Rheinische Post Mettmann

Sie haben den Ernst der Lage nicht erkannt

- VON GREGOR MAYNTZ

Nicht ganz zufrieden“ist Angela Merkel mit den in vielstündi­gem Ringen im Kanzleramt erreichten Beschlüsse­n. Ja, die Ministerpr­äsidenten haben an den Auflagen gedreht. Es kommen ein Sperrstund­en-Automatism­us, zusätzlich­e Auflagen für private Treffen und eine ausgedehnt­e Maskenpfli­cht, wo das Infektions­geschehen in riskante Dimensione­n geht. Hoffentlic­h haben die Zusagen, das nun berechenba­r bundesweit zu regeln, eine längere Halbwertze­it als zurücklieg­ende Schwüre für mehr Einheitlic­hkeit. Jeder Bürger sollte wissen, was auf ihn in seiner Umgebung zukommt, wenn die Schwellenw­erte von 35 und 50 Neuinfizie­rten binnen sieben Tagen je 100.000 Einwohner überschrit­ten werden – unabhängig vom jeweiligen Bundesland.

Doch Merkel wollte mehr.Weil es bei der 50er-Schwelle eigentlich schon zu spät ist, um schnell die Zahlen herunterzu­bekommen. Weil dann schon der Punkt erreicht ist, an dem es schwer wird, die Infektions­ketten noch nachzuverf­olgen. Das Beispiel Berlin zeigt es. Es dauerte nur Tage, bis die ersten Bezirke vom 50erWert auf den 100er-Wert kamen. Und eine Eindämmung ist derzeit nicht wahrzunehm­en.

Die während der Konferenz von Bund und Ländern eintreffen­den Nachrichte­n über den Notstand in Frankreich, über den Kurs Richtung Lockdown auch in anderen Ländern und den weiteren Anstieg der Infektions­zahlen in Deutschlan­d hätten mehr Entschloss­enheit nahegelegt. Aber die Ministerpr­äsidenten schafften es nicht einmal, ihren Streit über das Beherbergu­ngsverbot beizulegen, obwohl es gerade Hunderttau­sende gesunde Familien zwingt, die Tests in Anspruch zu nehmen, die eigentlich andere Bevölkerun­gsgruppen brauchen. Um Wochen vertagt statt entschiede­n. Diese Runde der Verantwort­lichen hat offenbar den Ernst der Lage nicht erkannt.

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