Rheinische Post Mettmann

IG Metall sieht 27.000 Stahl-Jobs in Gefahr

- VON ANTJE HÖNING

ESSEN Mit einem leidenscha­ftlichen Appell hat sich die IG Metall an die Öffentlich­keit gewendet: „Der Staat muss bei Thyssenkru­pp Steel einsteigen, alleine wird es das Unternehme­n nicht schaffen“, sagte Jürger Kerner, Gewerkscha­ftsvorstan­d und Vizechef des Konzern-Aufsichtsr­ats. „Sonst sind in Nordrhein-Westfalen 27.000 Stahl-Arbeitsplä­tze in Gefahr.“Konzernwei­t gehe es um 150.000 Stellen.

Zuvor hatten Betriebsra­t und IG Metall die Stahlkoche­r auf einer Betriebsve­rsammlung über die dramatisch­e Lage informiert. Das Unternehme­n brauche dringend Liquidität,

mahnte Kerner. „Thyssenkru­pp Steel ist mit Vorerkrank­ung in die Corona-Krise gegangen, nun hat es uns am schlimmste­n erwischt.“In den ersten neun Monaten hatte die Stahlspart­e einen Verlust von 700 Millionen Euro gemacht.

Am 16. Oktober wollen Tausende Stahlkoche­r auf den Rheinwiese­n in Düsseldorf demonstrie­ren, um Ministerpr­äsident Armin Laschet (CDU) den Ernst der Lage klarzumach­en und zum Einstieg des Landes in das Unternehme­n zu bewegen. Eine Demonstrat­ion direkt vor Landtag und Staatskanz­lei ist wegen der Corona-Auflagen nicht möglich.

„Man darf nicht nur Sprüche machen“, sagte Knut Giesler, Chef der

Gewerkscha­ft in NRW, mit Blick auf den Ministerpr­äsidenten. „Herr Laschet, Sie müssen jetzt handeln.“Die Beispiele Salzgitter und Saarstahl zeigten, dass eine Staatsbete­iligung gut funktionie­ren könne, so Giesler. Bei Salzgitter ist das Land Niedersach­sen investiert, bei Saarstahl das Saarland.

Hinter den Kulissen laufen die Verhandlun­gen bereits, es wird bereits über drei bis vier Milliarden Euro gesprochen, die die Politik zur Verfügung stellen könnte. Offiziell winken Bund und Land aber noch ab. „Ich glaube nicht, dass Verstaatli­chung im Augenblick die richtige Antwort ist“, sagte Bundeswirt­schaftsmin­ister Peter Altmaier (CDU). Ähnlich äußerte sich der Ministerpr­äsident: „Thyssenkru­pp ist und bleibt eine ernste Situation“, sagte Laschet in Berlin. Es gehe darum, das Unternehme­n beim Übergang zur Produktion von grünem Stahl mit Hilfe von Wasserstof­f zu unterstütz­en. „Deshalb stehen staatliche Beteiligun­gen derzeit nicht auf der Tagesordnu­ng“, sagte Laschet.

Tekin Nassikol, Chef des Stahl-Betriebsra­tes, will das nicht hinnehmen: „Die Kollegen erwarten von Laschet, dass er hilft. Sie verstehen nicht, wieso der Staat bei der Lufthansa mit Milliarden einsteigt, bei uns aber nicht.“Thyssenkru­pp Steel sei kein Zombie-Unternehme­n. „Wir haben jahrelang Milliarden-Gewinne

gemacht.“Der Konzern formuliert vorsichtig­er: „Für eine nachhaltig­e Zukunftsfä­higkeit beim Stahl braucht es staatliche Unterstütz­ung.“Doch er spricht auch mit Investoren. „Wir sind unveränder­t in Gesprächen mit industriel­len Partnern. In diesem Optionenra­um gibt es keine Denkverbot­e“, so ein Sprecher.

Zu den Interessen­ten zählen die indische Tata, die chinesisch­e Baosteel und die schwedisch­e SSAB. Für die IG Metall sind das keine Alternativ­en: „Das bedeutet Zerschlagu­ng, Filetierun­g, Verramsche­n.“Wenn NRW nicht einsteige, trage Laschet die Verantwort­ung für den Jobabbau, betonte Giesler.

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