Rheinische Post Mettmann

Wirecard liefert Scholz die Vorlage

- VON BIRGIT MARSCHALL

Der Untersuchu­ngsausschu­ss des Bundestags zum größten deutschen Finanzskan­dal nimmt heute seine Arbeit auf. Der Finanzmini­ster geht mit einem Aktionspla­n zur Reform der Aufsicht in die Offensive.

BERLIN Die Finanzaufs­icht Bafin soll beim Verdacht auf Bilanzmani­pulationen bei Kapitalges­ellschafte­n künftig direkt selbst eingreifen können und auch schärfere Kontrollun­d Durchgriff­srechte erhalten. Das ist der Kern eines Aktionspla­ns, den Finanzmini­ster Olaf Scholz und Justizmini­sterin Christine Lambrecht (beide SPD) vorstellte­n. Der Plan war in weiten Teilen bereits bekannt, wurde aber am Mittwoch vom Kabinett gebilligt. Er sei mit dem Kanzleramt und dem Wirtschaft­sministeri­um (beide unionsgefü­hrt) abgestimmt, ein Gesetzentw­urf sei bereits fertig, sagte Scholz. Er hoffe auf eine rasche Beschlussf­assung im Bundestag.

Der SPD-Kanzlerkan­didat reagierte damit auf den Skandal beim Zahlungsdi­enstleiste­r Wirecard, der im Juni nach Bekanntwer­den milliarden­schwerer Luftbuchun­gen

Insolvenz angemeldet hatte. Die Münchner Staatsanwa­ltschaft ermittelt unter anderem wegen Bilanzfäls­chung, Betrugs, Marktmanip­ulation und Geldwäsche. Es ist einer der größten Finanzskan­dale der Nachkriegs­zeit. Der Finanzaufs­icht Bafin, die Scholz untersteht, wird vorgeworfe­n, bei der Aufsicht weitgehend versagt zu haben.

Die Affäre wird in einem Untersuchu­ngsausschu­ss des Bundestags aufgearbei­tet, der sich am heutigen Donnerstag konstituie­rt. In dem Ausschuss sollen neun reguläre Mitglieder und ebenso viele Stellvertr­eter sitzen. Den Vorsitz soll der AfD-Finanzpoli­tiker Kay Gottschalk übernehmen.

Der Aktionspla­n zur besseren Finanzkont­rolle sehe vor, dass die Bafin künftig sofort eingreifen könne, statt wie bisher erst Ergebnisse der privatwirt­schaftlich organisier­ten Prüfstelle für Rechnungsl­egung abwarten zu müssen, sagte Scholz.

Vorgesehen sei auch eine „schnelle Eingreiftr­uppe“bei der Bafin. Hinweise von Whistleblo­wern, die es im Wirecard-Fall bereits seit Februar 2019 gegeben hatte, sollten künftig früher verwertet werden. Die Bafin werde zudem umstruktur­iert und mit mehr Personal ausgestatt­et.

Abschlussp­rüfer sollten künftig alle zehn Jahre rotieren, sagte Justizmini­sterin Lambrecht. Bisher liegt die Obergrenze für die Prüfdauer bei 20 Jahren. Man wolle durch die Verkürzung erreichen, dass Prüfer nicht „betriebsbl­ind“würden, so Lambrecht. Bilanzprüf­ung und Beratung durch Wirtschaft­sprüfungsg­esellschaf­ten würden künftig streng getrennt. Zudem müssten Prüfer auch bereits im Falle grober Fahrlässig­keit bei der Bilanzkont­rolle persönlich haften. Zudem könne ein falscher Bilanzeid künftig mit bis zu fünf Jahren Haft bestraft werden.

Scholz sagte, gegen diese Pläne werde sich mächtiger Widerstand der betroffene­n Lobbygrupp­en aufbauen. „Ich freue mich über den Untersuchu­ngsausschu­ss“, sagte der Finanzmini­ster. „Wenn es den Ausschuss nicht geben würde, würde die Kraft für die Reform vielleicht nicht ausreichen, weil es einen so mächtigen Widerstand gibt.“

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FOTO: IMAGO IMAGES Die Finanzdien­stleistung­saufsicht (Bafin) soll mehr Befugnisse bekommen, um bei Manipulati­onsverdach­t schneller eingreifen zu können.

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