Rheinische Post Mettmann

Wenn’s in den Wald geht

LOTTE AUS LÖRICK Gestatten – Lotte. Weimaraner-Hündin, sechs Jahre alt, ledig (freiwillig), ohne Nachwuchs (unfreiwill­ig), meist in Düsseldorf-Lörick lebend.

- Hans Onkelbach

Zur Verwunderu­ng meines Menschen reagiere ich sofort auf bestimmte Wörter. „Wald“ist eines davon, oder der Name des Ortes, in dem mein Jagdrevier liegt. Fällt einer dieser Begriffe, dann legt sich in meinem Kopf ein Schalter um. Dann will ich nicht mehr fressen oder schmusen, runterfall­ende Leckerlis interessie­ren mich nicht, ich will nur noch arbeiten. Während mein Mensch seine Sachen packt und erfreulich­erweise Futter für mich bunkert (was ich aufmerksam registrier­e), springe ich schon mal hinten ins Auto, dessen Geruch der Mensch meines Menschen nicht goutiert, den ich aber liebe – denn es ist meiner. Dort habe ich eine eigene Sitzbank, gut gepolstert mit einer dicken, warmen Decke, da ich häufiger nachts bei Kälte warten muss, wenn mein Mensch auf einer Jagdkanzel sitzt.

Nun muss ich zugeben, dass meine Neigung zur Jagd noch ausbaufähi­g ist. Sind wir nachts unterwegs, bleibe ich noch näher bei meinen Menschen. Man hört und riecht ziemlich viel des Nachts. Vor allem machen mich die Augenpaare nervös, die im Schein seiner Stirnlampe in der Dunkelheit aufleuchte­n und uns beobachten.

Tagsüber ist der Wald dagegen für mich großartig: Ich bemitleide meinen Menschen, weil er alles das, was ich erriechen kann, nicht annähernd erfasst. Ich wittere ein Reh oder einen Fuchs schon lange, bevor er auch nur eine Ahnung hat. Neulich lief ein Wildschwei­n neben uns durchs Gebüsch. Er hat es gehört, ich habe es gerochen – und den verschreck­ten Frischling, der seine Mama kurz verloren hatte, schon gewittert, als er noch dachte, da liefe ein fettes Eichhörnch­en durchs Gehölz. Da ich ein Vorstehhun­d bin, bleibe ich in solchen Situatione­n regungslos stehen, die Nase in der Richtung, in der ich was entdeckt habe und ihm damit klarmachen­d, dass da was ist. Jedes Mal ist er begeistert. Was mich wundert, weil: Für mich ist das völlig normal und leicht, nichts Besonderes.

Mein echter Einsatz kommt, wenn mein Mensch ein Tier erlegt hat. Das passiert meistens in der Dämmerung oder im Dunkeln. Und daher ist es schwierig, das Tier zu finden, weil viele noch weiterlauf­en, obwohl sie tödlich getroffen sind. Sobald ich am Anschuss, wo es meist kleine Blutspritz­er gibt, die Spur aufgenomme­n habe, folge ich ihr und habe in der Regel schnell Erfolg. Mein Mensch ist dann immer ganz aus dem Häuschen, und ich freue mich auch und bin stolz. Aber das ist halt mein Job, und den mache ich gut und gern. Ich könnte der Spur noch Tage später und im Regen folgen, problemlos. Einmal hat ein Freund meines Menschen eine Sau geschossen, und die war noch ein Stück gerannt und in der Dunkelheit verschwund­en. Angeblich nach rechts. Aber als ich die Witterung aufgenomme­n hatte, war mir klar, dass sie in die andere Richtung gelaufen war. Der Freund meines Menschen wollte das nicht glauben und zog mich immer wieder nach rechts. Bis mein Mensch endlich entschied, meiner Nase zu vertrauen und mich – vorschrift­smäßig an einer langen Leine – losziehen ließ. Und siehe da – nach 200 Metern lag die Sau tot in einem Bachlauf, sauber getroffen.

Vor allem aber liebe ich unsere Wanderunge­n durch den Wald. Es gibt viel zu riechen, zu hören und zu sehen. Aber jagen darf ich nur Eichhörnch­en. Das sind die frechen Biester, die laut keckernd vor mir stehen, mich frech anmachen und dann blitzschne­ll am Baum hochklette­rn. Und zwar genau bis zu der Höhe, in der ich sie nicht mehr erreichen kann. Kommt ein Reh, laufe ich ein paar Meter hinterher, aber ich habe meinem Menschen beigebrach­t, auf seiner Pfeife einen Doppelpfif­f zu machen, und dann kehre ich sofort um. Was meinen Menschen freut und mir eh lieber ist, denn ein Reh würde ich nicht einholen können. Schon gar nicht in meinem Alter.

Mein Mensch und ich sind eben ein gutes Team und vertrauen einander. Ich laufe selbst im Wald ohne Leine, weil ich kein Tier hetze und immer in seiner Nähe bleibe. Das weiß er. Dass ich das vor allem aus Klugheit und Bequemlich­keit nicht tue, muss er ja nicht wissen.

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