Wenn Männer sich wie Kater aufführen
Frauen erleben in der Öffentlichkeit immer wieder, dass Männer ihnen nachschnalzen oder ihnen Sprüche zurufen. Kann man harmlos finden, doch spielen die Herren damit Dominanz aus und reduzieren Frauen auf ihr Aussehen.
Manche Männer kommen ganz ohne Worte aus. Sie schnalzen oder schicken Luftküsschen in den Wind, als gelte es, ein Tierbaby anzulocken. Andere versuchen es mit kurzen Sprüchen, in denen das Wort „Süße“vorkommt oder „geil“und irgendwas mit wohlgeformten Körperteilen.
Männer rufen Frauen nach, dieses Phänomen ist alt und weit verbreitet, seit einiger Zeit gibt es auch ein Wort dafür: „Catcalling“– Kätzchen locken, so könnte man das übersetzen. Das Sprachbild deutet die Probleme an: Die Schnalzereien gehen einseitig von Männern aus – gelockt wird nicht ein Kater, sondern die Katze –, und es gibt ein klares Gefälle, denn das gelockte Kätzchen ist der Sprache ja nicht mächtig, kann also nichts erwidern.
Verbale Übergriffigkeiten der Catcalling-Sorte wurden lange toleriert als vulgäre Flirtversuche auf der Straße. Frauen können ja einfach weitergehen, die Sprüche und Pfiffe in der Luft hängen lassen wie ein schlechtes Parfüm. Warum sich also aufregen?
Doch gegen diese harmlose Sichtweise regt sich Widerstand. Viele Frauen empfinden die Nachrufe nicht als plumpe Komplimente, sondern als lästig bis übergriffig, mitunter sogar bedrohlich. Schließlich reagieren die Rufer ausschließlich auf das Aussehen einer Frau, reduzieren sie im Moment des Geschnalzes also auf ihren Körper und machen sie so zum Objekt. Außerdem ist es allein der Mann, der beschließt, dass er gerade Lust auf ein bisschen verbale Nachstellerei hat. Die Rufer spielen also ihre Dominanz aus, Frauen können nur reagieren. Oder ignorieren. Gerade wenn das Gemieze in Männergruppen losgeht, ist auch zu beobachten, dass diese Art der Übergriffigkeit Männern ein gutes Gefühl gibt. Die Feixer werden in der Gruppe gefeiert. Die Frau ist in der schwächeren Position.
Eine Studentin aus Fulda will das jetzt ändern. Antonia Quell hat eine Petition gestartet, um dem Thema in der Politik Aufmerksamkeit zu verschaffen. In Frankreich, Belgien, Portugal und den Niederlanden ist Catcalling bereits strafbar und wird mit Geldstrafen um die 750 Euro geahndet. Das hielte Quell auch in Deutschland für angemessen. „Das deutsche Recht sollte ein Wegweiser für Richtig und Falsch sein. Ein Gesetz gegen Catcalling demonstriert, dass verbale sexuelle Belästigung definitiv falsch ist“, schreibt Quell in ihrer Petition. Unterstützen mindestens 50.000 Menschen eine Petition, darf der Einreicher vor dem Petitionsausschuss des Bundestages über sein Anliegen sprechen. Diese Grenze hat Quell schon überschritten.
Catcalling steht bisher wohl auch deswegen nicht unter Strafe, weil die Fälle schwer zu belegen sind. Allerdings kann man auch fragen, ob gleich der Staat in Stellung gebracht werden muss, um ungehöriges Verhalten abzustellen. Die Petition kann aber helfen, überhaupt erst ein Bewusstsein dafür zu schaffen, dass sexuelle Belästigung auch allein durch Worte geschehen kann.
In München haben Frauen das dokumentiert, indem sie an den Stellen in der Stadt, an denen ihnen Männer sexistische Dinge nachriefen, die Sprüche mit Kreide auf den Asphalt geschrieben haben. In den Niederlanden hat Studentin Noa Jansma kurzerhand Selfies mit den Männern gemacht, die sie verbal belästigt hatten. Sie veröffentlichte die Bilder bei Instagram unter dem Hashtag „Dearcatcallers“. Die Fotos zeigen eine junge Frau, die versucht, so teilnahmslos zu gucken wie ein Mensch, der gerade auf seinen Körper reduziert wurde. Die Männer hingegen grinsen überwiegend in die Kamera. Von Verlegenheit keine Spur. Die Selfies sind auch deswegen bemerkenswert, weil Jansma das Gefälle umkehrt, sie steht stets im Vordergrund. Sie hält die Kamera. Wie so oft,
Autorin wenn Verhältnisse zwischen den Geschlechtern neu ausgehandelt werden müssen, wird auch den Aktivistinnen in Sachen Catcalling übertriebene Sensibilität vorgeworfen. Das hat sicher damit zu tun, dass das Nachgepfeife so lange toleriert wurde und auch in der Werbung oder in Spielfilmen als vermeintliche Flirterei oft positiv dargestellt wurde. Da liegt es nahe zu sagen: Habt euch nicht so! Doch eine jüngere Frauengeneration geht selbstbewusster von ihren Empfindungen aus. Und es fühlt sich für die meisten eben nicht gut an, von Männern taxiert und nach deren Gutdünken mit Sprüchen bedacht zu werden. Es braucht keinen Körperkontakt, um sich von anderen bedrängt zu fühlen.
Ein Gesetz, das Catcalling unter Strafe stellt, hätte Symbolkraft, findet die Feministin und Autorin Magda Albrecht. Auch wenn die praktische Wirkung wegen der Beweislast bei den Betroffenen fraglich wäre. „Aber was es mindestens genauso braucht, ist eine gesamtgesellschaftliche Debatte zu Sexismus, zu verbalen und körperlichen Grenzüberschreitungen sowie zu unhinterfragten Männlichkeitsattitüden und Machtdemonstrationen“, sagt Albrecht. Belästigung sei kein Flirt, sondern eine unerwünschte Handlung, die von den Frauen nicht einfach hingenommen werden müsse. „Anstatt die Frauen und ihre gerechtfertigten Widerstände zu kritisieren, sollte sich vielmehr die Frage gestellt werden: Wie politically correct verhalten sich die meist heterosexuellen Männer, die Frauen ungefragt teils widerliche Bemerkungen hinterherrufen?“, sagt Albrecht.
Diskussionen wie die über Catcalling können zu einer höheren Sensibilität zwischen den Geschlechtern beitragen. Auch wenn das manche Menschen als Zumutung empfinden und beklagen, die Unbefangenheit zwischen Männern und Frauen gehe verloren. In der Regel ist es gar nicht schwer auszumachen, ob jemand einem anderen etwas Freundliches sagt, von Mensch zu Mensch, oder ob er genüsslich seine vermeintlich stärkere Position ausspielt und den anderen behandelt wie ein süßes Kätzchen.
„Es braucht mindestens eine gesamtgesellschaftliche Debatte zu Sexismus“
Magda Albrecht