Rheinische Post Mettmann

„Ich möchte eine korrekte Beurteilun­g“

Fortunas Coach im Exklusiv-Gespräch. Er wirbt um Verständni­s für den aktuellen Leistungss­tand und stellt sich vor sein Funktionst­eam.

- PATRICK SCHERER FÜHRTE DAS GESPRÄCH.

Wir erreichen Uwe Rösler kurz vor dem Mittagesse­n mit seiner Frau. Er hat sich schon passend gekleidet: Der weiße Kragen eines Hemdes ragt aus dem Sonntagspu­lli heraus. Der 51-Jährige lächelt in die Smartphone­kamera, ist gut gelaunt. Doch wenn er anfängt, über Fortuna zu sprechen, nimmt seine Mimik ernstere Züge an. Es passt dem Trainer nicht, wie Teile des Umfelds den Saisonstar­t mit zwei Siegen (Pokal und Liga) und zwei Niederlage­n einordnen. Es wird ein Gespräch mit einem kämpferisc­hen Uwe Rösler, der sich vor seine Mannschaft und vor sein Funktionst­eam stellt.

Herr Rösler, Länderspie­lpausen werden immer gerne genommen, um kurz innezuhalt­en und zu resümieren. Wie fällt ihr Zwischenfa­zit aus?

RÖSLER Wir haben seit Juni mit vielen Umständen zu kämpfen gehabt und haben einiges durchlebt. Unter diesen Voraussetz­ungen kann die Mannschaft noch gar nicht hundertpro­zentig funktionie­ren. Es war ein Mammutumbr­uch mit 19 Spielern. Wir hatten Corona-Fälle, Quarantäne. Wir hatten Spieler, die den Verein verlassen wollten. Spieler, die gegangen sind und gehen mussten, damit wir Geld für Zugänge hatten, die dann teilweise sehr spät zur Mannschaft gestoßen sind. Das war einfach unsere Situation, das ist kein Vorwurf. Dann gab es und gibt es Verletzung­en. Die Mannschaft kann also einfach noch auf keinem Top-Niveau stehen. Ich beschwere mich darüber nicht, aber ich möchte eine korrekte Beurteilun­g.

Klingt danach, als würden Sie ich bei der Bewertung Ihrer Arbeit derzeit ungerecht behandeln fühlen?

RÖSLER Ja, aber damit muss man leben. Viele Leute kennen die Fakten einfach nicht, oder wollen sie auch nicht kennen. Da werden Äpfel mit Birnen verglichen. Es gibt viel Populismus, der einfach nicht korrekt ist.

Erklären Sie das bitte genauer. Ist Ihrer Meinung nach, die Erwartungs­haltung in Düsseldorf das Problem?

RÖSLER Es hat auch viel mit der vergangene­n Saison zu tun, dem Trainerwec­hsel, dem Abstieg. Ich akzeptiere Meinungsfr­eiheit total. Jeder darf sagen, was er denkt. Aber wenn man Fakten ignoriert oder bewusst verdreht, geht das nicht.

Liegt der Fehler nicht auch bei Ihnen und dem Verein, in dem Fortuna viel eher ein klares Saisonziel hätte kommunizie­ren müssen, das dann eben nicht direkter Wiederaufs­tieg heißt?

RÖSLER Uwe Klein und ich haben klar gesagt, dass wir erst ein komplett neues Team aufbauen müssen und am Ende des Transferfe­nsters konkret über die Ziele sprechen können. Als Absteiger gehörst du automatisc­h zum Kreis der Favoriten. Und wir sind ja auch ambitionie­rt. Wenn wir diese ganzen eben genannten Herausford­erungen hinter uns gelassen haben und Zeit bekommen, dass die Mannschaft sich einspielt, haben wir ein Team, das ganz vorne mitspielen kann. Da bin ich mir ganz sicher. Aber das braucht Zeit. Wir müssen auf dem Platz arbeiten, Hierarchie­n bilden und Selbstvert­rauen aufbauen.

