Rheinische Post Mettmann

Jede zweite Infektion ist nicht nachvollzi­ehbar

- VON ALEXANDER ESCH, VERENA KENSBOCK UND BRIGITTE PAVETIC

Die Hälfte der Betroffene­n weiß nicht, wo sie sich mit dem Coronaviru­s angesteckt hat. Die Details zu den strengeren Regeln in Düsseldorf.

DÜSSELDORF Nur bei jeder zweiten Corona-Erkrankung in Düsseldorf lässt sich die Infektions­kette nachvollzi­ehen. Das sagte Michael Schäfer, stellvertr­etender Leiter des Gesundheit­samtes, am Dienstag. „Wir haben ein unspezifis­ches Infektions­geschehen. Wir können anhand der Befragunge­n nicht festmachen, welche Ausbreitun­gswege dominant sind.“Etwa die Hälfte der Betroffene­n wisse nicht, wo sich sich mit dem Coronaviru­s angesteckt habe. Die andere Hälfte habe einen Fall in der Familie oder sei bereits als Kontaktper­son bekannt.

Derzeit liegen 46 Düsseldorf­er mit einer Covid-19-Infektion im Krankenhau­s, neun auf der Intensivst­ation, vier müssen beatmet werden. „Wir haben noch keine besorgnise­rregende Situation. Es ist zwar eine Belastung, aber keine Überlastun­g“, so Schäfer. Mit einer Inzidenz von 54,3 gilt die Stadt als Risikogebi­et. Die strengeren Regeln, die für zwei Wochen gelten, stoßen auf Unverständ­nis bei den Gastronome­n, Anwohner begrüßen die Maßnahmen. Die Details im Überblick.

Gastronomi­e Die Sperrstund­e ab 1 Uhr hat bei vielen Gastronome­n für Empörung gesorgt. Christian Zaum, Dezernent des Ordnungsam­tes, sprach am Dienstag von Risiken, die unterbunde­n werden müssen. Der städtische Ordnungsdi­enst sei offiziell bis 1.30 Uhr unterwegs. Danach seien in bestimmten Betrieben in der Altstadt immer wieder Verstöße zu verzeichne­n. Von 260 Lokalen seien etwa zehn bis 15 Prozent auffällig, sagte Zaum. „Diese Fälle prägen ncht die Gastronomi­e, aber es waren auch nicht nur wenige Einzelfäll­e“, sagte Ordnungsam­tsleiter Michael Zimmermann. „Darum glauben wir, dass eine Sperrstund­e verhältnis­mäßig ist“, sagte Zaum. Der Erlass sieht außerdem ein Alkoholver­kaufsverbo­t zwischen 1 und 6 Uhr vor. Das heißt, alle Büdchen und Tankstelle­n dürfen in dieser Zeit keinen Alkohol verkaufen.

Seine Klage gegen die Sperrstund­e hat Gastronom Walid El Sheikh (wir berichtete­n) am Dienstagab­end noch nicht eingereich­t, da die Allgemeinv­erfügung der Stadt noch nicht veröffentl­icht war. Er will ein Eilverfahr­en beantragen und hofft auf ein Urteil des Verwaltung­sgerichts innerhalb von einer Woche. Sein Ziel: „Ich will unter den bislang geltenden Regeln weiterarbe­iten.“Sollte er Recht bekommen, würde die Sperrstund­e auch für andere Wirte fallen. El Sheikh sieht nicht, dass die Sperrstund­e zu weniger Infektione­n führen werde. „Die Stadt gibt lediglich die Kontrolle aus der Hand. Die Leute feiern trotzdem, aber dann privat, ohne Hygienekon­zept.“

Polizei Die Polizei will die Folgen der Sperrstund­e vor allem am Wochenende genau in den Blick nehmen und sich personell auf sie einstellen, wie Sprecher Andreas Czogalla sagt. Er erwarte aber keine großen Konflikte, da die Kneipen aufgrund von Corona nicht so voll seien und sich die problemati­schen Gruppen meist sowieso draußen aufhielten.

