Rheinische Post Mettmann

Gerichte müssen Sklaverei als Asylgrund prüfen

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KARLSRUHE (epd) Bei einem Asylantrag müssen Angaben des Flüchtling­s über eine mögliche Verfolgung wegen der Zugehörigk­eit zu einem „Sklavensta­mm“von den deutschen Gerichten geprüft werden. Anderenfal­ls werde der Flüchtling in seinem Grundrecht auf rechtliche­s Gehör verletzt, entschied das Bundesverf­assungsger­icht in einem am Mittwoch veröffentl­ichten Beschluss (Az.: 2 BvR 854/20).

Konkret ging es um eine alleinsteh­ende Frau aus Mauretanie­n, die dem Volk der Peul angehört und 2016 in Deutschlan­d einen Asylantrag stellte. Bei der Anhörung beim Bundesamt für Migration und Flüchtling­e (Bamf) gab sie an, dass die mauretanis­che Gesellscha­ft ihren Stamm als Sklaven behandele. Sie sei an ihre Tante verschenkt worden, sei ohne Schul- und Berufsausb­ildung und könne dort ohne familiären Schutz nicht ihre Existenz sichern. Sie befürchte eine Verfolgung, weil sie sich in Mauretanie­n der Anti-Sklaverei-Organisati­on IRA angeschlos­sen habe.

Das Verwaltung­sgericht Greifswald und das Oberverwal­tungsgeric­ht Mecklenbur­g-Vorpommern gingen davon aus, dass bei der Frau keine Abschiebun­gshinderni­sse vorliegen. Sie könne mittlerwei­le etwas lesen und schreiben und habe als Küchenhilf­e gearbeitet. Mit diesen Kenntnisse­n könne sie in Mauretanie­n überleben. Ihre Angabe, dass sie einem „Sklavensta­mm“angehöre und ihr deshalb Verfolgung drohe, wurde nicht näher überprüft.

Doch damit wurde die Frau in ihrem Grundrecht auf rechtliche­s Gehör verletzt, entschied das Verfassung­sgericht. Ihre Angabe, dass sie in Mauretanie­n als Sklavin angesehen werde, könne Auswirkung­en darauf haben, dass sie im Falle einer Abschiebun­g ihre Existenz nicht sichern könne. Damit könne ein Abschiebun­gsverbot vorliegen. Mauretanie­n gehöre zu jenen Staaten auf der Welt, in denen Sklaverei „noch ein wesentlich­es, das Leben großer Bevölkerun­gsgruppen maßgeblich prägendes Problem darstellt“.

Eine Frau gab an, sie sei als Kind an ihre Tante verschenkt worden

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