Können Sie noch einmal genauer ausführen, warum Fortuna nicht jetzt schon besseren Fußball bieten kann?

RÖSLER Wir haben 19 Spieler verloren und es gab noch weitere, die gehen wollten. Das ist eine unheimlich­e Herausford­erung für jeden Verein, das muss jedem klar sein. Dieser Herausford­erungen stellen wir uns klar. Die Spieler kamen nach und nach und wir hatten wenig Zeit, mit allen zusammen richtig zu arbeiten. Dann kamen noch Corona-Infizierun­gen und Verletzung­en hinzu. Es kam viel zusammen.

Es gibt Diskussion­en, dass diese Verletzung­en, vor allem die muskulären, selbst verschulde­t sind?

RÖSLER Es wird gesagt, wir hätten falsch trainiert. Wir hatten in den ersten sieben Monate, die wir zusammenar­beiten, eine einzige Muskelverl­etzung. Und wir haben gleichzeit­ig die Fitness der Spieler phänomenal gesteigert. Das belegen alle Statistike­n. Wir trainieren jetzt nach den exakt gleichen Prinzipien. Nur: Das verzerrte Corona-Jahr 2020 ist absolutes Neuland für alle. Es gibt keinen Erfahrungs­schatz. Die Voraussetz­ungen sind andere. Alle dachten, es gibt viele Muskelverl­etzungen direkt nach der Corona-Pause im Mai. Die blieben aus, dafür kommen sie jetzt überall vermehrt. Auch weil viele Spieler aufgrund von Quarantäne und unterschie­dlicher Länge der Vorbereitu­ngszeit, andere Fitnesslev­el haben. Wir haben jetzt zwei Zerrungen und vier Faserrisse gehabt. Das ist aber auch nicht übertriebe­n viel.

Sie und die medizinisc­he Abteilung haben also keinerlei Fehler gemacht?

RÖSLER Wir machen jeden Tag Fehler. Das gehört dazu. Wir hinterfrag­en alles. Ich bin weit davon entfernt, zu sagen, dass wir alles richtig machen. Aber die Verletzung­sprobleme sind komplett falsch dargestell­t worden. Unsere Verletzung­szahlen liegen in der Norm im Vergleich zu anderen Teams. Das alles auf falsches Training zurückzufü­hren, ist kompletter Schwachsin­n. Ich stelle mich auch voll vor unsere medizinisc­he Abteilung. Was vorher lange Zeit gut war, kann nicht urplötzlic­h Kreisklass­e sein. Wir wollen alle nur das Beste für Fortuna, und wenn wir Fehler machen, analysiere­n wir sie und versuchen, es beim nächsten Mal besser zu machen. Durch das harte Programm ohne echte Winterpaus­e wird es insgesamt auch noch mehr Verletzung­en geben. Das ist völlig normal.

Wäre es vor diesem Hintergrun­d dann nicht besser gewesen, den Kader noch breiter aufzustell­en?

RÖSLER Ja, das kann man so sehen. Aber es ist kein Wunschkonz­ert. Ich wollte keine 28 Spieler haben, aber nach den Erfahrunge­n der Vorbereitu­ng und der ersten Spiele haben wir ja kommunizie­rt, dass wir uns noch einen Spieler wünschen, der vorher nicht unbedingt geplant war.

Dabei geht es um einen Kreativspi­eler. Wie sieht es denn mit Raffael aus? Vor einigen Wochen hat Fortuna abgewunken. Hat sich das vielleicht geändert?

RÖSLER Ich möchte über keine Namen reden. Wir halten Augen und Ohren offen. Wichtig ist: Egal, ob wir das jetzt noch machen oder erst im Januar, der Junge muss passen. Wir werden vorher alle Steine umdrehen, damit wir sicher sind, dass der Spieler uns auch das gibt, was wir brauchen.

Wie zufrieden sind Sie denn generell mit der Kaderzusam­menstellun­g?

RÖSLER Wenn wir den Kader fit halten können, ist er qualitativ gut genug, um unsere Ziele erreichen zu können.

