Die Volksbühne sorgt für eine Finanzspritze
Kulturfreunde und Kulturschaffende sind treue Partner in der Corona-Krise. Dankbarkeit und Sorgen sind auf beiden Seiten groß.
DÜSSELDORF Die Volksbühne Düsseldorf feiert in diesem Jahr ein jeckes Jubiläum, doch zum Feiern ist dem Verein trotz seines 99. Geburtstages nicht. Der Grund: Corona. Das Virus hat die Kulturbranche wie so viele andere Branchen auch in ihren Grundfesten erschüttert und an den Rand der Existenz gebracht. Statt die Pandemie hilflos auszusitzen, schritten die Vorstände Werner Sesterhenn, Peter Haseley und Jörg Bickenbach zur Tat.
Im Mai gab es einen Spendenaufruf an die Mitglieder, wie Sesterhenn am Dienstag erzählte. Und dieser war erfolgreich: 45.000 Euro kamen dank des Aufrufs zusammen. Weitere 5000 Euro gibt die Volksbühne aus eigener Tasche noch dazu. „Die Spendenaktion soll die Vielfalt der Düsseldorfer Kulturszene erhalten“, so Werner Sesterhenn. Die große Resonanz zeige die enorme Solidarität mit den Kulturschaffenden, die durch die Corona-Pandemie mit Umsatzeinbußen zu kämpfen haben.
Nutznießer der Volksbühnen-Spende sind mit jeweils 5000 Euro das Asphalt Festival, das Marionetten-Theater, das Kom(m)ödchen, das Puppentheater Helmholtzstraße, das Theater am Schlachthof in Neuss, das Zentrum für Aktion, Kultur und Kommunikation (Zakk), das Kabarett Flin, das Forum Freies Theater und der Förderverein Junges Schauspielhaus.
9000 Mitglieder zählt die Volksbühne Düsseldorf, bis zu 100.000 Karten fragen diese im Durchschnitt pro Jahr nach, wenn kein Corona ist, wie Sesterhenn sagt. Eine Umsatzeinbuße von 40 Prozent verzeichnet aktuell auch die Volksbühne, die als Vermittler zwischen Kulturfreunden
und Kultureinrichtungen fungiert, die Karten für die Mitglieder sind ermäßigt. „Endlich konnte die Volksbühne ihren Partnern etwas zurückgeben“, wie Sesterhenn im Theater an der Kö in den Schadow Arkaden freudig sagte.
René Heinersdorff, unter anderem Chef des privatwirtschaftlich betriebenen Theaters im Herzen der Stadt, hatte sich als Gastgeber zur Verfügung gestellt für diese denkwürdige Zusammenkunft. Denkwürdig deshalb, weil die Theaterchefs zum einen voller Dankbarkeit für die finanzielle und somit auch moralische Unterstützung der Volksbühnen-Mitglieder sind. Zum anderen ließen sie aber auch keinerlei Zweifel daran, dass nicht 2020 ihr Schicksalsjahr ist, sondern dieses erst noch vor ihnen liegt.
So appellierte der Chef des Düsseldorfer Marionettentheaters, Anton Bachleitner, an die Politik, insbesondere den Kulturausschuss der Stadt, für freie Theater- und Kultureinrichtungen Ausnahmeregelungen
zu schaffen. Eine Petition für den Landtag sei in der Mache. Nach aktuellem Stand der Dinge könne er unter den herrschenden Regelungen sein Theater erst im Herbst 2021 wiedereröffnen – der Zuschauersaal sei sehr eng und begrenzt, die Bühne ebenso. „Ich spüre eine große Ängstlichkeit bei der Stadt“, sagte Bachleitner. „Die Kulturverantwortlichen verstecken sich hinter starren Regeln.“Auch das Puppentheater Helmholtzstraße hat längst Gespräche mit dem Kulturdezernenten
Hans-Georg Lohe aufgenommen. Chef Ingo Assion resümiert: „Für uns ist das im Moment ein Zuschussgeschäft bei einem Drittel der Auslastung. 2021 wird das schwierigste Jahr.“
Seit dem 1. Oktober ist das Kom(m) ödchen in der Altstadt wieder am Start – 50 Prozent der Sitzplatzkapazität schöpft Geschäftsführer Kay Lorentz aus. „Die Reservierungen ziehen langsam an, doch bis auf unbestimmte Zeit werden wir nicht kostendeckend spielen“, sagte er.
In diesem Zusammenhang betonte Theaterchef René Heinersdorff: „Alle Theater dürfen laut aktueller Landesverordnnung theoretisch voll besetzen, sie tun es zum Schutz des Publikums nicht. Das soll aber auch nicht dazu führen, dass sich die Gäste generell Sorgen machen, nur weil die Sitzplatzkapazität gesenkt ist.“Ein weiterer positiver Aspekt sind in Heinersdorffs Augen neue Filter: In der Komödie würde innerhalb von viereinhalb Minuten die Luft im Theatersaal komplett ausgetauscht, „und im Theater an der Kö in 5,2 Minuten“.
Das Spielzeitheft der Volksbühne, das noch bis Dezember gilt, führt 29 Spielstätten auf. Auch für 2021 ist laut Volksbühnen-Vorstandsvorsitzenden Sesterhenn eines geplant. Doch auch er mahnt: „Dank einer soliden Basis können wir den finanziellen Verlust momentan noch stemmen. Einen zweiten Kraftakt dieses Ausmaßes könnten wir aber nicht bewältigen, sodass wir auf fremde Hilfe angewiesen wären.“