Abschied von der großen Politik-Bühne
Für fast die Hälfte der Ratsleute ist die Sitzung im ISS Dome ihre letzte. Manche wollten es so, andere wurden vom Wählervotum kalt erwischt. Die Gefühle reichen von Erleichterung bis Enttäuschung.
DÜSSELDORF Der Ort ist besonders, der Anlass ist es auch: Am Donnerstag trifft sich der 2014 gewählte Rat im ISS Dome zu seiner letzten Sitzung. Fast die Hälfte der 82 Mitglieder wird an diesem Tag Abschied nehmen. Manche wollten es genauso, bei anderen entschieden die Wähler oder – bereits im Vorfeld – die eigene Partei. Und für einige ist es der Schlusspunkt unter eine politische Lebensleistung.
Der unfreiwillige Abschied „Ich habe kandidiert, weil ich gewinnen wollte und finde es schade, nun im Rat nicht mehr dabei zu sein“, sagt Annelies Böcker. 45 Jahre ist die Düsseltalerin in der aktiven Politik. „Aber Ermüdungserscheinungen habe ich keine“, sagt die Christdemokratin. Böcker denkt unabhängig, stimmte vor Jahren als einzige in ihrer Partei gegen die konkrete Planung für die Bilker Arkaden. Ihr Kampf für den Erhalt der Linie 708, mit dem sie die damalige Rheinbahn-Führungsetage vergrätzte, ist vielen Bürgern in Erinnerung geblieben. „Ich verkörperte damals einen neuen Typus Frau, für die Männer war das noch sehr ungewohnt“, sagt die Vollblut-Politikerin. Nun verlor sie gegen die Grünen. Dafür macht Böcker nicht zuletzt die neu festgesetzten Grenzen ihres Wahlkreises mitverantwortlich. „Ob es sonst am Ende gereicht hätte, weiß ich nicht mit Bestimmtheit, aber die Chancen wären besser gewesen.“An einen Komplett-Rückzug denkt die Frau, die eine schwarz-grüne Allianz für möglich hält, aber nicht. „In der Bezirksvertretung für Flingern und Düsseltal bleibe ich aktiv.“
Kalt erwischt hat der Sinkflug der Sozialdemokraten Ioannis Vatalis. Seit 16 Jahren sitzt der 51-Jährige im Rat, einige Jahre war er Vorsitzender des Ausländerbeirats. Seit 24 Jahren ist er in der SPD. Seine griechischen Großväter waren im Widerstand, sein Vater Pantelis, der bei Mannesmann in Rath sein Geld verdiente, war bereits 1970 in die SPD eingetreten. „Für ihn war mein Ratsmandat irgendwie auch ein Beleg für eine rundum gelungene Integration“, sagt der gebürtige Düsseldorfer, der eine Sprachschule betreibt.
Dass er ausgerechnet einen Oberbilker Wahlkreis gegen eine grüne Mitbewerberin verlor und sein 19. Platz auf der Reserveliste wider Erwarten nun nicht zieht, macht ihn nachdenklich. Tatsächlich hat es die SPD-Fraktion am 13. September besonders hart erwischt. Sie muss künftig auf so profilierte Mitglieder wie Mathias Herz und Philipp Tacer verzichten. „Dreimal Große Koalition in Folge, das hat uns sehr geschadet“, benennt Vatalis einen der vielen Gründe für das Wahl-Desaster.
Der freiwillige Abschied Ganz anders ergeht es jenen Ratsleuten, die ihren Abschied bewusst auf 2020 hin geplant haben. Zu ihnen zählen die beiden scheidenden Bürgermeister Friedrich G. Conzen (CDU, 74) und Wolfgang Scheffler (Grüne, 76). „Ich wollte nicht abgewählt oder irgendwann in den Abschied gedrängt werden, sondern den richtigen Zeitpunkt selbst wählen“, sagt Conzen, der 1979 seine erste Ratssitzung erlebte. Ganz ähnlich sieht es Scheffler. „Ich bin dankbar für 31 Jahre, in denen ich Einfluss auf die Entwicklungen in Düsseldorf nehmen durfte. Den Schlusspunkt unter die aktive Politik hatte ich mir aber schon länger für diesen Herbst vorgenommen.“
Doch es sind nicht nur Ältere, die ihren Rückzug aus der Politik bewusst vorbereitet haben. „Ich will mich mich mehr auf Familie und Beruf konzentrieren“, sagt Oliver Schreiber. Der SPD-Ratsherr, der im Planungs-, Jugend- und Schulbereich Akzente für seine Fraktion setzte, verzichtete bewusst darauf, im Wahlkreis am Flingerbroich erneut zu kandidieren. Bewusst ließ sich der 38-Jährige auf der Reserveliste weit nach hinten setzen. Tatsächlich ist das ehrenamtliche Engagement in Gremien, Ausschüssen und Verwaltungsräten ein Zeitfresser. „Man braucht eine Familie, die Verständnis dafür hat und einem immer wieder den Rücken freihält“, sagt Conzen, der lange Vorsitzender des Kulturausschusses war. Entschädigt fühlt sich der Carlstädter durch die Mitwirkung an wichtigen Entscheidungen wie beispielsweise der Wahl des aktuellen Schauspielhaus-Intendanten. „Die Akzeptanz ist enorm, das haben wir wirklich gut hinbekommen.“Entschädigt hätten ihn aber auch Begegnungen mit interessanten Menschen. „So denke ich immer noch an Treffen mit Nicole Heesters oder Wim Wenders.“