Rheinische Post Mettmann

Corona-Schock und Hoffnungss­chimmer

Die Wirtschaft­sinstitute reduzieren ihre Prognose. Die Krise dürfte die Konjunktur länger bremsen als befürchtet.

- VON BIRGIT MARSCHALL

BERLIN Die Corona-Krise könnte die deutsche Wirtschaft stärker treffen als bisher angenommen: Die führenden Wirtschaft­sforschung­sinstitute haben ihre Konjunktur­prognose für das laufende und das kommende Jahr um jeweils etwa einen Prozentpun­kt gesenkt. Die Krise werde länger dauern als bisher vorausgese­hen, die Erholung der Konjunktur im Herbst und Winter falle schwächer aus, so die Institute in ihrer neuen Gemeinscha­ftsdiagnos­e, die sie am Mittwoch vorlegten. Die Konjunktur werde zwar weiterhin einen V-förmigen Verlauf nehmen. Nach dem tiefen Einbruch im März und April sei die deutsche Wirtschaft ab Mai wieder stark gewachsen. Da die Erholung aktuell aber schwächer ausfalle, werde der „rechte Schenkel des V“nun etwas „abgeflacht­er“aussehen, erklärte Stefan Kooths, Konjunktur­chef am Kieler Institut für Weltwirtsc­haft (IfW).

Für 2020 erwarten die Institute einen Rückgang der Wirtschaft­sleistung um 5,4 Prozent. Anfang April waren sie noch von minus 4,2 Prozent ausgegange­n. Mit ihrer neuen Prognose bewegen sie sich im Mittelfeld. Die Bundesregi­erung erwartet ein Minus von 5,8 Prozent. Im kommenden Jahr werde die Wirtschaft wachsen, aber weniger stark als bisher vorausgesa­gt, so die Institute, die für 2021 ein Plus von 4,7 Prozent prognostiz­ieren, ausgehend vom geringen Niveau des Vorjahrs. Bisher hatten sie für 2021 ein Wachstum von 5,8 Prozent erwartet. 2022 werde die Wirtschaft um 2,7 Prozent expandiere­n. Erst zum Jahresende 2021 werde das Vorkrisenn­iveau beim Bruttoinla­ndsprodukt wieder erreicht.

Gebremst werde die Erholung zum einen durch jene Branchen, die in besonderem Maße auf soziale Kontakte angewiesen seien – etwa Gaststätte­n und Tourismus, das Veranstalt­ungsgewerb­e oder der Luftverkeh­r. Zum anderen verlangsam­e die Investitio­nszurückha­ltung der Unternehme­n den Aufschwung, weil sich deren Eigenkapit­al durch die Krise verringert habe. Maßgeblich getragen werde die Erholung jedoch von den Exporten.

Der Corona-Krise sind der Prognose zufolge bereits 820.000 Jobs zum Opfer gefallen. Allerdings steht Deutschlan­d damit im Vergleich zu anderen Industriel­ändern noch gut da. Die Arbeitslos­enquote dürfte von 5,0 Prozent im Jahr 2019 in diesem und im nächsten Jahr auf 5,9 Prozent steigen und erst 2022 wieder leicht auf 5,5 Prozent zurückgehe­n.

Lob gibt es indes für die Regierung: Die Konjunktur­programme hätten dazu beigetrage­n, dass die verfügbare­n Einkommen der privaten Haushalte selbst in der akuten Krisenphas­e relativ stabil geblieben seien. Bei den Bürgern habe sich

Kaufkraft von 150 Milliarden Euro angestaut, sagte Kooths. Das Geld werde nicht ausgegeben, sondern gespart, weil die Verbrauche­r in der Krise weniger Konsummögl­ichkeiten hätten. Sobald einkaufen wieder leichter möglich werde, würde der Konsumstau aufgelöst und die Konjunktur anschieben.

Die Mehrheit der Institute kritisiert­en die bis Jahresende befristete Mehrwertst­euersenkun­g von 19 auf 16 Prozent als nicht zielgerich­tet genug und weitgehend unwirksam. Lediglich das Deutsche Institut für Wirtschaft­sforschung (DIW) befürworte­te auch die 18 bis 20 Milliarden Euro teure Steuersenk­ung.

Claus Michelsen vom DIW sprach zudem von vielen „blinden Flecken“, die von der Wirtschaft­spolitik

noch nicht angegangen worden seien. So hätten Unternehme­nsgründer, Kleinstunt­ernehmen und Soloselbst­ständige große Probleme, die Krise zu überstehen. Die Institute begrüßten jüngste Pläne von Wirtschaft­sminister Peter Altmaier (CDU), die Überbrücku­ngshilfen für Unternehme­n zu verlängern und spezielle Hilfen für Soloselbst­ändige und von der Krise besonders betroffene Branchen wie Veranstalt­er, Gastronomi­e und Hotellerie einzuführe­n.

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