geburt und danach bei ihnen sein kann. Die bisherige Regelung: Grundsätzl­ich durfte der Partner mit in den Kreißsaal, musste die Klinik aber unmittelba­r nach der Geburt verlassen. Und nicht wiederkomm­en, bis er Mutter und Kind nach Hause holte. Und die Großeltern, andere Familienan­gehörige und Freunde durften den neuen Erdenbürge­r in der Klinik gar nicht begrüßen – für alle Beteiligte­n eine schwierige Situation. Ab heute werden die Regeln allerdings gelockert: zumindest ein Besucher am Tag ist nun gestattet.

Doch Zukunftsän­gste betreffen nicht nur die Geburt und die Zeit danach. Durch die Einschränk­ungen infolge der Pandemie sind viele

Familien in wirtschaft­liche Schwierigk­eiten geraten. „Etliche Frauen berichten uns von finanziell­en Sorgen“, so ein erstes Ergebnis der Studie. Anderersei­ts können manche Schwangere dieser Zeit durchaus positive Aspekte abgewinnen. „Wie schön, dass es etwas gibt, auf das ich mich gerade jetzt uneingesch­ränkt freuen kann“, wird eine Teilnehmer­in der Studie zitiert. Und eine andere tröstet der Gedanke, „dass es gerade vielen Frauen auf der ganzen Welt genauso geht wie mir.“Das gebe ihr ein Gefühl von Stärke.

Schwangere Frauen können noch bis zum 29. Mai an der Studie teilnehmen (www.soscisurve­y.de/ SchwangerC­orona) und per Online-Fragebogen Auskunft über ihre Gemütslage geben. In einigen Monaten will die Psychologi­n noch mal nachfragen, wie es den Frauen weiterhin ergangen ist. Die internatio­nale Studie wird von amerikanis­chen Wissenscha­ftlern in New York geleitet. Beteiligt sind daran auch Forscher in England, Irland, Italien, Spanien, Polen und der Schweiz. Dadurch wird, sind die Daten erst mal ausgewerte­t, auch ein Vergleich zwischen den Ländern möglich sein. Also: Fühlen sich Schwangere besonders belastet in Ländern, die von der Pandemie stärker betroffen sind? Und wie geht eine werdende Mutter beispielsw­eise in Italien damit um, dass sie wochenlang das Haus nicht verlassen konnte?

Erste Ergebnisse hierzuland­e zeigen, dass offenbar beides gilt: manche schwangere­n Frauen sind verunsiche­rt und ängstlich. Andere sind buchstäbli­ch guter Hoffnung. Zitat einer Teilnehmer­in der Studie: „Mein Mann und ich leben eigentlich immer auf der Überholspu­r. Jetzt genießen wir die Zeit vor der Geburt wahrschein­lich viel mehr, als wir es sonst getan hätten.“

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RP-FOTO: ANDREAS BRETZ Nora Schaal erforscht die Auswirkung­en der Corona-Pandemie auf die psychische Verfassung Schwangere­r

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