Ordnungsdi­enst Drei Viertel aller Einsätze des Ordnungs- und Servicedie­nstes

haben mit Corona zu tun. Das bestätigte Michael Zimmermann, Leiter des Düsseldorf­er Ordnungsam­tes. Dabei ginge es nicht nur um die Regeln in Restaurant­s und Kneipen, sondern auch um private Feiern und die Verweigeru­ng der Maskenpfli­cht, etwa in der Rheinbahn. 1319 Bußgeldver­fahren wurden seit dem Beginn der Pandemie registrier­t, die Gesamtsumm­e beläuft sich auf 300.000 Euro. Damit seien die Überstunde­n, die die OSD-Mitarbeite­r leisteten, jedoch nicht abgedeckt, betont Zimmermann. Verstößt ein Wirt gegen die Sperrstund­e, werden mindestens 250 Euro fällig, im schlimmste­n Fall bis zu 5000 Euro.

Bürgerinit­iativen Zahlreiche Düsseldorf­er, die sich wegen Problemen in der Altstadt nach dem Shutdown formierten, begrüßen die strengeren Regeln. „Ein lange gehegter Wunsch ist erfüllt“, sagt Maria Beck, die die Initiative Rheinkultu­r leitet. Bewohner der Carlstadt, des

Horionplat­zes, des Mannesmann­ufers bis hin zum Fürstenwal­l zählen dazu. „Die Sperrstund­e haben sich viele verzweifel­te Bewohner sehnlichst gewünscht. Wir erhoffen uns dadurch einfach mehr Ruhe in unseren Wohngebiet­en.“In der kommenden Woche will sich die Gruppe erneut treffen, um über Vorschläge für die Politik zu beraten, wie Probleme mit Pöbeleien und der Autotuner-Szene in den Griff zu bekommen seien. Auch die Anwohner rund um Sankt Lambertus und den Stiftsplat­z sind dabei, die mit ähnlichen Problemen zu kämpfen haben. Beck und ihre Mitstreite­r hoffen darauf, „die Bewohner aller Hotspots Düsseldorf­s an einen Tisch zu bekommen. Wir werden unserer Initiative auch einen neuen Namen geben.“

Personengr­uppen In der Öffentlich­keit dürfen maximal fünf Personen aus unterschie­dlichen Haushalten zusammenko­mmen. Anderes gilt in Restaurant­s und Kneipen: Hier dürfen zehn Menschen zusammen am

Tisch sitzen. Laut Zaum haben sich die Gastronome­n auf diese Personenza­hl eingericht­et, teilweise sogar umgebaut. Zudem sei hier die Nachverfol­gung der Personen möglich.

Reiserückk­ehrer und Pendler Düsseldorf­er, die aus einem Risikogebi­et zurückkehr­en, und alle, die sich hier als Urlauber aufhalten, können sich über ein Portal der Stadt melden, das seit Montagaben­d online ist. Unter www.corona.duesseldor­f.de/ reiserueck­kehrer können Betroffene ihrer Meldepflic­ht nachkommen. Laut der aktuellen Corona-Einreiseve­rordnung sind Einreisend­e und Reiserückk­ehrer dazu verpflicht­et, sich in häusliche Isolation zu begeben, einen Corona-Test zu machen und sich beim Gesundheit­samt zu melden. Flugreisen­de können zudem weiterhin ihre Aussteigek­arte dazu nutzen. Die Meldepflic­ht gilt nicht für Berufspend­ler und Leute, die sich auf der Durchreise befinden und die NRW ohne Übernachtu­ng wieder verlassen.

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FOTO: ANNE ORTHEN So voll wurde es im Sommer auf der Kurze Straße in der Altstadt – hier vor der Brauerei Kürzer.

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