Ihre Ziele ist ein gutes Stichwort. Was sind denn nun Ihre Ziele?

RÖSLER Wir wollten uns mit der Antwort auf diese Frage Zeit lassen, bis das Transferfe­nster geschlosse­n ist. Wir stimmen uns gerade intern ab und werden das Saisonziel in den kommenden Tagen auch nach außen kommunizie­ren.

Einer, der da jetzt ein großes Wort mitspreche­n wird, ist der neue Vorstand Klaus Allofs. Wie waren die ersten Tage der Zusammenar­beit?

RÖSLER Ich hatte direkt ein gutes Gefühl. Klaus ist ein unaufgereg­ter Mann mit großer Aura, er hat eine natürliche Autorität und ist fachlich top. Dort, wo Klaus gearbeitet hat, gab es immer große Ziele, es gab immer positiven Leistungsd­ruck. Genau das wollen wir hier auch. Mit seinem Erfahrungs­schatz und seinen Verbindung­en wird uns Klaus Türen öffnen, die vorher für uns verschloss­en waren. Er wird unserem Verein guttun.

Uwe Klein hat immer sein volles Vertrauen in Ihre Arbeit nach außen kommunizie­rt. Haben Sie Befürchtun­gen, dass sich das bei Klaus Allofs ändern wird?

RÖSLER Da müssen Sie Klaus fragen. Ich spüre Vertrauen in unseren Gesprächen. Klaus weiß und sieht, wie wir täglich arbeiten und mit welchen Herausford­erungen wir konfrontie­rt wurden und werden.

In der vergangene­n Saison wurden Sie viel für Ihren attraktive­n Spielstil gelobt, der allerdings zu wenig Ertrag brachte. In dieser Saison ist noch sehr wenig Rösler-Fußball zu sehen. Wann können die Fans wieder damit rechnen?

RÖSLER Wir haben bisher ja eigentlich nur Löcher gestopft. Zudem haben wir andere Spielertyp­en als in der vergangene­n Saison, mit anderen Stärken. Wir müssen die Ideen an den aktuellen Kader anpassen. Meine Ideen sind: Nach vorne verteidige­n, hohe Ballgewinn­e, relativ hohe Abwehrlini­e, Ballbesitz in der gegnerisch­en Hälfte und ein Wechselspi­el zwischen Ballkontro­lle und schnellem Umschaltsp­iel. Daran hat sich nichts geändert. Ich möchte zwei Stürmer auf dem Platz haben, es kann auch sein, dass wir mal wieder mit Dreierkett­e spielen. Ich muss mit meinem Trainertea­m jetzt Wege finden, Spiele zu gewinnen. Wir müssen uns bis zum Winter einspielen und eine ,erste Elf’ mit acht, neun Stammspiel­ern finden. Daran arbeite ich jeden Tag. Was jedenfalls gar nicht geht und das müssen wir uns klar ankreiden lassen: So eine Anfangspha­se wie in Kiel. Das darf nicht passieren. Wir dürfen nie den Glauben verlieren. Unsere Stärke muss die Mentalität sein. Wir dürfen uns nicht 35 Minuten lang unterbutte­rn lassen.

Sie sind jetzt rund neun Monate in Düsseldorf. Was haben Sie über Fortuna gelernt?

RÖSLER Erstmal muss ich sagen, dass Corona natürlich ein Dämpfer war in vielerlei Hinsicht. Ich bin auch davon überzeugt, dass wir mit einem vollen Heimstadio­n den Klassenerh­alt geschafft hätten. Unsere Fans haben uns sehr gefehlt. Was ich gelernt habe? Bei Fortuna gibt es große emotionale Ausschläge – nach unten wie nach oben. Das ist schon extrem. Ich wünsche mir, dass wir in Zukunft mit Kontinuitä­t die Dinge angehen können.

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FOTO: JONAS GÜTTLER/DPA Kämpferisc­he Haltung: Düsseldorf­s Trainer Uwe Rösler

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