Das Zubehör ist der neue Umsatzbringer
Bei seinem aktuellen iPhone setzt Apple auf schicke Extras. Doch längst nicht jeder Kunde braucht sie alle.
CUPERTINO Im Zeitalter der Digitalisierung werden sich Smartphone und Auto immer ähnlicher – zumindest, was die Verkaufsstrategie angeht. Beim Autokauf gilt schon seit Jahren, dass zwischen Wunsch und Wirklichkeit in der Regel zwei Buchstaben liegen: „ab“. Denn ein Neuwagen ist in der Regel ab einem gewissen Preis erhältlich, wird dann aber am Ende meist deutlich teurer. Grund dafür ist, dass immer mehr Sonderausstattung eingeplant wird, vom teuren Infotainment-System bis hin zum Lederschaltknauf in Edel-Optik.
Ähnlich ist es bei Apple. Wer bereit ist, mehr als 1000 Euro für ein Smartphone auszugeben, der kauft dann eben auch noch schnell ein paar kabellose Airpod-Kopfhörer hinzu, eine stoßfeste Hülle für das Smartphone oder einen Adapter, weil die iPhone-Anschlüsse leider doch nicht so gut zum Windows-PC passen. Insofern war bei der Vorstellung der neuen Apple-Produkte am späten Dienstagabend im kalifornischen Cupertino weniger interessant, was Apple alles zum neuen iPhone zu berichten hatte. Es ging vor allem darum, wie das Unternehmen die Welt um das Gerät herum gestalten würde.
Aus gutem Grund: Das Geschäft mit Kopfhörern, Apple Watch und Co. gehörte in den vergangenen Jahren zu den größten Wachstumstreibern der Kult-Marke mit dem Apfel-Logo. Zum Vergleich: Allein mit den Produkten in dieser Kategorie macht Apple mehr Umsatz als der Düsseldorfer Henkel-Konzern mit seiner gesamten Produktpalette. In diesem Jahr dürfte das Peripherie-Geschäftsfeld erstmals wichtiger sein als das Geschäft mit den iPads und den Mac-Notebooks und -Computern.
Kein Wunder bei diesen Preisen: Bei seiner Präsentation stellte Apple Handyhüllen mit einem Magnetsystem vor, die mehr als 50 Euro kosten. Das magnetische Ladegerät, mit dem das Laden des Smartphones deutlich schneller und komfortabler gehen soll, kostet mehr als 40 Euro, ein kleines anheftbares Lederetui für Kreditkarten sogar über 60 Euro. Die begehrten Kopfhörer Airpods schlagen mit kabellosem Ladekästchen bereits mit über 200 Euro zu Buche. Kurzum: Neben dem Kauf eines iPhones dürften in Zukunft noch mehr Zusatzkosten anfallen. Für die Kunden heißt das: Sie sollten sich genau überlegen, ob sie jedes dieser Produkte wirklich brauchen – oder ob es nicht auch eine günstigere Variante von einem Drittanbieter wie Belkin gibt.
Im Fokus der Präsentation stand natürlich dennoch das neue iPhone 12. Mit ihm leitet Apple das 5G-Zeitalter ein – zumindest schon mal rhetorisch. Denn für viele Nutzer dürfte sich erstmal gar nicht so viel ändern. In Deutschland bauen speziell Telekom und Vodafone mit bisher ungekannter Geschwindigkeit ein 5G-Netz auf, doch Apple selbst wies in seiner Präsentation darauf hin, dass die superschnellen Geschwindigkeiten nur bei idealen Bedingungen erreicht werden. Und die gibt es eben nicht nur in den USA, sondern auch hier bislang nicht überall. Zugleich ist auch das Angebot an Anwendungen, für die 5G benötigt wird, noch überschaubar.
Viel praktischer im Alltag dürfte daher für Apple-Kunden zunächst eine andere Neuerung sein: das iPhone bekommt ein noch stabileres Display, das bei Stürzen deutlich bruchsicherer sein soll als bei seinen Vorgängern. Für viele Endverbraucher dürfte das angesichts der aufgerufenen Preise am Ende viel wichtiger sein als manch anderer technischer Schnickschnack.